Steuern

(Reichsstadt)

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Um ihren Verpflichtungen Vogt und Bischof gegenüber nachkommen zu können und um Verwaltungsaufgaben zu finanzieren, benötigte die Bürgergemeinde Einnahmen. Da Zölle und bestimmte Gewerbeabgaben dem Bischof bzw. seinen Funktionsträ­gern zustanden und indirekte Steuern wie Ungeld nur mit herrschaftlichem Konsens erhoben werden konnten, war man in erster Linie auf Umlagen innerhalb der Bürgerschaft angewiesen. Schon der Friedensvertrag von 1251 belegt die Steuerhoheit der Bürgergemeinde in Augsburg, der die geistlichen Immunitäten nicht unterworfen waren. Die Vermögenssteuer erscheint als älteste und bis ins 16. Jahrhundert wichtigste Steuer, die in Augsburg erhoben wurde.
  • Reguläre Vermögenssteuer: Ihre wesentlichen Elemente, Besteuerung des Gesamtvermögens und Proportionalbesteuerung, waren schon im 13. Jahrhundert ausgebildet. Von allen Vermögenswerten musste ein bestimmter Prozentsatz als Steuer an die Stadt gezahlt werden. Nach Einführung der Zunftverfassung (1368) erfolgte offenbar nicht nur aus fiskalischen Gründen, sondern auch, um die politische Partizipation der zünftisch organisierten Bürger zu legitimieren, eine Modifizierung des Steuersystems. Auch vermögenslose Einwohner mit eigenem Haushalt wurden nun grundsätzlich mit einer direkten Steuer belastet. Bis zu einem bestimmten Mindestvermögen (15. Jahrhundert: 60 Pfund Pfennige) wurde ein einheitlicher Betrag, der 'Habnit', gefordet; darüber liegende Vermögen wurden proportional belastet. Beim 'Habnit' handelt es sich um eine Vermögensklassensteuer, eine Veranlagungsform, die wegen ihrer einfachen Handhabung auch bei bestimmten Reichssteuern angewandt wurde. 1472 erfolgte eine grundlegende Reform des Steuersystems, wobei auch technische Modernisierungsansätze (Übergang vom Duodezimal- zum Dezimalsystem) erkennbar sind. Mit Abschaffung des Habnits in seiner alten Form wurde das unter dem Aspekt der formalen steuerlichen Gleichbehandlung unbefriedigende Nebeneinander von Proportional- und Klassensteuer aufgehoben. Die beschworenen Vermögen wurden nun durchgängig proportional belastetet, zusätzlich wurde von allen Steuerpflichtigen eine Kopfsteuer erhoben. Zu einer erneuten Durchbrechung des Grundsatzes der Proportionalsteuer kam es 1549 mit Einführung der 'Reichen Steuer'. Wer bereit war, bei einem Steuersatz von 0,5 % 600 fl in Gold (à 75 Kreuzer) zu zahlen, musste sein Vermögen nicht mehr deklarieren. Diese Regelung galt auch noch im 18. Jahrhundert Im Zusammenhang mit der Umstellung auf den Rechnungsgulden (à 60 Kreuzer) wurde 1602 der Betrag auf 750 fl angehoben. Ein Überwechseln zur geschworenen Steuer war jederzeit möglich.
  • Steuerpflichtiges Vermögen: Die Berechnung der Steuer basierte auf der von den Steuerpflichtigen beschworenen Deklaration des Vermögens. Bei Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens wurden nicht alle Werte erfasst und steuerpflichtige Vermögensteile nicht einheitlich belastet. Von der Steuer befreit waren im Prinzip Dinge des privaten Gebrauchs wie Hausrat, Kleider und Schmuck, nach der Steuerordnung von 1368 auch die (begrenzte) Haltung von Vorräten und Tieren für den Eigenbedarf. Dagegen war z. B. das Inventar eines Gasthauses steuerpflichtig, da mit ihm Einkommen erzielt werden konnte. Es ist also im Grundsatz von einer Steuerpflicht für Produktionsmittel auszugehen. Die Steuerpraxis des 15. und 16. Jahrhunderts zeigt allerdings, dass geringerwertiges Werkzeug wie Webstühle oder die Ausstattung einer Schusterwerkstatt faktisch nicht