Mark Häberlein: Wirtschaftgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart
von Mark Häberlein
Wirtschaft und Handel im Mittelalter
Auch wenn sich die Existenz eines Marktes in Augsburg bis auf eine 1030 von Kaiser Konrad II. ausgestellte Urkunde zurückverfolgen läßt, dienten Handel und Gewerbe der Stadt bis zum Ende des 12. Jahrhunderts doch überwiegend der Bedarfsdeckung. Die berufliche Gliederung der gewerbetreibenden Bevölkerung, die das Stadtrechtsbuch von 1276 erkennen läßt, zeigt dann bereits eine gewisse Differenzierung und Spezialisierung innerhalb der lederverarbeitenden (Gerber, Schuster, Weißmaler, Kürschner), textilverarbeitenden (Lodweber, Schneider), metallverarbeitenden Gewerbe (Messerschmiede, Goldschmiede) und Nahrungsmittelgewerbe (Metzger, Bäcker, Brauer, Fischer; Händler wie Hucker und Obser). Außerdem finden hier auch der von Kramern betriebene Kleinhandel, der Tuchhandel der Gewandschneider und der Handel mit Wein, Salz, Kupfer, Blei, Zinn, Eisen, Olivenöl, Feigen, Fisch, Seide, flandrischem Tuch, welschen Messern und Pfeffer Erwähnung. Zu dieser Zeit hatten sich bereits ein Wochenmarkt am Freitag, ein Jahrmarkt an Ostern, der sich im 14. Jahrhundert zur regionalen Tuchmesse entwickelte, und ein weiterer Jahrmarkt an St. Michael entwickelt. Im 15. Jahrhundert kamen zwei weitere, jeweils 14 Tage dauernde Jahrmärkte um das Kirchweihfest und den St. Ulrichstag hinzu. Die Münzprägung blieb bis ins 16. Jahrhundert bischöfliches Privileg.
Überregionale Wirtschaftsbeziehungen bestanden bereits im 13. Jahrhundert nach Tirol und Bayern. Der Augsburger Bischof und städtische Klöster besaßen Weinberge in Südtirol, Augsburger Kaufleute handelten 1237 in Bozen mit Leinwand, Leder und Kramwaren. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert sind Warenlieferungen und Darlehen an den bayerischen Hof und die Tiroler Herzöge überliefert, an denen neben Vertretern der Familien Lang, Lauginger, Langenmantel und Schongauer auch jüdische Kaufleute beteiligt waren. Die Augsburger Juden Laemblin und Juedlin gewährten 1314 dem bayerischen Herzog einen Kredit über 3600 Pfund Pfennig. Eine Reihe von Repressalien und Beschränkungen, die 1438/39 in der vollständigen Vertreibung aus der Stadt kulminierten, setzten der jüdischen Präsenz im Augsburger Wirtschaftsleben jedoch bereits im späten Mittelalter ein Ende.
Während sich der Augsburger Handel bis um 1300 nur auf wenige Räume beschränkte und von einer kleinen Zahl von Familien getragen wurde, erfuhren die Wirtschaftsbeziehungen der Stadt in den folgenden beiden Jahrhunderten eine erhebliche Ausweitung. Neben den Salz- und Weinhandel und die Verbindungen nach Tirol und Bayern, die weiterhin wichtig blieben, treten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die ersten Nachrichten über die Präsenz Augsburger Händler im Haus der deutschen Kaufleute in Venedig (Fondaco dei Tedeschi) und 1333 auf der Frankfurter Messe. In der zweiten Jahrhunderthälfte bestanden zumindest vereinzelte Kontakte nach Flandern und Brabant, nach Mailand und Freiburg im Uechtland. Innerhalb des städtischen Handwerks und Handels setzten sich mit der Verfassungsänderung von 1368 die Zünfte als grundlegendes Organisationsprinzip durch. Durch eine Reihe von Maßnahmen - Beschränkung der Zahl der Arbeitskräfte, rechtliche Bevorzugung der einheimischen gegenüber auswärtigen Gewerbetreibenden - übten sie in der Folgezeit einen beträchtlichen Einfluß auf die gewerbliche Organisation in der Stadt aus.
Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entfaltete die Augsburger Wirtschaft vor allem auf dem Textilsektor eine beträchtliche Dynamik. Die Produktion von Barchent - einem Mischgewebe aus Leinengarn und Baumwolle - belief sich um 1400 bereits auf mehrere zehntausend Stück jährlich. Augsburger Kaufleute setzten den Barchent auf den Frankfurter Messen, in Köln, Prag, Breslau, Krakau und Wien ab und begannen, die schwäbische Landweberei verlagsmäßig zu organisieren. Nach einer Mitgliederzählung der Zünfte von 1475 waren 550 der insgesamt 2239 Augsburger Zunfthandwerker als Weber tätig, und um 1500 arbeiteten bereits 900-1000 Weber in der Stadt, die rund 70.000-80.000 Tuche im Jahr herstellten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch bereits eine gewisse Arbeitsteilung zwischen städtischer und ländlicher Garn- und Wepfenherstellung herausgebildet. Gerade das Textilgewerbe zeigte sich allerdings in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch besonders anfällig für konjunkturelle Krisen. Dabei schlug sich die schlechte soziale Lage der Weber auch in sozialem Protest wie den Ungeldunruhen 1457/66 oder dem Streit um die Einfuhr des 'langen Garns' aus Ostdeutschland 1495-1501 nieder.
Neben der Textilproduktion spielte vor allem die Lederverarbeitung eine wichtige Rolle innerhalb der gewerblichen Produktion der spätmittelalterlichen Stadt. 1475 waren 280-300 Zunftmitglieder in lederverarbeitenden Gewerben tätig. Bei den Kürschnern, die im 15. Jahrhundert schon regelmäßig die Nördlinger Messen besuchten, gegen Ende des Jahrhunderts aber auch bei den Schustern gab es erste Ansätze zur Exportproduktion. Die Metzger-, Brauer- und Bäckerzünfte zählten im späten 15. Jahrhundert jeweils über 100 Mitglieder, während sich das Metallgewerbe langsamer entwickelte.
Die städtische Kaufmannschaft konzentrierte sich im 15. Jahrhundert zu einem beträchtlichen Teil auf den Textilhandel und -verlag, wo Patrizier wie Ulrich Rehlinger, Jakob Herwart und Bartholomäus Welser neben 'Emporkömmlingen' aus der Weberzunft wie Ulrich Arzt, Jakob Hämmerlin, Jos Kramer oder Thomas Ehem aktiv waren. Die Ilsung-Karg-Gesellschaft transferierte nach 1400 Servitiengelder aus Deutschland an die römische Kurie. Zukunftsweisend war vor allem die Verbindung von Kreditgeschäft und Metallhandel, die zuerst bei den Meuting, der größten Augsburger Fernhandelsgesellschaft um die Mitte des 15. Jahrhunderts, nachweisbar ist. Ludwig Meuting und seine Gesellschafter liehen Herzog Sigismund von Tirol 1456 gegen die Silberausbeute der Schwazer Bergwerke 35.000 fl. Die Brüder Lukas, Bartholomäus (IV), Ulrich und Jakob Welser, die sich 1473 zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen hatten und geschäftliche Beziehungen nach Mailand unterhielten, beteiligten sich seit 1479 am Silber- und Kupferbergbau am Schneeberg bei Zwickau (Sachsen).
