Römische Gräberfelder

Autor: M.A. Michaela Hermann

Stand/Quelle/Datum: 14.02.2011

  • Die Gräberfelder des römischen Augsburg befanden sich den römischen Gesetzen entsprechend außerhalb der Stadtmauern (‚extra muros‘) entlang der großen Ausfallstraßen. Die vielleicht größte Nekropole lag westlich der Römerstadt an der Straße nach Cambodunum-Kempten. Zwischen 1844 und 1846 wurde ein großer Teil dieses Gräberfelds am sog. Rosenauberg durch den Bahnhofs- und Eisenbahnbau zerstört. Es gehört vermutlich zusammen mit dem seit 1815 bekannten Friedhof an der Frölichstraße. Dort führte Ludwig Ohlenroth auf dem Gelände der Evangelischen Diakonissenanstalt 1925 die erste systematische Untersuchung durch; 1956, 1959, 1985, 1997–1999, 2005–2006 sowie 2008–2010 fanden weitere jeweils durch Neubauvorhaben verursachte Ausgrabungen statt. Die vom Rosenauberg erhaltenen Funde datieren die ältesten Brandgräber dort bereits in das 3./4. Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts. Die Belegung des Friedhofsteils an der Frölichstraße beginnt dagegen erst in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Neben Zivilpersonen lassen sich hier von Anfang an Angehörige des in Augsburg stationierten Militärs bestatten. Bei den Ausgrabungen 2008–2010 gelang die Lokalisierung eines Verbrennungsplatzes des späten 1./2. Jahrhunderts sowie der Nachweis einer aus Tuffsteinen erbauten, etwa 3 m hohen Mauer, die das Gräberfeld begrenzte. Der Übergang von der Brand- zur Körperbestattung beginnt im ersten Drittel des 3. Jahrhunderts, wobei noch lange an den alten Gewohnheiten festgehalten wird, wie Brandgräber aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts belegen (Frölichstr. 13, 2006). Die in einigen Fällen recht gute Ausstattung der Körpergräber datiert die überwiegende Anzahl ins späte 3. und in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts. Etwa drei Viertel der Gräber sind jedoch entweder antik beraubt oder haben nur wenige oder keine Beigaben, was ihre Datierung oft erschwert. Noch weitgehend ungeklärt ist außerdem die zeitliche Belegungsabfolge innerhalb des Gräberfelds, dessen gesamte Ausdehnung noch unbekannt ist.

    Ein weiteres Brandgräberfeld des 1./2. Jahrhunderts, das unmittelbar nordwestlich der Stadtmauer, zwischen Heinrich-von-Buz-Straße (früher Eisenhammerstraße), Am Pfannenstiel, Rugendasstraße und Liebigstraße lag, wurde 1878–1880/81 durch Kiesabbau weitgehend beseitigt. Nur ein Teil der Funde ist erhalten geblieben. In der näheren Umgebung wurden einige nicht datierbare, wohl zum Gräberfeld gehörende Körpergräber entdeckt. Südlich der Römerstadt beobachtete man seit Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder Reste von Brand- und Körpergräbern (u. a. Bäckergasse, Predigerberg, Milchberg, Kirchgasse), und bei Ausschachtungsarbeiten am Vorderen Lech wurden 1973 verlagerte Teile des Pfeilergrabmals des Pompeianius Silvinus gefunden. Das sind deutliche Hinweise auf eine an der Via Claudia gelegene Gräberstraße, die wohl durch die mittelalterliche Bebauung weitgehend beseitigt ist. Zu diesem Gräberfeld gehörte mit großer Wahrscheinlichkeit der seit etwa 330/340 belegte Teil um St. Ulrich und Afra, der seit Anfang der 1960er-Jahre durch verschiedene Ausgrabungen bekannt ist. Aufgrund der beigabenlosen meist geosteten Gräber vermutet man hier einen Begräbnisplatz der romanischen christlichen Bevölkerung (in der Nähe des Grabes der hl. Afra?), während sich die nichtchristlichen Bewohner wahrscheinlich auf dem Gräberfeld an der heutigen Frölichstraße bestatten ließen.

    Zeugnisse römischer Grabarchitektur findet man noch weit außerhalb der Stadtmauern, z. B. an der Straße nach Gontia-Günzburg, wo an der Zollernstraße in Oberhausen schon 1709 das Pfeilergrabmal des Titus Flavius Primanus gefunden wurde. In der Hofer Straße gelang 1998 zusammen mit über 50 bearbeiteten Kalkstein- und Tuffsteinquadern der Fund eines zweiten vollständigen Grabpfeilers, den der Rechtsgelehrte (‚pragmaticus‘) Marcus Aurelius Carus wohl im späten 2. Jahrhundert für sich aufstellen ließ. Die zahlreich im Stadtgebiet gefundenen Pinienzapfen waren ebenfalls Bekrönungen römischer Grabpfeiler. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Angehörigen der städtischen Oberschicht der Aelia Augusta weitaus größere, mehrgeschossige Grabbauten mit Säulen oder sogar freistehenden Figuren errichten ließen. Doch nur noch wenige Überreste, wie beispielsweise der Grabstein eines Ehepaares, der 1845 bei Eisenbahnbauarbeiten an der Gögginger Brücke zum Vorschein kam, geben davon Zeugnis. Bei einer genaueren Untersuchung der steinernen Fundstücke aus Augsburg wird man vielleicht das ein oder andere Bruchstück einem monumentalen Grabbau zuweisen können.

