Hirn
(Hyrn, Hiren), Kaufmanns- und Stifterfamilie
Autoren: Dr. Peter Geffcken, Prof. Dr. Mark Häberlein
Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe
- 1367 und 1371 verkaufte Friedrich Hirn an Kemptener und Augsburger Bürger Tuch auf Kredit, wobei Bezahlung in Frankfurt vereinbart wurde. Er darf als Gewandschneider angesprochen werden und besuchte selbst die dortigen Messen. Er ist offenbar identisch mit ’Friedrich Hirn’ aus Landsberg, der 1353 Augsburger Bürgerrecht erwarb. Zusammenhänge mit anderen Namensträgern sind ungeklärt. Seine günstige Vermögenslage belegt eine Urkunde von 1390, in der der Kramer Johann von Werd den Empfang einer (stillen) Geschäftseinlage von 600 fl bestätigt. Erbe Friedrichs, wohl sein Sohn, war Konrad Hirn († 27.9.1426), der sich nach Heirat mit der Kramerstochter Afra Bischof († 15.2. 1438) ab 1389 in den Steuerbüchern nachweisen lässt. Obwohl ab 1391 ausdrücklich als Kramer bezeichnet, blieb er zeitlebens Mitglied der Schneiderzunft, der sicher schon sein Vater angehörte. 1403-1415 vertrat er sie mehrfach im Großen und im Alten Rat. Als Gewürzhändler ist Konrad ausdrücklich bezeugt. Zu seinen Handelswaren zählten aber sicher auch Seiden- und Brokatstoffe, deren Verkauf den Kramern vorbehalten war. Die Erwähnung eines offensichtlich für ihn tätigen Verwandten Jos Hirn (1427 Trager, 1429 Geschäftspfleger der Witwe Afra) als Bürger von Pettau weist auf Verbindungen (Eisenhandel?) zur Steiermark. Bei seinen zahlreichen Schuldnern ist nicht eindeutig zu erkennen, ob die Forderungen aus Geldgeschäften oder Warenkrediten resultierten. Der Anstieg des Anschlagvermögens von 750 fl (1396; 126. Stelle) auf 7680 fl (1434; 14. Stelle) weist ihn als erfolgreichen Kaufmann aus. Da Konrad und Afra Hirn keine Nachkommen hatten, entwickelten sie seit 1420 eine rege, religiös-karitativ motivierte Stiftertätigkeit. Um 1420 ließen sie auf dem Kirchhof (?) an der Nordseite von St. Anna eine für die Aufnahme ihres Tumbagrabes (?) konzipierte Kapelle errichten, die später der Obhut des Goldschmiedehandwerks (Goldschmiedekapelle) anvertraut wurde. 1426 stiftete das Ehepaar ein Pilgerhaus mit vier Betten für Wallfahrer nach Rom, Santiago de Compostela und Loreto. Afra Hirn verfügte in ihrem Testament von 1428 die Gründung eines Seelhauses bei den Karmeliten für vier arme Frauen, die freie Unterkunft, Holz nach Bedarf und vier fl jährlich erhalten sollten. Das Seelhaus wurde vermutlich um 1440 errichtet. Weitere Stiftungen hatten die Verbesserung der Verköstigung im Heilig-Geist-Spital und die Austeilung von Loden an ’Hausarme’ zum Ziel. Daneben stifteten die Hirn eine ewige Messe, mehrere Jahrtage und Wachs für die drei größten Augsburger Kirchen. 1458 wurden die diversen Einzelstiftungen in einer Geschäftsordnung zusammengefasst und der Verwaltung dreier Pfleger unterstellt. Die jährlichen Zinseinnahmen betrugen rund 150 fl. Der Stiftungskomplex der Hirn stellt ein herausragendes Beispiel für die philanthropischen Aktivitäten des Augsburger Bürgertums im späten Mittelalter dar.
Literatur:
Anton Werner, Die örtlichen Stiftungen für die Zwecke des Unterrichts und der Wohltätigkeit in der Stadt Augsburg, 1899, 4, 12 f.
Eduard Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, 1970, 922, 1637
Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter, 1971, 224-236
Johannes Wilhelm, Die Geschichte der Goldschmiedekapelle bei St. Anna in Augsburg, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 73 (1979), 96-125
Augsburg, 203, 205, 230 f.
Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983.