Mit der Gründung von Familienhandelsgesellschaften und Faktoreien an wichtigen Handelsplätzen entwickelten die Augsburger Kaufleute bereits die Organisationsformen, die für den Handel der Stadt in der Blütezeit während des 16. Jahrhunderts charakteristisch bleiben sollten. Die günstige Verkehrslage Augsburgs an der Achse Italien - Niederlande, das leistungsstarke Textilgewerbe und die Fähigkeit der städtischen Kaufleute, neue Möglichkeiten zu erkennen und auch umzuset-zen, bildeten wesentliche Voraussetzungen dafür, daß Augsburg in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts Nürnberg, die wichtigste süddeutsche Handelsstadt, einholen und sogar überflügeln konnte. Dennoch verlief diese Entwicklung, wie die Wirtschaftskrise der Jahre 1450-1480 zeigt, nicht linear und war von einer zunehmenden Polarisierung zwischen einer dünnen kaufmännischen Oberschicht und einer wachsenden Unterschicht armer Handwerker und Tagelöhner begleitet.
Blütezeit und Zusammenbruch, 1500-1648
Die Blütezeit von Fernhandel und Unternehmertum im 16. Jahrhundert ist aufs engste verbunden mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Familie Fugger, so daß man das 16. Jahrhundert zu Recht als 'Zeitalter der Fugger' charakterisiert hat. Die Brüder Ulrich, Georg und Jakob Fugger schlossen seit den 1480er Jahren große Kreditgeschäfte mit dem Tiroler Erzherzog Sigismund und seinem Nachfolger, dem späteren Kaiser Maximilian I., ab, für die sie auf die Silber- und Kupferausbeute der Tiroler Bergwerke verwiesen wurden. Seit 1494 bauten die Fugger, unter denen Jakob mehr und mehr eine Führungsrolle zukam, in Gemeinschaft mit dem Krakauer Bergbauingenieur Johann Thurzo ein großes ostmitteleuropäisches Bergbau- und Metallhandelsunternehmen auf, den 'Gemeinen Ungarischen Handel' mit Schwerpunkt im slowakischen Neusohl. 1495 folgte der Erwerb eines Bleibergwerks bei Villach (Kärnten), wo die Fugger eine Messinghütte errichteten. Weitere Stationen in der Expansion des Familienkonzerns waren die Übernahme einer Saigerhütte in Hohenkirchen (Thüringen) und die Gründung von Faktoreien in Breslau, Leipzig und Ofen, zu denen nach 1500 weitere in Danzig, Lübeck und Antwerpen kamen. In Venedig, einem der wichtigsten Absatzorte für tirolisches und ungarisches Kupfer, bildeten die Fugger 1498 zur Stützung der Preise ein Syndikat mit den Gesellschaften Gossembrot, Herwart und Baumgartner. Die 1495 eingerichtete römische Faktorei dien-te der Überweisung von Geldern, unter anderem der berüchtigten Ablaßgelder, an die römische Kurie. Die zahlreichen Kreditgeschäfte mit dem Haus Habsburg erreichten 1519 mit der Finanzierung der Kaiserwahl Karls V. einen ersten Höhepunkt.
Unter Jakob Fuggers Neffen und Nachfolger Anton erreichte das Fugger'sche Unternehmen seine größte Ausdehnung: Die Generalrechnung von 1546 wies für das damals größte Unternehmen Europas ein Gesellschaftsvermögen von rund 5 Mio. fl aus. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts zeichneten sich ein Strukturwandel der Firma (Aufgabe des Ungarischen Handels 1546; Ausgliederung der Tiroler Montanunternehmungen 1548) und Krisenerscheinungen aufgrund der Höhe der habsburgischen Verschuldung bei den Fuggern ab, die sich mit dem ersten spanischen Staatsbankrott von 1557 akut verschärften. Die bereits unter Anton Fugger erkennbare zunehmende Verlagerung der Geschäfte nach Spanien fand ab 1564 unter seinem Sohn Markus ihre Fortsetzung, dem es gelang, das Unternehmen unter schwierigen Umständen zu konsolidieren. Zugleich entfernten sich die Fugger durch den bereits unter Jakob Fugger einsetzenden Aufkauf großer Ländereien (vor allem im Gebiet zwischen Augsburg und Ulm), durch den Aufstieg in den Reichsgrafenstand und durch Heiratsverbindungen mit Adeligen zunehmend weiter von ihrem städtischen Umfeld und entwickelten sich zu einer 'Sonderstruktur' innerhalb der Reichsstadt. Die Verbindung zu Augsburg blieb indessen durch die Übernahme hoher politischer Ämter nach 1548 sowie durch die philanthropischen Aktivitäten der Fami-lie (Fuggerei) gewahrt.
Der Aufstieg der Fugger vollzog sich im Kontext einer allgemeinen Ausweitung des Augsburger Fernhandels seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Dies zeigt sich z.B. in der steigenden Zahl von Niederlassungen Augsburger Handelsfirmen in Antwerpen, das sich als Umschlagplatz für portugiesischen Pfeffer, englische Wolltuche und oberdeutsche Textil- und Metallwaren, schließlich auch als Börsenplatz zu einem der wichtigsten europäischen Handelszentren des 16. Jahrhunderts entwickelte. Nachdem sich Ende des 15. Jahrhunderts bereits Vertreter der Meuting und Höchstetter in der Scheldestadt niedergelassen hatten, waren seit Anfang des 16. Jahrhunderts auch die 1496/98 gegründete Welser-Vöhlin-Gesellschaft, Christoph Herwart, die Brüder Bimmel, Wilhelm Rehlinger u.a. dort tätig. In den anderen europäischen Handelszentren - Lyon, Lissabon, Genua, Florenz, Mailand, Venedig, Leipzig, Breslau - waren Augsburger ebenfalls in immer größerer Zahl vertreten.
Die Entwicklung Augsburgs zur Wirtschaftsmetropole im 16. Jahrhundert stand in engem Zusammenhang mit der Dominanz der reichsstädtischen Kaufleute im Bergbau und Metallhandel. Augsburger Firmen kontrollierten während des 16. und frühen 17. Jahrhun-derts den Kupferhandel von zwei der drei wichtigsten europäischen Montanregionen. Zwischen 1500 und 1589 lagen über 70 % des Kupferhandels im Alpen-raum und über 90 % des Absatzes des oberungarischen Kupfers in Augsburger Hand. Lediglich im mitteldeutschen Bergbaurevier um Mansfeld konnten sich Nürnberger Handelsgesellschaften gegen die mächtige Augsburger Konkurrenz behaupten.
