Hoechstetter

(Hechstetter, Höchstetter), Kaufmannsfamilie

Autoren: Dr. Katharina Sieh-Burens, Adelheid Hoechstetter-Müller

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Neueren Forschungen zufolge Nachkommen der Ritter von Höchstädt/Do. (staufische Ministeriale). Seit Ende des 13. Jahrhunderts als Bürger von Dillingen, Donauwörth und Augsburg nachweisbar. 1518 Reichsadel (’Hoechstetter von Burgwalden’). Grablege in St. Magdalena (Hoechstetterkapelle, später Rosenkranzkapelle). 1346 erwarb der Donauwörther Patrizier und Hofschenk Kaiser Karls IV., Ulrich (III, * 1290 Augsburg), ein Haus am Kitzenmarkt. Unter dem Bleicher und Kaufmann Ulrich (IV, * 1390 Augsburg, † 1453 Augsburg) 1420 Einstieg in den Textilhandel, unter seinem Sohn Ulrich (V, * 1422 Augsburg, † 1497 Augsburg) Aufstieg in den Groß- und Fernhandel für Textilien und Gewürze mit eigenem Gewölbe im ’Fondaco dei Tedeschi’ in Venedig. Zunftmeister der Gewandschneider, Mitglied des Kleinen Rats, 1476-1495 12mal Baumeister. Heiratete 1447 Barbara Peutinger; Vormund Konrad Peutingers. Als Gesellschafter der Gossembrot Einstieg in den Tiroler Bergbau und Metallhandel. Beteiligte noch zu Lebzeiten seine Söhne Georg (III, * 1453, † 1514), Jakob (* 1460, † 1525), Ambrosius (I, * 1463, † 30.9.1534), Hieronysmus (* 1465, † 1508) und Johann (* 1471, † 1527) an der Führung der Handelsgeschäfte.
  • Ambrosius (I), durch Heirat mit Anna Rehlinger (1483) Mehrer und 1503-1529 Ratsmitglied, gründete nach Ausbildung in Brügge 1486 die erste Faktorei Augsburger Kaufleute in Antwerpen. Er leitete damit den Aufstieg der Hoechstetter zum drittgrößten Augsburger Handelshaus nach den Fuggern und Welsern ein und führte das Familienunternehmen durch Bunt- und Edelmetallhandel, Bergbaubeteiligungen und Geldgeschäfte an die Spitze der oberdeutschen Handelshäuser. Nach Lösegeldzahlungen (1488) für den in Brügge gefangengehaltenen Maximilian I. kaiserliche Privilegien für den Kupferbergbau und Errichtung einer Messinghütte in Pflach (Tirol); in der Folge Montanunternehmer in Schwaz, Taufers (Tirol) und Neusohl (Ungarn), Schmelzwerke in Jenbach und Messinghütte (1509) in Steinebach (Tirol). 1505/06 mit anderen Augsburger Kaufleuten Beteiligung an der ersten Gewürzflotte nach Ostindien. 1514 mit dem Bruder Johann Gründung einer Handelsgesellschaft; 1524 Aufnahme seiner Söhne Ambrosius (II, * 1501 Augsburg, † 26.4.1550 Burgwalden) und Joachim (I, * 1505 Augsburg, † 2.12.1535 Dänemark) sowie von Hans Franz Baumgartner (Schwiegersohn) und Joseph Hoechstetter, dem Sohn seines Bruders Johann, als Mitgesellschafter. 1517 Kupferkartell mit den Fuggern. Die umfangreichen Geldgeschäfte mit den Habsburgern führten zur Ernennung zum kaiserlichen Rat und 1518 zur Nobilitierung ('Hoechstett von Burckwalden'). Wirtschaftliche Macht, Ansehen und Einfluss halfen den Hoechstettern 1517 im Streit mit dem Teilhaber und Faktor Bartholomäus Rehm, der sie wegen Übervorteilung bei der Gewinnberechnung anklagte. Der Prozess vor dem Reichskammergericht zog sich über Jahre hin. Als Rehm sich schließlich selbst sein Recht zu nehmen suchte, indem er Kaufmannsgüter der Gesellschaft an sich brachte, war der Streit endgültig zugunsten der Hoechstetter entschieden. Rehm starb 1524 in Augsburger Haft. Dennoch schadete der Streit, der die allgemeine Kritik an den mächtigen Handelsgesellschaften und Monopolen verschärfte, den Hoechstettern erheblich. 1523 wurde gegen sie, wie gegen andere Handelshäuser, vom Reichsfiskal Monopolklage erhoben. Trotzdem gelang es den Hoechstettern, ihr Wirtschaftsimperium zu erweitern. 1525 schlossen sie mit König Ferdinand einen Monopolvertrag über die Idrianer Gewerke. Der Plan, auch die spanischen Quecksilbergruben in Almaden in Verbindung mit kaiserlichen Anleihen zur Besoldung des Heeres an sich zu bringen, scheiterte allerdings und führte zu einer negativen Geschäftsentwicklung, an deren Ende der Bankrott von 1529 stand. Obwohl die Fugger zunächst den Hoechstettern finanzielle Unterstützung zukommen ließen, scheinen sie doch letztlich den Konkurs ihrer Konkurrenten vorangetrieben zu haben. Als die Hoechstetter 1529 begannen, heimlich Wertgegenstände aus Augsburg zu entfernen, wurden Ambrosius (I), Ambrosius (II) und Joseph auf Betreiben der Gläubiger als Hauptgesellschafter in Schuldhaft genommen, der ein langwieriger Prozess über die Verteilung der Konkursmasse folgte. Joachim (I) und Baumgartner gelang die Flucht. Der Konkursprozess ging trotz Interventionen Erzherzog Ferdinands und Herzog Wilhelms von Bayern verloren. Ambrosius (I), Gegner der Reformation und Erbauer von Schloss und Kirche in Burgwalden, starb 1534 im Schuldturm bei Heilig Kreuz, Ambrosius (II) und Joseph wurden erst 1544 nach kaiserlicher Intervention entlassen. Ambrosius (II) lebte nach Entlassung aus der Schuldhaft zurückgezogen in Burgwalden, das seine Frau Katharina Neumann nach einem Prozess gegen die Hoechstetter-Gläubiger zugesprochen bekommen hatte.