veranlagt wurde. Haus- und Grundbesitz war dagegen grundsätzlich steuerpflichtig, wobei die Wertermittlung von selbstgenutzten Häusern schon früh steuerliche Begünstigung erkennen lässt. Seit 1374 wurde 'liegend Gut' im Gegensatz zu 'Fahrhabe' dann grundsätzlich nur mit halbem Wert versteuert. Dabei handelt es sich um steuerrechtliche Kategorien, die nicht ohne weiteres mit Immobilien und Mobilien gleichgesetzt werden können. So galten Liegenschaften, die nur Pfandbesitz waren, als Fahrhabe, während nicht ablösbare Ewigrenten und Leibgedingerenten als 'liegend gut' eingestuft wurden. In den Genuss dieses Steuerprivilegs kamen nur Bürger, Auswärtige mussten Grundbesitz in Augsburg in voller Höhe versteuern. 1581 wird ein steuerfreies 'Sparhafengeld' von 500 fl erwähnt, dessen steuerrechtliche Bedeutung nicht geklärt ist. Das Bild der Steuerdaten lässt vermuten, dass diese Regelung nur für einen eng definierten Personenkreis (Waisen?) galt.
  • Steuerfuß (Hebesatz): Nach 1368 wurde jeweils im Herbst vom Großen Rat beschlossen, welcher Anteil des Vermögens als Steuer gefordert wurde. Dabei legte man fest, wieviele Pfennige vom Pfund (zumeist 1 großes Pfund à 240 Pfennige) zu entrichten waren. Die Steuerreform von 1472 brachte den Übergang zum Dezimalsystem: vor 1472 lag der Steuerfuß normalerweise bei 1/60, 1/120, 1/240 (im 14. Jahrhundert wurden vereinzelt Spitzenwerte von 1/30 und 1/40 erreicht); ab 1472 betrug der Steuerfuß 1, 3/4 oder 1/2 %. Im 16. Jahrhundert galt zumeist der niedrigste Steuerfuß, nur 1504 und 1545-1547 (Schmalkaldischer Krieg) wurden 1 % gefordert. An den Steuerfuß war auch der 'Habnit' bzw. ab 1472 die Kopfsteuer gekoppelt.
  • Anschlagvermögen: Die Steuerbücher verzeichnen (ab 1396) die bezahlte Vermögenssteuer. Sie erscheint als Gesamtbetrag, eine Aufschlüsselung, wieviel für 'Fahrhabe' und wieviel für 'liegend Gut' entrichtet wurde, fehlt. Da 'liegend Gut' seit 1374 nur mit halbem Wert versteuert werden musste, lässt sich aus den Steuerdaten das tatsächliche Vermögen nicht direkt berechnen, sondern nur durch Maximal- und Minimalwerte eingrenzen. Allerdings ist nachweisbar, dass bei der Ermittlung des Steuersolls 'liegend und varend hab' von den Steuermeistern 'in summa für varends angeschlagen' wurde. Der Wert des 'Fahrhabes' und der halbe Wert des 'liegend Gut' wurden also addiert und mit dieser Rechengröße, die man als Anschlagvermögen bezeichnen kann, anhand von Tabellen das Steuersoll ermittelt.
  • Schwörsteuer: Während im 14. Jahrhundert das steuerpflichtige Vermögen wohl noch jährlich beschworen werden musste, lässt sich kurz vor der Wende zum 15. Jahrhundert ein Wechsel von 'geschworenen' und 'ungeschworenen' Steuern erkennen. In Schwörsteuerjahren musste das steuerpflichtige Vermögen neu ermittelt und beschworen werden. In 'ungeschworenen' Jahren wurde dagegen die letzte eidliche Veranlagung der Steuerberechnung zugrunde gelegt. Allerdings konnten Steuerpflichtige auch in ungeschworenen Jahren ihr Vermögen freiwillig beschwören. Über die im Abstand von mehreren Jahren (15. Jahrhundert: 3-7 Jahre, 16. Jahrhundert: 4-7 Jahre) geforderte Schwörsteuer vollzog sich also die Anpassung an die tatsächliche Vermögensentwicklung. Veränderungen des Anschlagvermögens innerhalb eines Schwörsteuer-Intervalls sind somit im Regelfall nicht auf interne (Gewinne), sondern auf externe Faktoren (Erbe, Aussteuern) zurückzuführen.