Im Tiroler Bergbau wurden seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert neben den Fuggern noch eine Reihe weiterer Augsburger Firmen aktiv. Die Höchstetter errichteten 1509 ein Messingwerk in Pflach bei Reutte und bezogen große Mengen Kupfer aus Taufers und Schwaz. Melchior Stuntz, die Baumgartner, die Manlich, Christoph Herwart sowie die Brüder Bimmel sind weitere Beispiele für Augsburger Kaufleute, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in großem Umfang in den Tiroler Bergbau und Metallhandel investierten. Sinkende Bergwerkserträge und fallende Kupferpreise veranlaßten seit der Jahrhundertmitte einige Augsburger Unternehmer, ihre Grubenanteile abzustoßen oder zusammenzulegen. So vereinigten die Fugger, die Haug-Langnauer-Linck und die Erben Matthäus Manlichs 1565 ihren Montanbesitz in einem großen Konsortium, der Jenbacher Gesellschaft.
Auch in anderen europäischen Bergbauregionen hatten Augsburger Kaufleute während des ganzen 16. Jahrhunderts eine überragende Stellung inne. Die Ausbeu-te der slowakischen Kupferbergwerke mit dem Zentrum Neusohl lag bis 1548 in Händen der Fugger, ging dann an Matthäus Manlich über und wurde von 1569 an von Wolfgang Paler und den Erben des Leonhard Weiß übernommen. Die Quecksilberproduktion im österreichischen Idria wurde jahrzehntelang von Augsburger Firmen, den Höchstetter, Baumgartner, Herwart und Haug-Langnauer-Linck, abgenommen, während der Quecksilberbergbau im spanischen Almadén von den Fuggern kontrolliert wurde. Die Rosenberger exportierten in großem Umfang steyrischen Stahl nach der iberischen Halbinsel. Daneben waren Augsburger auch im Salzburger (Wieland), Kärntner (Putz) und im sächsischen und thüringischen Bergbau aktiv (Höchstetter, Welser). Die führende Beteiligung der Haug-Langnauer-Linck-Gesellschaft am Kupferbergbau in der englischen Grafschaft Cumberland seit den 1560er Jahren demonstriert das Interesse der reichsstädtischen Montanunternehmer an der Erschließung neuer Produktionsgebiete.
Die Innovationsbereitschaft Augsburger Kaufleute und ihre Fähigkeit, neue wirtschaftliche Möglichkeiten ak-tiv wahrzunehmen, zeigt sich auch im Bereich des Übersee- und Mittelmeerhandels. Nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien durch Vasco da Gama (1498) erlangten die Welser-Vöhlin bereits 1503 ein Privileg des portugiesischen Königs für den Gewürzhandel und beteiligten sich 1504/05 zusammen mit den Fugger, Höchstetter und Gossembrot an der Finanzierung einer portugiesischen Gewürzflotte nach Indien. Um 1509/10 hatten die Welser-Vöhlin eine Faktorei auf Madeira und Zuckerplantagen auf den Kanarischen Inseln, und 1526 etablierten sie auch eine Faktorei auf Santo Domingo. Die Verträge zur Kolonisierung Venezuelas, die die Welser-Vertreter Heinrich Ehinger und Hierony-mus Sailer 1528 abschlossen, markieren ein neues Stadium des Interesses Augsburger Handelshäuser an überseeischen Gebieten. Die Statthalterschaft über Venezuela, die die Welser von 1528 an innehatten, führte indessen nicht zur Besiedlung und wirtschaftlichen Erschließung des Landes, sondern stellt sich im wesentlichen als eine Serie von - meist wenig erfolgreichen - Eroberungs- und Beutezügen der Welser-Vertreter ins Landesinnere dar. Anton Fugger beschäftigte sich um 1531 mit dem Projekt einer Kolonisierung des heutigen Chile, schreckte dann aber vor den Risiken des Unternehmens zurück. Christoph Herwart beteiligte sich am Ostindienhandel, sein Schwiegersohn Sebastian Neidhart an einer Expedition in das La-Plata-Gebiet (1535) und am mexikanischen Silberbergbau. Nachdem sich in den 1570er Jahren bereits der Augsburger Konrad Roth vergeblich um ein europäisches Pfeffermonopol bemüht hatte, investierten seit 1585 Markus und Matthäus Welser und die 'Georg Fuggerischen Erben' nochmals in den portugiesischen Gewürzhandel mit Indien und entsandten eigene Faktoren nach Goa. Von 1570 an stieg die Firma Melchior Manlich und Mitverwandte in einen weiteren Bereich des Seehandels ein, als sie mit einer Flotte von neun Schiffen von Marseille aus direkte Handelsverbindungen mit den Häfen des östlichen Mittelmeerraums knüpfte.
Die Reichweite der Aktivitäten der reichsstädtischen Kaufmannschaft manifestiert sich schließlich auch in großen Anleihegeschäften mit einer Reihe von europäischen Herrschern. Während Kredite an die Habsburger den Augsburger Handelshäusern den Einstieg in den Tiroler Bergbau ermöglichten und vor allem die Fugger und Welser auch die spanischen Habsburger immer wieder mit großen Darlehen unterstützten, liehen mehrere Augsburger um die Mitte des 16. Jahrhunderts auch der französischen Krone, die besonders hohe Zinsen zahlte, große Summen (Sebastian Neidhart und Hieronymus Sailer, Bernhard und Philipp Meuting, Hans Paul Herwart, Hieronymus und David Zangmeister, Hans und David Weyer). Die Könige Englands und Portugals, die Kurfürsten Sachsens und Brandenburgs und die bayerischen Herzöge fanden ebenfalls Geldgeber in den Reihen der Augsburger Kaufmannschaft. Der aus der Kürschnerzunft kommende Großkaufmann und Bankier Jakob Hörbrot lieh in den 1530er und 40er Jahren den evangelischen Reichsfürsten beträchtliche Summen, machte ab der Jahrhundertmitte aber auch größere Geschäfte mit König Ferdinand. Mit dem großen Anleihegeschäft ging eine starke Entwicklung des Wechselmarkts einher. Die Unterkaufbücher der Jahre 1551-1558 verzeichnen mehrere tausend 'börsenmäßige Geschäfte', die in diesem Zeitraum auf dem Augsburger Geldmarkt abgewickelt wurden. Besonders wichtig war der Wechselverkehr nach Antwerpen, der ein Gesamtvolumen von über 1 Mio. fl hatte. Der Umfang der Wechselgeschäfte nach Venedig belief sich 1551-1558 auf insgesamt 240.000 Dukaten. Neben den Fuggern hatten in diesen Jahren u.a. auch die Unternehmen der Gebrüder Kraffter, Matthäus Manlichs, Hieronymus Imhofs, der Brüder Hans Paul und Hans Heinrich Herwart und der Münchner Ligsalz eine starke Stellung auf dem Augsburger Geldmarkt inne.