  • Joachim (I), Leiter der Antwerpener Faktorei, heiratete 1522 Anna, Tochter des Eitelhans Langenmantel. Er erwirkte als erster deutscher Kaufmann einen Zehnjahresvertrag mit umfangreichen Privilegien für den Getreide- und Tuchhandel mit England. Die Ernennung zum ’Principal Surveyor and Master of the Mines Royal’ in England, Wales und Irland durch Heinrich VIII. (1528) ermöglichte ihm den Einstieg ins englische Montangewerbe, er musste aber die Projekte trotz erfolgreicher Probebohrungen wegen des drohenden Bankrotts der Hoechstetter-Gesellschaft aufgeben. Nach dem Bankrott 1529 Flucht in die Niederlande, wo er in die Dienste König Christians II. von Dänemark trat. Sein Sohn Daniel (I, * 1525, † 12.5.1581 Keswick/England) war nach kaufmännischer Ausbildung in der großmütterlichen Wieland-Gesellschaft ab 1541 deren Faktor und Bergwerksaufseher in Gastein und Rauris, die er nach dem Rückzug der Wieland aus dem Bergbau selbstständig weiterführte; seit ca. 1556 Gewerke in Obervellach/Kärnten. 1564 im Auftrag Königin Elisabeths I. Probeschürfungen in England und Wales; Patentbrief zur Errichtung von Kupferbergwerken im Lake District; im Auftrag der Haug & Langnauer Aufbau und Leitung der Bergwerke und 1568 Gründung der ’Society of Mines Royal’, der ersten industriellen AG Englands, an der die Augsburger Gesellschaft 45 % der Anteile besaß. Betrieb, unterstützt von Kärntner und Tiroler Bergleuten sowie süddeutschen Kupferschmieden, mehrere Minen, eine Schmelzhütte und ein Hammerwerk um Keswick. 1572 Verkauf seines Augsburger Besitzes und Übersiedlung nach Keswick, wo er die Bergwerke in Eigenverantwortung weiterführte. Nach seinem Tod übernahmen seine Söhne das Unternehmen, das bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts bestand.

