Seelhäuser

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Seit dem frü­hen 14. Jahrhundert steht der Begriff für Häuser, in denen Gemeinschaften von armen unverheirateten oder verwitweten Frauen lebten. Diese bürgerlichen Stiftungen umfassten Wohnhäuser und häufig landwirtschaftliche Güter oder Gülten (Renten), deren Erträge die Versorgung der ’Seelfrauen’ sicherstellen sollten. Intention der Stifter war einerseits, für ihr Seelenheil zu sorgen, denn üblicherweise gedachten die Seelfrauen der Stifter im Gebet; andererseits sollte auch die Existenz alleinstehender armer Frauen gesichert werden. Später wuchsen den Seelhäusern neue Funktionen zu: Seit dem 16. Jahrhundert enthalten einige Ordnungen Bestimmungen, die die Seelfrauen zur ambulanten Krankenpflege verpflichteten. Fehlende Gründungsurkunden und eine anfangs eher zufällige Erfassung in den Steuerbüchern machten es bei den meisten Seelhäusern schwierig, ihre Entstehung genauer zu klären. Erst seit der Besteuerung der Seelfrauen (ab Mitte 15. Jahrhundert) wurden die Häuser und ihre Bewohnerinnen bei der Steuerbeschreibung systematisch erfasst.
  • 1) Rufsches Seelhaus: 1353 gegründet von Mechthild, der Witwe des vermögenden Webers Ruf ’bei Heilig Kreuz’, ist es das erste sicher bezeugte Seelhaus in Augsburg. Das Vermögen wurde 1817 zur Fundierung des neuen Armenhauses verwendet.
  • 2) Herwart-Seelhaus: Es erscheint unter dieser Bezeichnung erst Mitte des 15. Jahrhunderts. Nach Stetten war es eine Gründung der Eulentaler und kam als Erbe an die Herwart. Diese Angabe ist durch Quellen nicht belegt. Sie erscheint sogar zweifelhaft, da eine Urkunde von 1400 noch keine Rechte der Herwart erkennen lässt: Als ’Pflegerin dez Selhuß hinder sant Mauritzin’ nennt sie die Bürgerin Katharina Rembot. In den Steuerbüchern ist es an dieser Stelle erstmals 1376 fassbar. 1534 wurde es aufgehoben und 1573 von den Herwart an die Söhne Anton Fuggers verkauft.
  • 3) Gwerlich-Seelhaus: Entgegen der älteren Literatur geht es nicht auf eine Stiftung der Gwerlich zurück. Gegründet wurde es Anfang des 15. Jahrhunderts von einer ’Winklerin’ († 1405/08), die der Gemeinschaft auch ihr Haus vor dem Frauentor übertrug. In den Steuerbüchern ist es bis Ende der 1470er Jahre unter ihrem Namen nachweisbar. Seit 1478 erscheint es als Pflege in der Hand der Gwerlich, wobei 1480/83 die Bezeichnungen ’Töttin Selhus’ und ’Winklerin Selhus’ nebeneinanderstehen. Ab 1484 heißt es nur noch ’Töttin Selhus’, bis diese Bezeichnung 1502 durch den Namen ’Gwerlich Selhus’ verdrängt wird. Wahrscheinlich wurde ein Stiftungsprojekt der ’Töttin’ mit dem für fünf Frauen bescheiden ausgestatteten ’Winklerin Selhus’ vereinigt. Hintergründe sind nicht erkennbar, von einer Verbindung Winkler-Tott ist nichts bekannt. Bei der ’Töttin’ kann es sich nur um die zuletzt in Pforzheim lebende Nonne Ursula Tott († 1465/69) handeln, die Letzte einer Augsburger Kaufmannsfamilie. Die Ausführung des Geschäfts hatte sie offensichtlich den Kindern ihrer Schwester Barbara Gwerlich übertragen, die dann als Stiftungspfleger auftraten und dem Haus schließlich ihren Namen gaben. Im 16. Jahrhundert wurde es offenbar aufgelöst.