Die Übernahme einer Führungsrolle im europäischen Bergbau, das Ausgreifen nach Übersee und die spekulativen Kreditgeschäfte Augsburger Firmen sind nur erklärbar durch die Bereitschaft der reichsstädtischen Kaufleute, in großem Umfang Fremdkapital von Angehörigen der Augsburger Oberschicht, von Bürgern anderer Städte, Adeligen und geistlichen Würdenträgern in Form von festverzinslichen Einlagen aufzunehmen. Von großer Bedeutung für die Rekrutierung von Fremdmitteln erwiesen sich dabei die familiären Verflechtungen innerhalb der Augsburger Oberschicht: Ein beträchtlicher Teil des Depositenkapitals in den großen Handelsgesellschaften kam von näheren und weitläufigeren Verwandten. Ihre starke Abhängigkeit von fremdem Kapital wurde jedoch nach der Mitte des 16. Jahrhunderts zahlreichen Augsburger Firmen zum Verhängnis, als die spanische und französische Krone ihre Zahlungsunfähigkeit erklärten (1557), die Bergwerkserträge zurückgingen, der europäische Kupfermarkt Anfang der 1570er Jahre von einer schweren Absatzkrise getroffen wurde und der Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden den Handel mit Antwerpen behinderte. Die Folge war eine Serie von Firmenzusammenbrüchen, von der u.a. die Zangmeister, Rosenberger, Kraffter, Hörbrot, Meuting, Haug-Langnauer-Linck und Manlich betroffen waren. Die Auswirkungen dieser Konkurse auf die Augsburger Wirtschaft dürften jedoch weit geringer gewesen sein, als vor allem die ältere Forschung annahm, da diese Firmen ihr Geld zumeist außerhalb der Stadt investiert hatten und die Lücken, die sie hinterließen, von anderen Firmen ausgefüllt wurden. Der Bankrott zahlreicher Firmen, der Rückzug einiger Familien aus dem aktiven Handel und der Aufstieg neuer Familien, die weitgehend dem 'traditionellen' Warenhandel mit Leinwand, kostbaren Stoffen, Baumwolle, Gewürzen, Farbstoffen und Pelzwerk treu blieben, führten zu einem Umschichtungsprozeß innerhalb der Augsburger Kaufmannschaft. Im späten 16. und beginnenden 17. Jahrhundert repräsentieren etwa Hans Österreicher und seine Erben, Christoph Böcklin und seine Söhne oder Matthäus und Daniel Stenglin die Gruppe von Kaufmannsfamilien, die vor allem im Warengroßhandel erfolgreich tätig waren, während Martin Zobel den Warenhandel mit Montanunternehmungen (Altenberger Zinnbergbau) verband. Philipp Hainhofer machte sich Anfang des 17. Jahrhunderts als Kunsthändler und -agent einen Namen. Die Etablierung von Augsburger Kaufleuten in Hamburg und Amsterdam (Jenisch) seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert kann zudem als Zeichen dafür gewertet werden, daß sich die reichsstädtischen Fernhändler auf veränderte Marktgegebenheiten und den Aufschwung neuer Handelszentren einzustellen vermochten.
Schwerwiegendstes wirtschaftliches und soziales Problem der Reichsstadt im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert war die Lage der Weber. Der Reichtum Augsburgs vor dem Dreißigjährigen Krieg war extrem ungleich verteilt; dem Anwachsen einer Schicht reicher Kaufleute entsprach keineswegs die steigende Prosperität der Gesamtbevölkerung. Nur 2 % der Augsburger Steuerzahler im Jahr 1618 können als reich gelten. Ein gutes Drittel kann als relativ wohlhabend - als eine 'Mittelschicht' - angesehen werden, während mehr als drei Fünftel als Angehörige der 'Unterschicht' in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen lebten und Tausende von Augsburgern ganz oder teilweise von Almosen leben mußten.
Die gewerbliche Produktion Augsburgs war sehr einseitig auf die Textilherstellung ausgerichtet; die Weber stellten mehr als 20 % der Steuerzahler und bildeten damit die mit Abstand größte Berufsgruppe. 1536 zählte die Weberzunft 1451 Mitglieder, bis zum Vorabend des Dreißigjährigen Krieges stieg die Zahl der Meister auf über 2000. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kamen jährlich über 400.000 Barchenttuche zur Schau auf das Weberhaus. Hinter dieser eindrucksvollen Produktionsziffer verbergen sich gravierende Krisenerscheinungen: Das Textilgewerbe war infolge der wachsenden Konkurrenz mitteldeutscher Leinenerzeugnisse und englischer und niederländischer Textilimporte von Überproduktion und Absatzschwierigkeiten betroffen, und die große Mehrzahl der Weber lebte an oder unterhalb der Armutsgrenze. In der Reichsstadt, deren Bevölkerungszahl 1618 mit rund 45.000 einen erst im 19. Jahrhundert wieder übertroffenen Höchststand erreicht hatte, gingen Prosperität und Verarmung nebeneinander einher.
Von den übrigen Gewerben erlebten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Plattner und Buchdrucker, in der zweiten Jahrhunderthälfte vor allem die Goldschmiede, deren Zahl sich zwischen 1555 und 1594 von 63 auf 200 mehr als verdreifachte, eine erste Blütezeit. Während größere Aufträge zunächst von Kaufleuten an die einzelnen Werkstätten verteilt wurden, bildete sich im ausgehenden 16. Jahrhundert aus dem Goldschmiedegewerbe eine Gruppe von spezialisierten Silberhändlern und Juwelieren heraus. Zu den wohlhabenderen Berufen gehörten daneben auch die Gastwirte, Metzger und Bäcker.
Für die in so starkem Maße auf Fernhandel und Exportproduktion ausgerichtete Reichsstadt hatte der Dreißigjährige Krieg katastrophale Folgen. Die Gesamtsteuerleistung der Kaufmannschaft sank auf ein Sechstel des Standes von 1618. Auch die Goldschmiede und die meisten anderen Gewerbe verloren einen erheblichen Teil ihres Vermögens. Die Augsburger Bevölkerung ging um 50 bis 60 %, die Zahl der Weber sogar um 80 % zurück; das Steueraufkommen verminderte sich um drei Viertel. Die erste Blütezeit des Augsburger Handels und Gewerbes war damit definitiv vorbei.
Ökonomischer Wiederaufstieg, 1648-1806
Trotz der verheerenden Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges waren die Grundlagen der wirtschaftlichen Ausnahmestellung, die Augsburg im 16. Jahrhundert eingenommen hatte, nach dem Westfälischen Frieden keineswegs gänzlich zerstört. Ein leistungsfähiges Textil-, Goldschmiede- und Kunstgewerbe war zumindest in Ansätzen erhalten geblieben, an im Krieg abgerissene Handelsverbindungen nach Wien, Linz, Bozen, Venedig, Frankfurt, Leipzig und Lyon konnte bereits um 1650 wieder angeknüpft werden. Die Stadt erreichte zwar nicht mehr die wirtschaftliche Bedeutung wie vor 1618, doch dessen ungeachtet erlebte Augsburg im späten 17. und 18. Jahrhundert ein bemerkenswertes wirtschaftliches Comeback. Dieser Wiederaufstieg gründete auf den drei Säulen des Bank- und Edelmetallgeschäfts, des Kunsthandwerks und der Textilproduktion. Gemeinsam war allen drei Bereichen, daß sie exportorientiert waren und auf einer Verbindung von technologischem Know-how und Kapitalinvestitionen, von Produktion und Kommerzialisierung beruhten.