  • Spä­tere Nachkommen waren als Überseekaufleute tätig, ein Urenkel wurde von König Georg I. zum Ritter geschlagen, ein weiterer war Lord Mayor von London. Daniels Bruder Joachim (II, * 21.8.1523, † 4.10.1597) war seit 1580 Inhaber des Rappenbad-Lehens (Beim Rabenbad). Kaufmännische Ausbildung in den Niederlanden, in Frankreich und Italien wohl in den Gesellschaften von Onkel Georg (I), dessen Sohn Sigmund (* 1486, † 1552) und den Schwiegersöhnen Markus Ulstett und Narciss Lauginger. 1572 gemeinsam mit den Ulstett und Stammler Übernahme von Anteilen der ’Society of Mines Royal’ von der Gesellschaft Haug & Langnauer und Gründung der Handelsgesellschaft ’Joachim Hoechstetter, Philipp König und Mitverwandte’ (ab 1581 ’Joachim Hoechstetter und Friedrich Rentz’), die Niederlassungen in Leipzig, Antwerpen, Venedig, Lyon und Marseille unterhielt. Enge Kontakte im Seiden- und Safranhandel mit den Manlich und Zangmeister führten durch deren Bankrott 1586 zum Zusammenbruch der Firma. Letzter Kaufmann der Hoechstetter in Augsburg war Joachims Enkel Johann Matthäus (* 1607, † 1662). Philipp (II, * 17.11.1579, † 19.11.1635), Sohn Joachims (II) und ’Physicus primarius’ in Augsburg, war 1597 Stipendiat bei St. Anna. Studium in Basel (1600-1603) und Padua (1603-1604). Promotion. 1607 Salzfertiger-Gerechtigkeit, Sodalitus in der Augsburger Patrizier-Kammer. Arzt im Kloster St. Katharina, im Pilger- und im Waisenhaus, 1626-1629 Arzt der Fugger. Autor medizinischer Schriften und eines Tagebuchs mit Aufzeichnungen über die Besetzung Augsburgs durch die Schweden. Seine Nachkommen wurden Ärzte und Apotheker in Nördlingen, Weißenburg und Rothenburg.
  • Hoechstetterstraße (1908, Links der Wertach-Süd, Amtlicher Stadtplan H 7/8; zuvor: ’Straße 24’).

Literatur:

Heinrich Heimer, Die Glashütte zu Hall in Tirol und die Augsburger Kaufmannsfamilie der Höchstetter, 1959

Neue deutsche Biographie 9, 1972, 302-305

Das Tagebuch des Augsburger Arztes und Stadtphysikus Dr. Philipp Hoechstetter, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 70 (1976), 180-224

Wilhelm und Friedrich Hoechstetter, Stammtafel der Hoechstetter, 1976

O. Nübel, Das Augsburger Kaufherrengeschlecht Hoechstetter und die Restitution König Christians II. von Dänemark, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 73 (1979), 127-147

H. Niedermayer, Ein Gesellschaftsvertrag der Hoechstetter von 1515, in: ebd. 76 (1982), 76-91

Daniel Hechstetter the younger, 1988

Adelheid Hoechstetter-Müller, Die 'Company of Mines Royal' und die Kupferbergwerke in Keswick [...] zur Zeit Joachim und Daniel Hoechstetters, in: Aus Schwaben und Altbayern. Festschrift Pankraz Fried, 1991, 75-92

Dies., Die Hoechstetter als Inhaber des Rappenbad-Lehens, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 89 (1996), 125-137

Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts, 1996, 298-315.

Joachim Hoechstetter d.Ä.