Gerhoch
von Reichersberg, * 1093 Polling/Oberbayern, † 27.6.1169 Reichersberg/Passau, Reformtheologe
Autor: Dr. Günter Hägele
Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe
- Besuch der Stiftsschule Polling, dann Studien an den Domschulen in Freising und Hildesheim. 1118 Domscholaster in Augsburg. 1121, nach Auseinandersetzungen mit Bischof Hermann von Vohburg, vorübergehend im Stift Rottenbuch. Nach dem Wormser Konkordat 1123 Aussöhnung, Begleiter des Bischofs zum Laterankonzil. Endgültiger Bruch mit dem Bischof 1126, Profess in Rottenbuch. 1132 Propst des Augustinerchorherrenstifts Reichersberg. 1151 Visitator der Bistümer Augsburg und Eichstätt; sein Bericht führte möglicherweise zum Rücktritt von Bischof Walther I. (1152). Gerhochs umfangreiches Werk verdankt seinen Impetus dem Anliegen der Gregorianischen Reform. Dabei wurde er vom Denken Manegolds von Lautenbach beeinflusst, der 1086-1094 ebenfalls in Rottenbuch war. Gerhoch prangert Verfallserscheinungen von Klerus und Kirche an. Alle Kleriker sollen nach der Vita apostolica gemäß der Regel leben; Sakramentenspendung von Häretikern, zu denen er auch ohne Regel lebende Weltpriester, Schismatiker und Simonisten zählt, soll ungültig sein. Seine Kritik gilt auch Stolz und Machtgier der Kurie. In der Christologie wendet sich Gerhoch gegen die Frühscholastiker Pierre Abaelard und Gilbert von Poitiers. In seinen geschichtstheologischen Schriften steht er Hugo von St. Viktor und Rupert von Deutz nahe. Trotz Verbindungen zu bedeutenden Gelehrten seiner Zeit (u. a. Bernhard von Clairvaux, Otto von Freising, Eberhard von Bamberg) blieb Gerhochs Wirkung eher bescheiden. Seine Gedanken sind jedoch als Zeugnis des geistigen Ringens der Zeit um das Verständnis des Glaubens beachtenswert. Gerhoch hatte mehrere Brüder, die ebenfalls den geistlichen Stand wählten. Arno (* um 1100, † 1175 Reichersberg) und Heimo traten in Rottenbuch ein; Arno folgte Gerhoch nach Reichersberg, wo er Dekan und nach Gerhochs Tod Propst wurde. Friedrich und Rüdiger waren Kanoniker am Augsburger Dom, verließen die Stadt jedoch ebenfalls wegen der dort geübten Simonie und fanden Zuflucht in Klosterneuburg, wo ihr Bruder Marquard Propst war.
Literatur:
Peter Classen, Gerhoch von Reichersberg, 1960
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 2, 21980, 1245-1259
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 2, 1990, 223
Wolfgang Jungschaffer, 900 Jahre Gerhoch von Reichersberg, 1993
Lexikon für Theologie und Kirche 4, 31995, 513 f.
Johannes Schneider, Die Theologie im Raum des heutigen Bayern, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte 1/2, 1998, 652-662.