Von den Augsburger Handelshäusern gelangten nach dem Dreißigjährigen Krieg zunächst die um 1600 aus Brixen eingewanderten Schnurbein im Italienhandel und die Hosenestel im Silber- und Galanteriewarenhandel mit Frankreich wieder zu beträchtlichem Reichtum. Seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts bildete die bereits aus dem 16. Jahrhundert bekannte Verknüpfung von Edelmetallhandel mit Bank- und Wechselgeschäften die Basis für den Aufstieg der Handelshäuser Gullmann, Greiff & Köpf, Rad & Hößlin und Rauner, die bezeichnenderweise durchweg von Männern gegründet wurden, die erst nach 1648 nach Augsburg zugewandert waren (aus Nürnberg, Frankfurt, Lindau). Auf große Silberlieferungen dieser Firmen an den Kaiser-hof, den König von Preußen und die Kurfürsten von Bayern und Sachsen folgten Darlehensgeschäfte und Aufträge für Heereslieferungen, die vor allem in Kriegszeiten bedeutende Größenordnungen erreichten. Der aus Breslau stammende Samuel Bertermann hatte sich bereits in den 1690er Jahren als Heereslieferant der kaiserlichen Truppen und Quecksilberspekulant finanziell übernommen. Johann Thomas Rauner d.J., dessen Vater seit 1708 in Gesellschaft mit dem Münchner Kaufmann Johann Baptist Ruffini auch am bayerischen Salzhandel beteiligt war, und sein aus Frankfurt stammender Schwager Christian von Münch liehen 1725 dem bayerischen Kurfürsten Max Emanuel 400.000 fl, denen Münch in den 1730er und 1740er Jahre weitere Darlehen an Bayern folgen ließ. Die Firma Rad & Hößlin war seit dem Türkenkrieg 1716-1718 in großem Umfang mit der Ausrüstung und Verproviantierung der kaiserlichen Truppen befaßt und stellte der kaiserlichen Seite zur Finanzierung des Polnischen Erbfolgekriegs Millionenbeträge zur Verfügung, deren schleppende Rückzahlung 1741 zum Zusammenbruch ihres Nachfolgeunternehmens führte.
Die Übernahme einer Gold- und Silberwarenfabrik im anhaltischen Köthen durch Markus von Schnurbein (1724), der von Rad & Hößlin besorgte Absatz von siebenbürgischem Quecksilber in die Türkei (seit 1726), der Vertrieb der Mansfeld-Eislebener Kupferproduktion durch Schnurbein (1728) und der Banater Kupferhandel Christian von Münchs (1734-1737) sind weitere markante Beispiele für die Reichweite der Aktivitäten Augsburger Handelshäuser im Metallgeschäft dieser Zeit. Die Reihen der führenden protestantischen Kaufleute und Bankiers wurden in den Jahrzehnten nach 1700 durch die Zuwanderung der Silber- und Wechselhändler Philipp Adam Benz (Lindau), Johann Konrad Kaspar und Joseph Halder (Lindau) und Johann Adam Liebert (Biberach) weiter verstärkt, während die Einwanderer Tomaso Carli aus Tremezzo (Comer See) und Johann Obwexer aus Klausen (Südtirol) in den 1720er Jahren bedeutende katholische Bankhäuser gründeten. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte der Augsburger Edelmetallhandel eine neue Dimension, als die Bankiers Köpf, Obwexer, Liebert und Carli große Mengen Silber an die kaiserlichen Münzstätten in Hall, später auch in Günzburg, zur Prägung von sogenannten Maria-Theresia-Talern zu liefern begannen. Liebert, Carli und Köpf verbanden sich zu einem Konsortium, das von 1769 an ein achtjähriges Monopol auf die Gesamtproduktion der Münzämter Hall und Günzburg im Wert von vier Mio. Talern jährlich innehatte.
Grundlage für den Aufstieg der Augsburger Silberhändler zu Großbankiers und fürstlichen Darlehensgebern bildeten die Leistungsfähigkeit und der hervorragende Ruf der Augsburger Goldschmiede u.a. edelmetallverarbeitender Handwerker (Galanterie- und Filigranarbeiter, Uhrgehäusemacher, Siegelschneider). Die Großaufträge, die die Silberhändler erhielten, führten sie in verlagsartiger Organisation bei einem hohen Grad an Arbeitsteilung aus. Die Zahl der Goldschmiede stieg von 160 im Jahre 1661 auf 190 im Jahre 1696 und erreichte um 1740 mit 275 einen Höhepunkt. Im paritätischen Augsburg gehörten die Goldschmiede zu den überwiegend protestantischen Gewerben, was die Meister nicht hinderte, auch für katholische kirchliche Auftraggeber zu arbeiten. Die Bedeutung des Kunsthandwerks für die Augsburger Wirtschaft des 18. Jahrhunderts zeigt sich auch im Bereich der Buch- und Kupferstichproduktion; von den 23 im Jahre 1788 gezählten Verlagen waren einige im Besitz von regelrechten Familiendynastien. Im späten 17. Jahrhundert entwickelte sich ferner die Produktion von Seidenbändern zu einem bedeutenden städtischen Wirtschaftszweig; die Zahl der Bortenmacher erhöhte sich von 73 im Jahre 1654 auf 171 im Jahre 1720, womit die Bortenmacher zu diesem Zeitpunkt nach den Webern und Goldschmieden die drittgrößte Berufsgruppe in der Stadt bildeten.
