Brecht

Bertolt (Eugen Berthold Friedrich), * 10.2.1898 Augsburg, † 14.8.1956 Berlin, Schriftsteller

Autor: Dr. Helmut Gier

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Brechts katholischer Vater Berthold Friedrich Brecht stammte aus Achern (Baden), die evangelische Mutter Sophie Brezing aus Roßberg bei Bad Waldsee. Der Vater war seit 1893 kaufmännischer Angestellter der Haindl’schen Papierfabrik, 1901 dort Prokurist, 1917 kaufmännischer Direktor. Erste Wohnung der 1897 evangelisch getrauten Eltern Auf dem Rain 7 (heute Brecht-Haus), wo Brecht auch geboren wurde. Ein halbes Jahr später Umzug in eine Wohnung Bei den Sieben Kindeln 1 (Gedenktafel). Im September 1900 Umzug in das Haus Bleichstraße 2 (Haindlsche Stiftungshäuser). Hier verbrachte Brecht seine Kindheit und Jugend (Gedenktafel) und auch später bis zur Emigration jedes Jahr mehrere Wochen und Monate. Die protestantische Erziehung (Taufe am 20.3.1898, Konfirmation am 29.3.1912 in der Barfüßerkirche) und die enge Vertrautheit mit der Bibel prägten Brechts Persönlichkeit und Werk.

    Ab 1908 Besuch des Realgymnasiums (Peutinger-Gymnasium), wo 1911 Caspar Neher sein Klassenkamerad wurde, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Erste literarische Versuche 1913/14 in der Schülerzeitschrift ’Die Ernte’, darunter der Einakter ’Die Bibel’. 1914/15 erste Veröffentlichungen in Augsburger Zeitungen (Pseudonym Berthold Eugen), fast alle angesichts des Ersten Weltkriegs getragen von nationalem Pathos und patriotischem Gefühl. 1916 Abkehr von der Kriegsbejahung; er publizierte jetzt erstmals unter dem Namen Bert Brecht. Ostern 1917 Kriegsnotabitur. Seit Oktober 1917 Studium der Medizin und Germanistik in München, das er nach dem Juni 1919 nur noch pro forma fortsetzte (Exmatrikulation 1921). 1.10.1918-9.1.1919 Sanitätssoldat in einem Reservelazarett in Augsburg. Im Kreise seiner Augsburger Freunde (Georg Pfanzelt, Caspar Neher, Otto Müllereisert, Hanns Otto Münsterer u. a.), mit denen er ein ausgelassenes provozierendes Treiben inszenierte, entstanden seit 1916 eine große Zahl von Gedichten, meist Lieder und Balladen zur Klampfe, und 1918 sein erstes größeres Drama ’Baal’. Am 30.7.1919 wurde Brecht in Kimratshofen (Allgäu) von seiner Jugendgeliebten Paula Banholzer sein Sohn Frank geboren. Oktober 1919 bis Januar 1921 Theaterkritiker des ’Volkswillen’, der Augsburger Tageszeitung der USPD. Die von September 1919 bis Mai 1921 in Augsburg engagierte Opernsängerin Marianne Zoff wurde am 3.11.1922 in München Brechts erste Ehefrau; am 12.3.1923 Geburt der Tochter Hanne (Hiob). Die Uraufführung von ’Trommeln in der Nacht’ an den Münchner Kammerspielen am 29.9.1922, Anfang 1919 in Augsburg unter dem Eindruck der Novemberrevolution entstanden, brachte den Durchbruch Brechts als Dramatiker.

    Im September 1924 Übersiedelung nach Berlin, wo die Schauspielerin Helene Weigel am 3.11.1924 seinen Sohn Stefan zur Welt brachte. 1926 begann Brecht sich mit der marxistischen Lehre zu beschäftigen und seine Theorie des ’epischen Theaters’ zu entwickeln, das dem kritischen Zuschauer die Abhängigkeit des Menschen von ökonomisch-politischen Verhältnissen und zugleich deren Veränderbarkeit demonstrieren will. 1927 erschien die ’Hauspostille’, eine Auswahl seiner frühen, zum Großteil in Augsburg entstandenen Gedichte. 1928 wurde die ’Dreigroschenoper’ (Musik: Kurt Weill) uraufgeführt, die Brecht weltberühmt machte. 1930 Uraufführung der Oper ’Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny’ (Musik: Kurt Weill) in Leipzig. Nach der Scheidung von Marianne Zoff 1927 heiratete Brecht 1929 Helene Weigel; am 18.10.1930 Geburt der Tochter Barbara. In der Endphase der Weimarer Republik versuchte Brecht die Arbeiterbewegung mit Lehrstücken, dem Revolutionsdrama ’Die Mutter’ (1932) nach Maxim Gorki und politischen Liedern und Chören (Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hanns Eisler) zu stärken. Am 28.2.1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, ging Brecht in die Emigration und lebte mit seiner Familie bis 1939 auf der dänischen Insel Fünen.

    Seine schriftstellerischen Arbeiten der ersten Exiljahre wie ’Furcht und Elend des Dritten Reiches’ standen fast ausschließlich im Dienst der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Seit 1938 verfasste Brecht seine dramatischen Meisterwerke in den Formen der historischen Biographie, der Parabel und des Volksstücks: ’Leben des Galilei’, ’Mutter Courage und ihre Kinder’, ’Der gute Mensch von Sezuan’ und ’Herr Puntila und sein Knecht Matti’; 1944 entstand ’Der kaukasische Kreidekreis’ mit einem Stoff, den Brecht schon 1940 in der Erzählung ’Der Augsburger Kreidekreis’ gestaltet hatte. Im Zweiten Weltkrieg flüchtete Brecht über Schweden (1939/40) und Finnland (1940/41) in die USA nach Santa Monica. Im November 1947 Rückkehr nach Europa. Er ließ sich zunächst in der Schweiz nieder und übersiedelte 1949 nach Ost-Berlin; dort baute er sein Modelltheater, das ’Berliner Ensemble’, auf, das in den 1950er Jahren zum wichtigsten deutschsprachigen Theater wurde. Einer der großen Dichter des 20. Jahrhunderts, nicht nur als Dramatiker sowie Theatertheoretiker und -praktiker, sondern auch als Lyriker und Erzähler.
  • Bert-Brecht-Straße (1966, Bleich und Pfärrle, Amtlicher Stadtplan K 8; früher: Frühlingsstraße); Bert-Brecht-Hörsaal der Universität Augsburg seit 1985.

Literatur:

Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 8, 1961, 389-479

Werner Frisch / Kurt W. Obermeier, Brecht in Augsburg, 1975

Klaus Völker, Bertolt Brecht, 1976

Albrecht Weber, Brecht, der Augsburger, in: Bertolt Brecht, Aspekte seines Werkes, Spuren seiner Wirkung, 1983, 239-275

Eberhard Rohse, Der frühe Brecht und die Bibel, 1983

Jan Knopf, Brecht-Handbuch, 2 Bde., 1980/84

Werner Mittenzwei, Das Leben des Bertolt Brecht oder Der Umgang mit den Welträtseln, 2 Bde., 1987

Bertolt Brecht, Werke, 30 Bde., 1988 ff.

Der junge Brecht, 1996.

Der junge Brecht
Bert Brecht

Literaturhinweise des Wißner-Verlags:

Brecht und Haindl - Berthold Friedrich Brechts „Chronik der G. Haindl'schen Papierfabrik: Jürgen Schmid