  • 4) Breyschuh-Seelhaus: Nach einem in einer Gerichtsurkunde von 1487 erwähnten Stiftungsbrief wurde das Haus beim Fronhoftor 1425 von Anna Breyschuh (II) gegründet. In den Steuerbüchern ist das Haus nicht sicher lokalisierbar, so dass die Identifikation mit einem 1355 in dieser Gegend genannten Seelhaus spekulativ bleibt; die Annahme der Erneuerung oder Erweiterung einer älteren Gründung ist nicht belegbar. Das Motiv der Stifterin könnte die persönliche Bekanntschaft mit Seelfrauen gewesen sein. Ihr Elternhaus lag in Nähe des Herwart-Seelhauses. In der Reformation wurde das Seelhaus aufgelöst.
  • 5) Bachsches Seelhaus: Der Name ist ab 1428 bezeugt. Nach der Tradition wurde es 1411 von Katharina Bach, der Ehefrau Johann (II) Rehms gestiftet, was sachlich wohl zutreffend ist, da als Pfleger ihr Enkel Georg Onsorg (1454) und später verschiedene Rehm belegt sind. Initiator war aber kaum Johann Rehm, in diesem Fall hätte das Seelhaus sicher seinen Namen getragen. Auch die Benennung nach der Stifterin erscheint wenig plausibel: Katharina Bach ist nach ihrer Heirat 1365 quellenmäßig nur als ’Rehmin’ fassbar, so dass die Annahme naheliegt, dass Katharina das Vermächtnis einer nahen Verwandten, vielleicht ihrer Mutter, erfüllte. Die Krankenbetreuung übernahmen 1847 die Barmherzigen Schwestern (Bachsche Seelhaus-Stiftung).
  • 6) Hirnsches Seelhaus: In Ergänzung ihrer anderen Stiftungen gründete Afra Hirn 1440 auch ein Seelhaus für Frauen. 1783 wurde es aufgelöst und das Vermögen auf das Pilgerhaus übertragen.
  • Zwei andere Seelhausstiftungen hatten offenbar nur kurzen Bestand: Das Gößwein-Seelhaus, wohl in den 1450er Jahren von dem Weber Peter Gößwein († 1456/57) für drei Frauen gestiftet, ist in den Quellen bis 1460 fassbar. Widersprüchlich sind die Nachrichten über das Vögelin-Seelhaus, das nach Werner um die Mitte des 15. Jahrhunderts von einer Anna Vögelin gegründet wurde. Das Stiftungsgut wurde zusammen mit dem ’Konrad Vögelin Geschäft’ verwaltet, wobei nicht erkennbar ist, ob das Projekt auch realisiert wurde. Die Identifizierung der Stifterin als Ehefrau Konrad Vögelins kann nicht zutreffen, da dieser nur zweimal, nämlich mit Rosilia Hofmaier und Elisabeth Herwart verheiratet war. Falls der Name bei Werner korrekt überliefert ist, könnte es sich um Vögelins Schwester Anna handeln, die 1411 als Ehefrau des Leonhard Riederer (II) aufscheint und wohl mit einer ’Böcklinin’ identisch ist, die 1452 ein Legat ihres Bruders vernachsteuerte.

Literatur:

Theodor Herberger, Die Seelhäuser und Seelgeräte in Augsburg, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 3 (1876), 283-289

Anton Werner, Die örtlichen Stiftungen für die Zwecke des Unterrichts und der Wohltätigkeit in der Stadt Augsburg, 1899 (Ergänzungsheft, 1912)

Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter, 1971, 225-227, 238 f.

Peter Rummel, Katholisches Leben in der Reichsstadt Augsburg (1650-1806), in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 18 (1984), 138 f.

Lyndal Roper, Das fromme Haus, 1995, 208-214.