Die traditionsreiche Augsburger Textilbranche erholte sich zunächst relativ langsam von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges. 1662 waren 735 Webermeister in der Stadt tätig, die 60.508 Barchentstücke zur Schau auf das Weberhaus brachten. Die Jahresproduktion betrug damit lediglich ein Siebtel des Vorkriegsstandes. Daß sich das Textilgewerbe dennoch seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert zu einer der Säulen des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs der Stadt entwickeln konnte, lag primär an der technischen Innovation des Kattundrucks. Georg Neuhofer, der 1688/89 in England und den Niederlanden die neue Technik ausspioniert hatte, gründete mit seinem Bruder Jeremias die erste Augsburger Textildruckerei, der rasch weitere folgten. 1693 beschränkte der Augsburger Rat die Zahl der Drukkergerechtigkeiten auf sechzehn. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden noch vor allem Bombassine bedruckt. Nachdem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Neuhofer und Apfel sowie der 1719 aus Genf eingewanderte Jean François Gignoux eine führende Stellung im Kattundruck innehatten, stieg nach der Jahrhundertmitte der aus Künzelsau im Hohenlohischen stammende Johann Heinrich Schüle zum größten Augsburger Kattundrucker auf. Schüle ließ zunächst bei Gignoux und in Hamburg Stoffe bedrucken, ehe er 1759 eine eigene Manufaktur eröffnete. Der Import großer Mengen ostindischer Kattune aus Amsterdam brachte ihn in den folgenden Jahren wiederholt in Konflikt mit der Weberschaft und dem Rat der Stadt. Schüle, der 1770-1772 einen palastartigen Manufakturbau vor dem Roten Tor errichtete, nahm den Augsburger Webern 1771 mit mehr als 26.000 Tuchen rund 40 % ihrer Gesamtproduktion ab und führte darüber hinaus mehr als 40.000 fremde Tuche nach Augsburg ein. Sein Reingewinn soll in dieser Zeit über 100.000 fl jährlich betragen haben. Bereits Ende der 1770er Jahre machten mehrere Konkurrenten - darunter sein eigener Neffe Matthäus Schüle, die Erben Gignoux und Georg Friedrich Zackelmayer, nach 1780 auch Schoeppler & Hartmann und der aus Pforzheim stammende Carl Wohnlich - Schüle seine Führungsposition streitig. Mit Isaak Goldschmidt von Kriegshaber, der sich seit Mitte der 1760er Jahre in den Augsburger Kattundruck und -handel einschaltete und um 1780 zu den wichtigsten Geschäftspartnern Schüles zählte, spielte erstmals seit Jahrhunderten auch ein jüdischer Unternehmer wieder eine Rolle im Wirtschaftsleben der Reichsstadt. Die Gesamtproduktion der Kattunmanufakturen belief sich 1785 auf schätzungsweise 165.000-170.000 Stück. Die anhaltend schlechte soziale Lage der Weber entlud sich indessen 1794 in einem Aufstand, der sich gegen die Kattunimporte der Fabrikanten, vor allem Schüles, richtete.
Kennzeichnend für die Augsburger Kattunfabrikanten war ihre enge Zusammenarbeit mit den Bankiers der Reichsstadt. So wurden Schüle von Johann Obwexer, Gignoux und seine Erben von Conrad Schwarz und Ernst Christian Harder von Köpf mit beträchtlichen Darlehen unterstützt. Als die Firma der Söhne Johann Obwexers seit 1778/79 in den Überseehandel einstieg, konnte sie sich diese Verbindungen zunutze machen. Die Obwexer exportierten Augsburger Kattune, offenbar vor allem aus der Manufaktur Matthäus Schüles, sowie schlesische und sächsische Leinenstoffe über Amsterdam nach der holländischen Karibikinsel Curaçao, wo das Unternehmen einen eigenen Vertreter hatte, und von dort aus in die spanischen und französischen Kolonien, wo sie Kolonialwaren wie Kaffee, Zucker, Kakao, Tabak und Indigo erwarben. Das Karibik-Unternehmen der Obwexer, das wohl bemerkenswerteste Beispiel für die Reichweite des Augsburger Handels im 18. Jahrhundert, erlitt seit dem Ausbruch der französischen Revolutionskriege aufgrund der englischen Seeüberlegenheit immer höhere Verluste. 1806 ging das Augsburger Haus bankrott.
Das Ende des Hauses Obwexer reiht sich ein in eine Serie von Konkursen, denen um 1800 auch die Bankhäuser Schwarz (1799) und Münch (1808) zum Opfer fielen. Seit etwa 1790 geriet zudem das Augsburger Textilgewerbe in eine schwere Krise. Die Zahl der auf das Augsburger Weberhaus zur Schau gebrachten Kattune sank zwischen 1794/95 und 1805/06 von über 120.000 auf unter 70.000, die Zahl der importierten Kattune von über 56.000 (1795/96) auf unter 20.000. Das Goldschmiedehandwerk und der Silberhandel hatten um diese Zeit ihren Höhepunkt ebenfalls überschritten: Die Zahl der Meister ging von 275 im Jahre 1740 auf 126 um 1800 zurück, und 1805 starb mit Johann Gottlieb Klaucke der letzte Augsburger Silberhändler von internationaler Bedeutung. Zukunftsweisend waren hingegen die Neugründungen der Bankhäuser von Johann Lorenz Schaezler (1800), Erzberger & Co. (1804) und Johann Gottlieb Süßkind (1806) sowie die Wiederaufnahme jüdischer Handels- und Bankhäuser (Kaulla, Ullmann, Obermayer), die der verschuldeten Stadt ihre finanzielle Hilfe angeboten hatten (1803). Die Stadt Augsburg, die 1806 in den bayerischen Staat eingegliedert wurde, erlebte einmal mehr eine wirtschaftliche Umbruchphase, an deren Ende eine neue Generation von Unternehmern und Bankiers zu Trägern der ökonomischen Weiterentwicklung wurde.
Das Zeitalter der Industrialisierung, 1806-1945
Daß Augsburg seit den 1830er Jahren einen erneuten ökonomischen Aufschwung erlebte und sich zu einer bedeutenden Industriestadt entwickelte, verdankte die Stadt neben ihrem Standortvorteil (reichlich vorhandene Wasserkraft durch Lechkanäle) wohl in erster Linie der Leistungsfähigkeit und Kapitalkraft der Augsburger Bankiers, unter denen neben einigen älteren (Carli, Halder) vor allem die seit 1800 gegründeten neuen Häuser schon bald eine Führungsrolle einnahmen. So liehen Schaezler, Carli und Obermayer seit 1807 dem bayerischen Staat große Summen und beteiligten sich 1812 neben Wohnlich und Froelich an der Gründung einer Discontokasse, die den Kredit des bayerischen Staats festigen sollte. Zum größten jüdischen Bankhaus der Stadt entwickelte sich bis 1815 die Firma Arnold Seligmanns, die ebenfalls zu den Kreditgebern des bayerischen Staates gehörte. 1806 ging aus den regelmäßigen Zusammenkünften der Kaufleute auf ihrer Stube die Augsburger Börse hervor, an der 1817 neben bayerischen und österreichischen auch englische und preußische Staatspapiere gehandelt wurden. Seit 1820 setzte an der Börse eine schwunghafte Effektenspekulation ein, die 1824 zu einem Umsatzrekord, 1825/26 aber infolge einer allgemeinen Handelskrise und des Kursverfalls der österreichischen Staatspapiere zu einem schweren Einbruch führte. Während Carli aufgrund von Verlusten an der Börse Anfang 1826 seine Zahlungen einstellen mußte, hinterließ Johann Lorenz von Schaezler, nicht zuletzt aufgrund erfolgreicher Effektenspekulationen, bei seinem Tod im selben Jahr ein Vermögen von über zwei Mio. Gulden. 1822 hatte er überdies die Gründung einer Augsburger Sparkasse, der Vorläuferin der heutigen Stadtsparkasse, angeregt. Die Gründung der Münchner Börse (1830) und der bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (1834/35) mit einem Grundkapital von 10 Mio. Gulden signalisierten indessen, daß der Bankenplatz Augsburg künftig mit starker innerbayerischer Konkurrenz aus München zu rechnen hatte. Bei der Planung und Finanzierung der Privatbahn München - Augsburg (1835-1840), die 1844 vom bayerischen Staat übernommen wurde, arbeiteten die Bankiers beider Städte zwar zusammen, doch traten dabei auch massive Interessengegensätze zutage.