  • Vertragliche Vermögenssteuer: Die Vertragssteuern, die sich schon im 14. Jahrhundert herausgebildet hatten, bedeuteten eine Durchbrechung des Prinzips der Proportionalbesteuerung. War der Rat an der Niederlassung bestimmter Personen interessiert, so wurden mit den Neubürgern auf Lebenszeit oder für einen festgelegten Zeitraum und unabhängig von der tatsächlichen Vermögensentwicklung bestimmte Steuerleistungen vertraglich vereinbart. Zumindest seit dem späten 15. Jahrhundert musste Grundbesitz in der Stadt daneben regulär versteuert werden. Der Abschluss von Steuerverträgen mit Bürgern und ehemaligen Bürgern wurde nach den Auseinandersetzungen mit Peter von Argon (Egen) im 15. Jahrhundert per Ratssatzung ausgeschlossen. Dennoch kam es 1516 zu einem Steuervertrag mit Jakob Fugger, dem weitere mit seinen Neffen und den Baumgartnern folgten. Vertragssteuern, die generell eine steuerliche Bevorzugung darstellten, wurden vom Rat offensichtlich bewusst und differenziert als wirtschaftspolitisches, im Falle Fugger wohl auch als politisches Instrument eingesetzt.
  • Kopfsteuer: Durch die Steuerreform von 1472 wurde der 'Habnit' als Vermögensklassensteuer abgeschafft. An seine Stelle trat eine Kopfsteuer, die von allen Steuerpflichtigen zusätzlich zur Vermögenssteuer erhoben wurde. In den Steuerbüchern ist dieser systematische Unterschied allerdings nicht auf den ersten Blick zu erkennen, da der Begriff 'Habnit' anfangs auch für die neue Kopfsteuer verwendet wurde und der neuere Terminus 'Voraus' sich erst allmählich etablierte. Kopfsteuern waren keine völlige Neuheit, sie sind als Sondersteuern (z. B. Ehaltensteuer) schon früher nachweisbar. Für ihre Erhebung waren nicht die Steuermeister, sondern die Viertelhauptleute (Viertelgliederung) zuständig. Während der großen Finanzkrise 1459-1461 wurden auch die Bürger neben den regulären Steuern zusätzlich mit einer Kopfsteuer belastet. Die Höhe der Kopfsteuer war in Augsburg an den Steuerfuß gekoppelt: je nachdem, ob eine Vermögenssteuer von 1 , 3/4, oder 1/2 % erhoben wurde, betrug sie 60, 45 oder 30 Pfennige. Eine Sonderentwicklung zeichnete sich bei Personen ohne Bürgerrecht ab: wurden sie bei der Steuerveranlagung anfangs wie Bürger behandelt, so mussten sie seit 1490 den doppelten 'Voraus', ab 1498 einen vom Steuerfuß unabhängigen Einheitsbetrag von 120 Pfennigen bezahlen.
  • Wachgeld: Seit 1529 verzeichnen die Steuerbücher neben der Kopf- und der Vermögenssteuer regelmäßig ein 'Wachgeld' von sechs Pfennigen, das wie die Kopfsteuer von allen Steuerpflichtigen erhoben wurde. Das Wachgeld war schon 1455 eingeführt worden. Die Baumeisterrechnungen von 1465 nennen 'Rautgeben', die jeweils das Wachgeld in den einzelnen Stadtvierteln einnahmen. 1480 waren für die Erhebung die Viertelhauptleute zuständig. Auch Anfang des 16. Jahrhunderts wurden die Einnahmen für die acht Stadtviertel getrennt abgerechnet, wobei nicht eindeutig erkennbar ist, ob es sich bei den Einzahlern um die Viertelhauptleute oder um deren Beauftragte handelt. 1529 wurde die Erhebung den Steuermeistern übertragen. Vereinzelt sind schon im 15. Jahrhundert in den Steuerbüchern Verbuchungen des Wachgeldes nachweisbar.
  • Nachsteuer: Im Zusammenhang mit der massiven städtischen Verschuldung in den 1370er Jahren normierte der Rat die Bedingungen, unter denen man sein Bürgerrecht aufgeben konnte. Unter fiskalischem Aspekt entscheidend war der Gedanke, dass es dem Bürger unmöglich gemacht werden sollte, sich durch Wegzug dem 'Mitleiden', der Erbringung seines individuellen Beitrags zur Tilgung der städtischen Schulden, zu entziehen. Die Brisanz der Angelegenheit wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass sich der Rat diese Satzung durch ein Privileg Karls IV. vom 19.8.1376 