Reichsstadt

Autor: Prof. Dr. Rolf Kießling

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Die Stadtqualität Augsburgs war nach der Phase der bischöflichen Stadtherrschaft zunächst vom Übergang an das Königtum geprägt, wofür die Reichsvogtei die Basis bot. Die Entwicklung zur Reichsfreiheit der Stadt, die Kaiser und Reich unmittelbar und damit keiner Mediatherrschaft unterstand, war ein langfristiger Prozess, der mit der Emanzipation der Bürgergemeinde vom Stadtherrn seit dem 13. Jahrhundert verbunden war und in dem mit der Ausbildung der städtischen Autonomie auch gegenüber Eingriffen der Reichsgewalt die Ablösung vom Status der königlichen Stadt zugestanden wurde. Die Heranziehung zur Reichssteuer (Steuer) – seit 1231 belegt, 1241 in der Reichsmatrikel verzeichnet, seit dem 14. Jahrhundert in einem Betrag von 400 Pfund Pfennig fixiert – markiert diese Zuordnung zum Reich ebenso wie die Einsetzung eines Stadtvogts als Unterbeamten des Reichslandvogts nach 1276. Das mit dem Privileg Rudolfs von Habsburg vom 9.3.1276 gewährte Satzungsrecht (Stadtrecht) und das Privileg Adolfs von Nassau vom 5.9.1294, Bürger dürften nur vor dem Stadtvogt belangt werden (’ius de non evocando’), waren wesentliche Schritte zur Autonomie. Gegenüber der Praxis der Könige, Einkünfte und Rechte zu verpfänden, die den erreichten Status immer wieder in Frage stellte, bedeutete das Privileg Ludwigs IV. vom 9.1.1316, das die Unveräußerlichkeit der Stadt vom Reich festlegte, eine Sicherheit, wenn auch keine vollständige Garantie; gleichzeitig wurde die Gleichstellung der ’burger’ (Ratsfamilien) mit den Ministerialen in Gerichtsbeisitz und Rechtsprechung sowie der Schutz des Eigentums verfügt. Die erneute Zusage Kaiser Karls IV. vom 25.6.1358, die Vogtei nicht zu verpfänden – was 1336 mit der Straßvogtei geschehen war – und das Privileg Kaiser Sigismunds vom 14.3.1426, die Wahl des Stadtvogts selbst vollziehen zu dürfen, schlossen die Entwicklung ab. Trotz des Versuchs von Bischof Peter von Schaumberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts war der Status der Reichsstadt nicht mehr bedroht. Die stadtherrliche Komponente des Kaisers trat im 14./15. Jahrhundert immer mehr in den Hintergrund, realisierte sich nur noch im Huldigungseid und in der Zahlung der Steuer und Matrikularbeiträge (z. B. Hussitensteuer, Türkensteuern, besondere Steuern bei Kriegszügen des Reiches); umgekehrt gestattete der Status der Reichsstadt aber auch, das Reich als Garant der Rechtssituation anzurufen. Die Teilhabe am Reich verdichtete sich zudem im Anspruch auf die Reichsstandschaft seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (zunächst in den Städtetagen auf Reichsebene, seit 1489 geschlossenes Kollegium), die 1547 als Mitberatungsrecht akzeptiert, formell aber als Entscheidungsrecht erst im Westfälischen Frieden (1648) zugestanden wurde. Zum anderen aber legitimierte der Status der Reichsstadt den Kaiser zu erheblichen Eingriffen in die Verfassung: vor allem 1548 in der Karolinischen Regimentsordnung zur Beseitigung der zünftischen Elemente und der Restaurierung des Patrizierregiments, 1719/40 in einer neuen Regimentsordnung, zudem in verschiedenen kaiserlichen Untersuchungskommissionen bei innerstädtischen Konflikten. Am Ende der Reichsstadtzeit standen die Mediatisierung (1805/06) und die endgültige Übergabe der Stadt an Bayern (4.3.1806).

Literatur:

Josef Koch, Beiträge zur Geschichte Augsburgs 1368-1389, 1935

Ingrid Bátori, Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969

Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter, 1971, 23-31, 53-70

Gisela Möncke, Bischofsstadt und Reichsstadt, Diss. Berlin 1971

Detlev Schröder, Stadt Augsburg, 1975, 46-80

Eberhard Isenmann, Reichsstadt und Reich an der Wende vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik, 1979, 9-223

Wolfgang Zorn, Frühere Freie Reichsstädte in Staaten des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Münchener historische Studien, Abt. Bayerische Geschichte 10 (1982), 423-439

Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 146-150 (Wolfram Baer), 153-165 (Karl Schnith), 413-433 (Heinrich Lutz), 433-447 (Schulze, W.), 457-468 (Ingrid Bátori)

Wolfgang Wüst, Augsburger Bürgerschaft, Domkapitel und Fürstbischöfe im 17. und 18. Jahrhundert, in: Stadt und Bischof, 1988, 65-95

Bernd Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989, 201-208

Rosemarie Dietrich, Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993

Herbert Immenkötter / Wolfgang Wüst, Augsburg, Freie Reichsstadt und Hochstift, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 6, 1996, 8-35.