Von den im 18. Jahrhundert gegründeten Kattunmanufakturen prosperierten im 19. Jahrhundert lediglich Wohnlich & Froelich sowie die Firma Schoeppler & Hartmann, die unter der Leitung Karl Ludwig Forsters kontinuierlich modernisiert und erweitert wurde. Forster führte die chemische Schnellbleiche, die Fourneyron-Turbine, Walzendruck- und Dampfmaschinen ein und beschäftigte um die Jahrhundertmitte 642 Arbeiter. Aus Forsters Unternehmen ging 1885 schließlich die Neue Augsburger Kattunfabrik (NAK) hervor. Eine Vorbildfunktion für die weitere Entwicklung der Augsburger Textilindustrie kam der von Ferdinand Benedikt von Schaezler initiierten Gründung der Mechanischen Baumwollspinnerei und -weberei Augsburg (SWA) im Jahre 1837 zu, die von Anfang an als Großbetrieb (750 Beschäftigte) mit modernster technischer Ausstattung und als Aktiengesellschaft konzipiert war. Unter den Hauptaktionären des Unternehmens, dessen Stammkapital zunächst 1,2 Mio. Gulden betrug, nahmen die städtischen Bankhäuser (Erzberger & Schmid, Schaezler, Obermayer) eine herausragende Stellung ein. Die SWA entwickelte eine spezifische Führungsstruktur, die später von mehreren anderen großen Textilbetrieben Augsburgs imitiert wurde: Die als 'Ausschuß' bezeichneten Vertreter der Aktionäre wählten aus ihrer Mitte eine mehrköpfige 'Direktion', unter der ein kaufmännischer ('Gérant') und ein technischer Direktor tätig waren. Im Direktorium der Firma spielten Bankiers ebenfalls eine gewichtige Rolle. Einen ersten Aufschwung erlebte die Fabrik unter der Leitung Ludwig August Riedingers (1843-1852); 1851 beschäftigte sie bereits 1500 Personen.
Nach dem Vorbild der SWA wurden 1851/52 auf Initiative des Bankiers Jakob Friedrich Schmid die Baumwollspinnerei am Stadtbach, die 1857 mit zwei Mio. Gulden das höchste Aktienkapital aller bayerischen Textilbetriebe hatte (1865: 1200 Arbeiter an über 90.000 Spindeln), und 1853 eine von Georg Heinzelmann ausgeschriebene Baumwoll-Feinspinnerei am Hanreibach gegründet. Weitere Textilbetriebe entstanden mit der Mechanischen Weberei am Fichtelbach (1846) und der Baumwollspinnerei am Senkelbach (1846/48). Der bereits in Haunstetten tätige Clemens Martini begann 1847 einen Bleich- und Färbereibetrieb in Augsburg, die ehemalige Schüle'sche Kattunfabrik wurde von der Mechanischen Weberei Nagler übernommen, und L. A. Riedinger etablierte nach seinem Ausscheiden aus der SWA neben verschiedenen anderen Fabriken eine eigene Weberei (später Buntweberei) und Spinnerei (1865/73). Im Bereich der Wollverarbeitung kam der Kammgarnspinnerei von Friedrich Merz, die 1836 von Nürnberg nach Augsburg umsiedelte, eine Führungsrolle zu. Die Zahl der Spindeln wurde 1845-1858 von 6500 auf über 20.000 erhöht; in den 1860er Jahren beschäftigte die Augsburger Kammgarnspinnerei über 1000 Arbeiter.
Als zweiter wichtiger Industriezweig neben der Textilindustrie etablierte sich die Maschinenbau- und Metallindustrie, deren führender Betrieb die 1840 von dem Tabakfabrikanten Ludwig Sander und dem elsässischen Techniker Gaspard Dollfus gegründete und 1844 von Carl August Reichenbach und seinem Schwager Carl Buz übernommene Maschinenfabrik wurde. Die C. Reichenbach'sche Maschinenfabrik spezialisierte sich erfolgreich auf die Herstellung von Druckmaschinen, Turbinen, Dampfmaschinen und Dampfkesseln. Sie wurde 1857 in eine Aktiengesellschaft (Maschinenfabrik Augsburg) umgewandelt. In der Nachbarschaft der Maschinenfabrik baute der 1849 aus Alling bei Regensburg zugezogene Georg Haindl eine Papierfabrik auf, die vor allem wegen ihrer Spezialisierung auf die Produktion von Zeitungsdruckpapier kräftig expandierte. 1849-1900 stieg die Papierproduktion von 100 auf 10.850 Tonnen jährlich, die Zahl der Beschäftigten von acht auf über 300. Zu den größten Augsburger Aktiengesellschaften der Zeit vor der Reichsgründung gehörte ferner die Gesellschaft für Gasindustrie, die die Verwaltung von zwölf von L. A. Riedinger erbauten Gasfabriken in Süddeutschland, Österreich und Italien übernahm.
Wie bereits im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde der wirtschaftliche Aufschwung Augsburgs auch seit den 1830er Jahren vor allem von Zuwanderern getragen: rund drei Fünftel der Augsburger Unternehmer vor 1870 waren in die Stadt zugezogen. Von den Industriellen der ersten Generation stammten etwa Ludwig Sander aus Lahr (Baden), Carl Reichenbach aus Eisleben und Clemens Martini aus Biberach an der Riß, während unter den Bankiers Johann Lorenz von Schaezler aus Ansbach, Jakob Friedrich Schmid aus dem württembergischen Ebingen und Johann Gottlob von Süßkind aus Nürtingen (Württemberg) kamen. Die meisten Unternehmer entstammten dem sozialen Milieu der Großhändler, Bankiers und Fabrikanten, doch waren auch nicht wenige soziale Aufsteiger aus der Schicht der Handwerker und kleinen Gewerbetreibenden darunter. Durch eine Vielzahl von Heiratsverbindungen bildeten die Augsburger Unternehmer eine relativ geschlossene Schicht. Von großer Bedeutung für die frühe Phase der Industrialisierung in Augsburg war schließlich der Transfer von Technologie und Know-how aus den führenden europäischen Industrieregionen. Elsässische Techniker und Ingenieure spielten beim Aufbau von Betrieben wie der SWA und der Sander'schen bzw. Reichenbach'schen Maschinenfabrik eine große Rolle, und mehrere Augsburger Textilunternehmer - Gustav Frommel (seit 1840 Geschäftsführer der SWA), Ludwig August Riedinger, Theodor von Haßler - hatten sich technische Kenntnisse im Elsaß und in England erworben.
