Silberhandel
Autor: Prof. Dr. Rolf Kießling
Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe
- Der Silberhandel stellte jenen Zweig der Geschäftsverbindungen Augsburger Kaufleute dar, der unter Einschluss von Bergbau und Kreditgeschäft den Übergang vom traditionellen Warenhandel zur Hochfinanz vorantrieb. Der Beginn lässt sich nach ersten Kontakten Franz Bäsingers vor allem im Vertrag der Gesellschaft des Ludwig Meuting 1456 mit Herzog Sigmund von Tirol festmachen, der ihm gegen ein Darlehen von 35.000 Gulden die Silberausbeute der dortigen Gewerke (vor allem Schwaz) überließ; diese Verbindungen intensivierten sich seit den 1470er Jahren durch die Gossembrot, Fugger (seit etwa 1485), Baumgartner, Herwart, mit denen Maximilian I. 1496 einen Silberkaufvertrag schloss und dem weitere folgten (Hoechstetter, Welser, Manlich, Bimmel, Haug & Langnauer). Dazu brachten die Fugger das aus dem Neusohler Kupferbergbau anfallende Silber ein, die Welser und Höchstetter stiegen zudem in den Handel mit Annaberger und Joachimstaler Silber ein. Der Absatz erfolgte über Venedig, Mailand, Genua, Antwerpen und bis ins Baltikum. Da die Ergiebigkeit der Tiroler Gruben nachließ, begann seit Ende des 16. Jahrhunderts der Abbau spanischen Silbers den Tiroler Silberhandel zu übertreffen. Trotz der Einbrüche der Augsburger Wirtschaft durch die großen Konkurse seit den 1550er Jahren konnte sich der Silberhandel in Verbindung mit dem Kunsthandwerk der Gold- und Silberschmiede als spezifische Sparte behaupten; auf ihm basierte ein großer Teil des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs nach dem Dreißigjährigen Krieg (1677: 9 Silberhändler, 1730: mindestens 15, 1750: 12, 1788: 8). Wenige Familien kamen dabei aus Augsburg selbst (Hosenestel, Rauner), eine Vielzahl zog von auswärts zu (Lindau: Rad, Hösslin, Köpf, Halder; Frankfurt: Greiff, Münch; Nürnberg: Gullmann; Württemberg: Liebert; Norditalien und Tirol: Schnurbein, Obwexer, Carli, Brentano). Die beherrschende Stellung der Augsburger Silberwarenhändler vor allem auf den Messen von Frankfurt, Leipzig, Naumburg und Zurzach (1692 erfolgte eine Preisabsprache) mit Schwerpunkt im ost- und nordeuropäischen Raum, dazu der Münzhandel (mit Pfalz-Neuburg, Württemberg, Bayern und Österreich) und das Engagement im Bergbau Sachsens (1727-1776 Schnurbein) begründeten die Stärke des Augsburger Kapitals im 18. und frühen 19. Jahrhundert, mit dessen Beginn das Silberwarengeschäft freilich endgültig auslief.
Literatur:
Richard Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, 1896
Jakob Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen bürgerlichen Kapitalvermögen am Ausgange des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, zunächst in Augsburg, 21935
Wolfgang Zorn, Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648-1870, 1961
Sylvia Rathke-Köhl, Geschichte des Augsburger Goldschmiedegewerbes vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, 1964, 98-107
Hermann Kellenbenz, Wirtschaftsleben der Blütezeit, in: Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 258-301
Peter Fassl, Wirtschaft, Handel und Sozialstruktur 1648-1806, in: ebenda, 468-480.