Riedinger
Unternehmerfamilie
Autoren: Günther Grünsteudel, Prof.Dr. Wolfgang Zorn †
Stand/Quelle/Datum: 21.8.2009
- 1) Ludwig August, * 19.11.1809 Schwaigern/Württemberg, † 20.4.1879 Augsburg. Sohn eines Schneiders und gelernter Schreiner, 1839 Spinnmeister der neu gegründeten Augsburger Mechanischen Baumwollspinnerei und -Weberei (SWA), 1842-1851 deren technischer Direktor. Der Aufschwung, den die Fabrik in der Folgezeit nahm, ist wesentlich ihm zu verdanken. Trug u. a. durch betriebliche Sozialmaßnahmen (u. a. Gründung einer Kranken- und Pensionskasse) zum inneren Aufbau dieser ehemals größten Augsburger Fabrik bei. Seit 1853 hatte er maßgeblichen Anteil an der Planung und Errichtung großbetrieblicher Baumwollspinnereien bzw. -webereien in Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Erlangen, Esslingen, Köln, Kolbermoor und Kulmbach. Richtete daneben in 25 bayerischen und weiteren 42 Städten in Deutschland, der Schweiz, Österreich-Ungarn und Russland Anstalten für die Gasbeleuchtung ein und gründete in diesem Zusammenhang 1857 in Augsburg eine Gasapparatefabrik, die im Lauf der Jahre zu einer Maschinen- und Bronzewarenfabrik ausgebaut wurde. 1865 Gründung der Augsburger Buntweberei. Mit dem Erwerb des Hotels Drei Mohren trat er seit 1878 auch als Wirtsunternehmer hervor. Die ‚L. A. Riedinger’sche Maschinen- und Bronzewarenfabrik Augsburg’ (AG seit 1887) errichtete schon vor 1871 74 Gasfabriken in Deutschland, Österreich-Ungarn, der Schweiz, Italien und Russland und hatte 1892 fast 1000 Beschäftigte. 1927 fusionierte sie mit der M.A,N. und wurde als ‚L. A. Riedinger’sche Bronzewarenfabrik für Lampen’ bis 1967 fortgeführt. Sie erlosch als ’Riedinger Metallbau’. Riedinger, der selbst aus kleinsten Verhältnissen stammte, bewahrte zeitlebens einen besonderen Sinn für die materiellen Bedürfnisse seiner Arbeiter. Alle seine Unternehmensgründungen waren mit dem Aufbau vorbildlicher betrieblicher Sozialeinrichtungen verknüft. Zahlreiche Ehrungen, u. a. Ritterkreuz des bayerischen Verdienstordens vom hl. Michael und belgischer Leopoldsorden.
- Riedingerstraße (1874, Rechts der Wertach, Amtlicher Stadtplan I 7).
- 2) August, * 9.10.1845 Augsburg, † 15.1.1919 Augsburg. Sohn von 1). Nach dem Besuch der Polytechnischen Schule in Augsburg Studium am Züricher Polytechnikum. 1877 Eintritt in die väterliche Maschinen- und Bronzewarenfabrik, deren Leitung er 1883 übernahm. Seit der Umwandlung in eine AG 1887 Vorsitzender des Aufsichtsrats. Künstlerisch begabt und kunsthistorisch gebildet, erwarb er wertvolle Sammlungen von historischen Beleuchtungskörpern und Kunstgewerbeerzeugnissen, die den Künstlern der Bronzewarenabteilung zum Vorbild dienten, und errichtete dafür ein eigenes Museum (Museum August Riedinger). 1883 gründete er die Aktiengesellschaft ‚Vereinigte Gaswerke’, zu der 1896 bereits siebzehn Gaswerke gehörten (z. B. Bozen, Lugano und Marburg). Aufsichtsrat der ab 1880 als AG betriebenen Augsburger Buntweberei. Bekannt als Pionier der Luftfahrtindustrie wurde Riedinger durch den Aufbau einer Versuchswerkstätte für Aviatik (1888) zusammen mit August von Parseval und Hans Bartsch von Sigsfeld (1861-1902), aus der 1897 die ‚Ballonfabrik August Riedinger’ hervorging. Die risikoreiche und kapitalintensive Entwicklung der Ballontechnik beeinträchtigte seine übrigen Unternehmungen, weshalb er 1892 den Aufsichtsratsvorsitz der Maschinen- und Bronzewarenfabrik niederlegen und 1894 die Sammlungen seines Museums versteigern lassen musste. 1901 Gründungsmitglied des Freiballonvereins Augsburg. 1905/06 wurde in seiner Fabrik das erste Luftschiff vom Typ Parseval gebaut.
Literatur:
Fr. Haßler, Geschichte der L. A. Riedinger Maschinen- und Bronzewaren-Fabrik Aktien-Gesellschaft Augsburg, 1928
Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 4, 1955, 381-394
Peter Fassl, Ludwig August Riedinger, in: Miscellanea Suevica Augustana, 1985, 155-174
Ders., Ludwig August Riedinger, in: Unternehmer – Arbeitnehmer. Lebensbilder aus der Frühzeit der Industrialisierung in Bayern, 21987, 195-199
Neue deutsche Biographie 21, 2003, 572-574.