Gossembrot

(Begossenbrot, Gossenbrot), Patrizierfamilie

Autoren: Dr. Peter Geffcken, Prof. Dr. Rolf Kießling

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1327-1500 in Augsburg nachweisbar. 1499 Reichsadel. In den Quellen lassen sich erst die Brüder Heinrich (I, † 1360), Johann (I, † 1340) und Marquard (I, † 1377) belegen. Nach den zuverlässigen Angaben des Gossembrot’schen Wappenbuchs lebte, wohl als erster der Familie, aber schon der Vater Albrecht (I, † 1316) in Augsburg. Die 1345 bei seinem Sohn Marquard fassbare, wenn auch wohl entfernte Verwandtschaft mit dem Schuster Konrad Gossembrot ist Indiz für eine Herkunft der Familie aus einfachen Verhältnissen. In Augsburg waren die Gossembrot als Kaufleute tätig, wie Belege für Weinhandel (1321) und Indizien für Metallhandel (1361) erkennen lassen. Gleich anderen ’Newcomern’ sind auch die Gossembrot erst nach der Verfassungsreform von 1340 im Rat nachweisbar: Heinrich (I) wurde 1347 zum Stadtpfleger gewählt, sein Bruder Marquard (I), der zu den Zünften übergetreten war, ist 1370/71 als Baumeister belegt. Als Politiker gewinnt aber erst der Neffe Johann (II, † 1384) Konturen. Er wurde mit wichtigen Gesandtschaften betraut, 1373 erstmals zum Stadtpfleger ’von Herren’ gewählt und fungierte während seiner zweiten Amtszeit 1382 auch als einer der Schiedsrichter des Schwäbischen Städtebunds. Die zünftischen Gossembrot sind als Kramer und Salzfertiger nachweisbar. Mit Berchtold Gossembrot († 1411/13) ist diese Linie wohl erloschen; ein später erwähnter Ludwig Gossembrot ist bislang nicht sicher einzuordnen.

    Einziger Vertreter der patrizischen Linie war Anfang des 15. Jahrhunderts noch Sigmund Gossembrot. Er und seine Schwester hatten von der Mutter nur ein bescheidenes Erbe übernommen (1404), im wesentlichen das Stammhaus der Familie in der Judengasse. Unter Sigmund (I, † 1418) erfolgte seit 1413 ein rascher Aufstieg, der auf dem Handel mit Venedig und dem Einstieg in das lukrative Barchentgeschäft beruhte; nach seinem Tod setzte die Witwe (eine geborene Minner) dies mit der Beteiligung an der Handelsgesellschaft der Arzt fort. War Sigmund (I) lediglich Mitglied im Alten und Kleinen Rat, so stellten die Gossembrot mit seinem Sohn Sigmund (II, * 1417, † 31.1.1493 Straßburg) eine der profiliertesten Figuren der Reichsstadt um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Während seines Studiums in Wien 1433-1436 kam er mit dem Humanismus in Berührung. 1436 heiratete er Ursula Arzt und trat in die Handelsgesellschaft des Schwiegervaters ein. Als Patrizier war er seit 1441 in Gericht und Altem (um 1443) bzw. Kleinem Rat (1457) tätig und wurde 1458 Bürgermeister. Dem um 1450 von ihm ins Leben gerufenen Humanistenkreis (Sodalitas Litteraria Augustana) gehörten u. a. Kardinal Peter von Schaumberg, Hermann Schedel, Valentin Eber und Sigmund Meisterlin an, den Sigmund Gossembrot 1456 mit der Abfassung der ’Chronographia Augustensium’ beauftragte. 1461 gab er sein Bürgerrecht auf und zog sich in das Straßburger Johannes-Kloster zurück. Seine geistigen Interessen setzten sich fort bei seiner Tochter Sybille und seinen beiden Söhnen Georg und Ulrich, die 1455 in Ferrara studierten.

    Ulrich († 1465) wurde Chorherr bei St. Moritz und trat später in die Wiener Kanzlei ein. Die enge Verbindung zum Haus Habsburg wurde intensiviert, als Georg († 1502), verheiratet mit Radegundis Eggenberger, 1483 die Pflege Ehrenberg übertragen bekam und, 1499 geadelt, Finanzberater Kaiser Maximilians I. wurde. 1473 trat er aus dem Bürgerrecht aus; seine Witwe stiftete 1508 70 fl Ewiggeld für 13 hausarme Männer. Über Georg und vor allem den dritten Sohn Sigmund (III) vollzog sich die Beteiligung der Gossembrot am Montangeschäft. Nachdem Georg bereits 1483 einen ersten Vertrag mit Erzherzog Sigismund von Tirol über 1000 Zentner Kupfer abgeschlossen hatte, beteiligte sich Sigmund (III, † 1500) am Konsortium Augsburger Kaufleute mit Maximilian I. über die Ausbeute von Silber und am Versuch eines Kupfersyndikats (1498/99). 1498 stand er an dritter Stelle der städtischen Vermögen. Zudem übte er 1466-1500 permanent führende Ämter der Stadt aus (1484-1500 neunmal Bürgermeister). Nach Georgs und Sigmunds Tod verlor die Familie ihre führende wirtschaftliche Rolle an die Fugger, obwohl Sigmunds Witwe noch eine Steigerung des Vermögens erlebte. Dieses fiel mit ihrem Tod an den seit 1488 mit Ursula Gossembrot verheirateten Lukas Welser. Die Linie von Sigmunds (I) Sohn Hans kam mit dessen Sohn Wilhelm († 14.5.1484) nochmals 1478-1484 im Alten und Kleinen Rat zum Tragen. Dieser hatte um 1476 eine der Erbtöchter des 1465 aus Nördlingen zugewanderten Großkaufmanns Heinrich Müller geheiratet, der bei seinem Tod sicher der reichste Augsburger Bürger war. Ursula Müller starb nach kurzer Ehe; ihre gleichnamige Tochter zählte nach Wilhelms Tod zu den Reichen der Stadt. An Grundbesitz im Umkreis der Stadt erwarben 1431 Anna, die Witwe Sigmunds (I), Untermeitingen, 1497 Sigmund (III) das Dorf Leeder (bei Kaufbeuren), das jedoch bereits 1509 in den Besitz der Rehlinger überging.
  • Gossenbrotstraße (Rosenau- und Thelottviertel, Amtlicher Stadtplan I 9).

Literatur:

W. Wattenbach, Sigmund Gossembrot als Vorkämpfer des Humanismus und seine Gegner, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 27 (1873), 36-39

Paul Joachimsen, Hermann Schedels Briefwechsel, 1893/95

Ders., Frühhumanismus in Schwaben, in: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 5 (1896), 272, 280

Jakob Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen bürgerlichen Kapitalvermögen am Ausgange des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, zunächst in Augsburg, 21935, 85-91

Karl Schädle, Sigmund Gossembrot, ein Augsburger Kaufmann, Patrizier und Frühhumanist, Diss. München 1938

Franz Bastian, Das Runtingerbuch 1383-1407 1, 1944, 156

Neue deutsche Biographie 6, 1964, 648 f.

Eduard Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, 1970, 6955, 6963

Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 3, 21981, 105-108

Dieter Weber, Geschichtsschreibung in Augsburg, 1984

Joachim Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts, 1987

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983, 139, 196, Anh. 9-209, 230-233

Agostino Sottili, Ehemalige Studenten italienischer Renaissance-Universitäten, in: Gelehrte im Reich, 1996, 41-74.