    Das Steinmaterial der meisten Grabbauten dürfte aber bereits in der Spätantike als Baumaterial wiederverwendet worden sein. So ist es denkbar, dass für die Anfang des 4. Jahrhunderts errichteten Stadtmauertürme (Römische Stadtmauer) die Grabbauten zur Gewinnung von Baumaterial systematisch abgeräumt wurden. Nur durch einen Zufall blieb das 1990 in der Heilig-Kreuz-Straße gefundene Weinhändlerrelief mit Darstellung eines Ochsenkarrens erhalten. In Zweitverwendung eingegraben und deshalb überdauert haben mehrere römischen Steinsarkophage aus dem Gräberfeld bei St. Ulrich und Afra. Eine kleine Gruppe von Reitergrabsteinen des 1. Jahrhunderts aus stuckiertem und bemaltem Tuffstein sind Grabsteine berittener Soldaten, die vermutlich zur Besatzung des vorflavischen Kastells gehörten, das bei Ausgrabungen in der Frauenvorstadt immer wieder berührt wird (Römische Archäologie). Zwei Reliefs kamen 1906 beim Bau der Pferseer Unterführung, ein anderes schon im 19. Jahrhundert in der Nähe des Bahnhofs zutage. Ein Zusammenhang mit dem Gräberfeld Frölichstraße/Rosenauberg ist anzunehmen.

    Auf eine kleine Familiengrablege des 4. Jahrhunderts von Militärangehörigen germanischen Ursprungs stieß man 1990/91 direkt vor der Stadtmauer Auf dem Kreuz 58. Einige Gräber waren durch später angelegte Wehrgräben gestört. Ohne Beigaben waren die etwa 20 spätantiken Gräber (C14-datiert), die 2008–2009 am Ernst-Reuter-Platz zutage kamen. Das 1994 an der Liebigstraße aufgedeckte Einzelgrab eines Mannes mit Zwiebelknopffibel, zwei Glasgefäßen und acht Münzen (Schlussmünze 347/348) könnte zu dem oben erwähnten Brandgräberfeld nordwestlich der Stadt gehören, während bei zwei 1998 an der Volkhartstraße geborgenen spätrömischen Körpergräbern der Zusammenhang mit einem Gräberfeld noch unklar ist. Nur etwa 170 m davon entfernt wurde im Dezember 1961 An der Blauen Kappe das außergewöhnlich reich ausgestattete Brandgrab einer jungen Frau aufgedeckt. Der Leichenbrand befand sich in einer Bleiurne, die in einer hausförmigen Aschenkiste aus Tuffstein stand. Die kostbaren Beigaben, darunter eine Perlenkette und Goldschmuck, weisen auf eine gehobene soziale Herkunft hin; die jüngste der sechs Münzen datiert die Bestattung in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts (nach 248).

    Die Ausgrabungen und Funde der letzten Jahrzehnte lieferten viele wertvolle Erkenntnisse zu den Gräberfeldern des römischen Augsburg. Dennoch bleibt die Auswertung der Ausgrabungen und des Fundmaterials sowie grundlegende Untersuchungen zu diesem Thema ein Desiderat der Forschung. Durch die Erschließung dieser wichtigen Quellen wären für das römische Augsburg grundlegende Ergebnisse zu Religion und Bestattungsbräuchen sowie ihrem Wandel, zu Bevölkerungsentwicklung und -zusammensetzung, zum Romanisierungsgrad, aber auch zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zu erwarten.

Literatur:

Ludwig Ohlenroth, Römisches Skelettgräberfeld an der Frölichstraße, in: Das Schwäbische Museum 1925, 135–139

Ders., Augusta Vindelicum Augsburg. Vorberichte über die Untersuchungen von 1954–1956, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 22 (1957), 179–211, 182–191

Wolfgang Hübener, Zum römischen und frühmittelalterlichen Augsburg, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 5 (1958), 154–238

Erwin Keller, Die spätrömischen Grabfunde in Südbayern, in: Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 14 (1971), 164–169

Lothar Bakker, Das Frauengrab „An der Blauen Kappe“ in Augsburg, in: Die Römer in Bayern, 1985, 191 f.

Ders., Neue Untersuchungen im römischen Gräberfeld an der Frölichstraße, in: Das archäologische Jahr Bayern 1985, 113–116

Andrea Rottloff, Der Grabfund von der Blauen Kappe in Augsburg, in: Provinzialrömische Forschungen, 1995, 371–386

Lothar Bakker, Steindenkmäler an einer Gräberfeldstraße in der raetischen Provinzhauptstadt Aelia Avgvsta, in: Das archäologische Jahr Bayern 1998, 85–87

Lothar Bakker / Andreas Heimerl, Aesculapius im Krankenhaus – Römische Gräber in Augsburg, in: Das archäologische Jahr Bayern 2006, 104–107.

An der Blauen Kappe (1961): Goldfingerring mit Saphiren, goldene Ohrringe mit Naturperlen.
Frölichstraße (1985): Kindergrab aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts mit zwei Glasbechern, einer Glasflache und Tongefäßen mit Resten der Speisebeigaben, u. a. einem Vogelskelett.
Frölichstraße (2009): Schnitt durch eine Urnenbestattung des 2. Jahrhunderts.