ausdrücklich bestätigen ließ. Nach einer längeren Phase, in der mit immer wieder geänderten Regelungen experimentiert wurde, hatte sich 1424 im wesentlichen das System des 'freien Zuges' durchgesetzt. Wer sein Bürgerrecht aufgab, musste eine Nachsteuer in Höhe von drei Jahressteuern zahlen. Auswärtige, die in Augsburg erbten, mussten bei 'Abzug' des Vermögens den '10. Pfennig' (10 %) entrichten. Im Vergleich zu anderen Reichsstädten (z. B. Nördlingen) waren die Augsburger Nachsteuern sehr moderat, was gerade den Zuzug von vermögenden Kaufleuten förderte.
  • Steuerordnung: Die älteste, durch das Stadtbuch überlieferte Steuerordnung ist gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstanden. Grundlage des Steuerrechts in der Ära der Zunftverfassung waren die einschlägigen Bestimmungen des zweiten Zunftbriefs, die in der Folge durch einzelne Ratssatzungen modifiziert und den veränderten Bedingungen angepasst wurden. Im Zusammenhang mit der Steuerreform von 1472 wurde das geltende Recht wieder in einer Steuerordnung zusammengefasst, die als Instruktion für die Steuermeister diente. Weitere Steuerordnungen sind von 1492, 1498, 1504, 1512, 1568, 1575 und 1583 erhalten.
  • Ordentliche Reichssteuer: Schon in einer Reichssteuerliste von 1241 wird Augsburg genannt: wegen eines Brandes war die Stadt in diesem Jahr von der Zahlung befreit worden. Die 'Reichssteuer' entwickelte sich offenbar aus einer Abgabe, die die Staufer in ihrer Eigenschaft als Vögte erhoben. 1231 hatte Heinrich VII., der im gleichen Jahr Augsburg als 'urbs regia' bezeichnete, mit Bischof Siboto die Teilung der von den Bürgern erhobenen 'precaria seu collecta' vereinbart. Nach Einzug der Vogtei durch Rudolf von Habsburg ist eine Beteiligung des Bischofs an der Steuer nicht mehr fassbar. Anfang des 14. Jahrhunderts gelang es Augsburg, die Höhe der ordentlichen Reichssteuer festzuschreiben. 1301 beschränkte König Albrecht I. die Forderungen für sieben Jahre auf jeweils 400 Pfund Pfennige. Als Dank für die Unterstützung der Stadt wurde die Höhe der Reichssteuer von Ludwig IV. dauerhaft auf diesen Betrag festgelegt. Allerdings blieb es auch wegen der Entwertung der Silberwährung nicht bei dieser Regelung. Im 15. Jahrhundert bezahlte Augsburg 640 rheinische fl, bis es 1472 gelang, diesen Betrag auf 400 fl zu reduzieren.
  • Außerordentliche Reichssteuer: In Notsituationen konnten auf Beschluss der Reichsstände allgemeine Steuern ausgeschrieben werden. Diese Reichssteuern wurden nicht wie die reguläre Augsburger Steuer als Proportionalsteuer, sondern meist als Vermögensklassensteuer erhoben und belasteten alle Personen ab einem bestimmten Mindestalter, also auch ledige Kinder, Gesellen, Diener und Mägde, die als abhängige Haushaltsangehörige sonst nicht erfasst waren. Durch die unterschiedliche Abgrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen bieten die Reichssteuerregister eine gute Datenbasis für die Einschätzung der Bevölkerungsentwicklung, durch ihre einheitlichen Klassifikationen optimale Voraussetzungen für Vergleiche mit anderen Städten. Für Augsburg haben sich, beginnend mit der Hussitensteuer (1428) und dem 'Gemeinen Pfennig' (1497), verschiedene Reichssteuerregister erhalten.

Literatur:

Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 5, 388-394

Josef Hagl, Entwicklung des Augsburger Großkapitals […] 1540-1618, München Diss. 1924, 4

Claus-Peter Clasen, Die Augsburger Steuerbücher um 1600, 1976

Jürgen Kraus, Das Militärwesen der Reichsstadt Augsburg, 1980, 377 f.

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983, 43-76.