Literarische Beschreibungen

Autor: Dr. Jürgen Hillesheim

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Obwohl es ausgesprochen viele literarische Beschreibungen von Augsburg als Ganzem bzw. von Teilen oder einzelnen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten gibt, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass Bertolt Brechts Reminiszenzen an seine Vaterstadt diejenigen sind, die ihr einen festen Platz in der Weltliteratur verschafft haben. In den ’Augsburger Kriegsbriefen’, veröffentlicht in der München-Augsburger Abendzeitung im August und September 1914, beschreibt der Gymnasiast die Stimmungslage, die in der alten Reichsstadt unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs herrschte, die Kriegsbegeisterung der Bürger, aber auch ihre Sorgen und Ängste. Nachdenklich-wehmutsvoll erinnert sich Brecht in dem Gedicht ’Schwierige Zeiten’ (1955), kurz vor seinem Tod entstanden, der in Augsburg verbrachten Kindheit. Noch wichtiger allerdings als diese u. a. expliziten Bezugnahmen Brechts auf Augsburg ist das Flair der Stadt am Lech, das Eingang gefunden hat in die beiden ersten Dramen ’Baal’ und ’Trommeln in der Nacht’. Jene Atmosphäre der Lechauen und der Kneipen in der Altstadt prägt auch Brechts frühe Gedichte und Lieder nachhaltig und macht sie unverwechselbar. Augsburg wurde hier nicht nur zum Entstehungsort von Weltliteratur, sondern auch zu ihrem Schauplatz. Doch auch noch 1940, in der Prosaerzählung ’Der Augsburger Kreidekreis’, fungiert der Goldene Saal des Rathauses als Bühne und Schauplatz des Geschehens.
  • Auch andere Schriftsteller verschiedener Zeiten und unterschiedlicher Bedeutung widmeten sich Augsburg in ihren Werken. Schon im 15. Jahrhundert ruft Oswald von Wolkenstein in einem Lied die Gesellen auf, ’gen Augspurg zu den freulin zart’ zu reisen. Montaigne schwärmt im 16. Jahrhundert von der Schönheit und Sauberkeit Augsburgs, bemängelte jedoch, kein einziges ’schönes Frauenzimmer’ zu Gesicht bekommen zu haben. Achim von Arnim zeigt sich von dem Reichtum der Stadt beeindruckt. ’Nicht ganz klar, aber sonderbar’ berührt ist unter den Jüngeren Joachim Ringelnatz, der Augsburg ein Gedicht widmet. Thomas Mann hält die Nähe zu Augsburg für einen der Vorzüge Münchens und lobt die Urbanität und Weltoffenheit der alten Reichsstadt, ihr ’deutsch-mittelalterliches Gepräge’ und die Gastlichkeit und Gefälligkeit ihrer Bürger. Weitere literarische Charakterisierungen von oder Reminiszenzen an Augsburg oder seine Umgebung finden sich in den Werken von Giacomo Casanova, Johann Wolfgang von Goethe, Arthur Schopenhauer, Karl Gutzkow, Novalis, Friedrich Hebbel, Gottfried Keller, Hans Christian Andersen, Ludwig Ganghofer, Max Dauthendey, Richard Billinger, Otto Flake, Hermann Hesse und Erhart Kästner, wobei diese Aufzählung noch lange nicht vollständig ist.
  • Noch einmal zurück zu Brecht: Im amerikanischen Exil entwirft er 1943 im Gedicht ’Rückkehr’ die Vision des zerbombten Augsburg. Elegisch ist die Stimmung des Gedichtes, weil Brecht weiß, dass er seine Vaterstadt niemals mehr in dem Zustand vorfinden wird, in dem er sie verlassen hat, wenngleich er später in seinen Journalen notieren sollte, dass ihm der Anblick des zerstörten Augsburg wenig ausgemacht habe. Auch Richard Euringer, der in Augsburg geborene und begrabene, berüchtigte NS-Schriftsteller, äußert sich über die zerbombte Stadt. Während Brechts Gedicht versöhnlich ist, frei von Vorwürfen und Ressentiments, hält Euringer in seinen Versen noch 1952 an Hass und alten Feindbildern fest. Literarische Beschreibungen Augsburgs gehen in diesem Beispiel über dichterische Reminiszenzen hinaus und dokumentieren konträre Weltsichten und unterschiedliche geistige Horizonte.

Literatur:

Wolfgang Kunz, Morgen Augsburg. Literarisches Portrait einer Stadt, 1993

Jürgen Hillesheim, 'Heil dir Führer! Führ' uns an! ...' Der Augsburger Dichter Richard Euringer, 1995, 176-179.