Das patriarchalische Selbstverständnis der Augsburger Unternehmer des 19. Jahrhunderts und ihr Interesse an der Kontrolle und Disziplinierung ihrer Arbeiter fand seinen Niederschlag einerseits in der Einführung eines Prämiensystems (SWA) und in rigiden Fabrikordnungen, die Regelverstöße mit teilweise drastischen Sanktionen (Lohnkürzungen, Entlassungen) ahndeten, andererseits aber auch in der Gewährung betrieblicher Sozialleistungen. Forster richtete in seiner Kattundruckerei 1833 eine Krankenkasse und 1849 eine Witwenkasse ein, Riedinger initiierte 1849 die Gründung einer Kranken- und Pensionskasse der SWA. Zu den Kranken-, Pensions- und Unterstützungskassen, die in der Folgezeit in den meisten Augsburger Großbetrieben eingerichtet wurden, kamen später werkseigene Wohnsiedlungen, in einigen Betrieben auch Bäder, Kindergärten und Bibliotheken. Die Kammgarnspinnerei begann beispielsweise 1854 mit dem Bau einer Arbeiter-Wohnkolonie; 1935 bestanden im Kammgarnviertel 356 Werkswohnungen. Riedinger baute ab 1860, die Stadtbachspinnerei ab 1861 Werkswohnungen, und die SWA errichtete zwischen 1892 und 1921 im Proviantbachquartier 400 Wohneinheiten. Die Arbeiter hatten im 19. Jahrhundert jedoch keinen Anspruch auf betriebliche Sozialleistungen, sie waren vielmehr von der Entscheidung - und damit dem Wohlwollen - der Fabrikleitung abhängig.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machten sich aufgrund des steigenden Energiebedarfs, der nur noch durch den Einsatz von Dampfmaschinen gedeckt werden konnte, und des wachsenden Rohstoffverbrauchs zunehmend die Nachteile Augsburgs als Industriestandort (weite Entfernung von Häfen und Kohlebergbauzentren) bemerkbar. Die Augsburger Industrie versuchte dies durch Qualitätsarbeit und die Spezialisierung der Produktion auszugleichen. In exemplarischer Weise gelang dies der Maschinenfabrik Augsburg (1898 mit der Maschinenfabrik Nürnberg zur M.A.N. fusioniert), die unter der Leitung von Heinrich von Buz (seit 1864) eine Pionierrolle bei der Herstellung von Druck- und Kältemaschinen übernahm, und in deren Werk in den 1890er Jahren Rudolf Diesel den nach ihm benannten Motor entwickelte. Die bedeutsamsten Firmengründungen der Jahre 1870-1910 im Bereich Maschinenbau zeichneten sich durchweg durch eine spezialisierte Produktpalette aus: Die Maschinen- und Zahnräderfabrik Renk, die 1882/83 durch Zusammenlegung dreier kleinerer Firmen entstandenen Vereinigten Fabriken Landwirtschaftlicher Maschinen (Epple & Buxbaum), die Eisengießerei und Maschinenfabrik Kleindienst & Cie. (Hebezeuge, Spezialmaschinen für Wäschereien), die Maschinenfabrik Keller & Knappich (Acetylenapparate) und die Alpine AG (Mahl- und Zerkleinerungsmaschinen).
Im Bereich der Textilindustrie durchlief die SWA zwischen 1877 und 1910 eine Modernisierungs- und Expansionsphase, die durch den Bau der Werke am Proviantbach (1877-1883 und Northrop-Weberei 1903), Rosenau (1887-1889) und Aumühle (1909-1910) gekennzeichnet ist. 1910 beschäftigte die SWA 2935 Personen an über 3000 Webstühlen und 125.000 Spindeln. Die Kammgarnspinnerei wurde bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ebenfalls kontinuierlich ausgebaut und modernisiert; 1892 beschäftigte sie 1184 Personen. Im Jahre 1907 waren insgesamt 23.466 Personen in 83 Augsburger Großbetrieben mit mehr als 50 Mitarbeiten tätig, was einem Durchschnitt von 283 Personen pro Großbetrieb entspricht. Auf politischem Gebiet versuchten die Augsburger Textilunternehmer seit etwa 1870 unter Führung Theodor von Haßlers der wachsenden Konkurrenz vor allem Elsaß-Lothringens durch das Eintreten für eine Schutzzollpolitik gegenzusteuern. Um die Transportmöglichkeiten der städtischen Industriebetriebe zu verbessern, wurde 1889 die Augsburger Localbahn gegründet.
Auf dem Bankensektor verloren die Augsburger Privatbanken, die als Gründer und Hauptaktionäre zahlreicher Aktiengesellschaften die Unternehmenspolitik der frühen Industriebetriebe maßgeblich mitbestimmt hatten, gegenüber den Münchner Aktienbanken zunehmend an Bedeutung. Eine Reihe von Bankiers versuchte vergeblich, mit der Etablierung einer eigenen Aktiengesellschaft, der Augsburger Bank (1871), ein Gegengewicht gegen die wachsende Münchner Konkurrenz zu schaffen. Als einflußreichster Privatbankier des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist Paul Schmid anzusehen, der u.a. jahrzehntelang den Vorsitz im Aufsichtsrat der SWA, der Weberei am Mühlbach, der Maschinenfabrik Epple & Buxbaum und der NAK innehatte und 1914 über ein Vermögen von zehn Mio. Mark verfügte. Zwei Jahre nach Paul Schmids Tod ging die Bank 1930 an die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank über; bereits vorher waren mehrere Privatbanken in der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Bayerischen Vereinsbank aufgegangen. Neben die Aktien- und Privatbanken traten die Städtische Sparkasse und mit dem 1868 gegründeten Landwirtschaftlichen Creditverein und dem Augsburger Vorschuß-Verein (System Schulze-Delitzsch) auch der Typus der Genossenschaftsbank.
Die Industrialisierung führte seit den 1850er Jahren auch im Umland - in Lechhausen, Oberhausen, Kriegshaber, Göggingen und Haunstetten - zu einem grundlegenden Strukturwandel. In Göggingen beschäftigte die 1863 dorthin verlegte Zwirn- und Nähfadenfabrik 1912 knapp 1500 Arbeiter. In dem 1911 nach Augsburg eingemeindeten Dorf Pfersee, das um 1860 noch weniger als 1000 Einwohner zählte, siedelten sich zwischen 1866 und 1888 nicht weniger als zwölf Fabriken, vor allem der Textil-, Maschinenbau- und Elektroindustrie, an. Infolge einer starken Zuwanderung wuchs die Gemeinde bis 1910 auf fast 11.000 Einwohner an. 1914 beschäftigte der größte Pferseer Industriebetrieb, die 1866 von dem Fabrikanten Krauß gegründete Spinnerei und Buntweberei Pfersee, 1300 Arbeiter an 1630 Webstühlen und Spinnmaschinen mit 46.000 Spindeln. In der seit 1887 bestehenden Mechanischen Weberei am Mühlbach waren 1910 über 500 Arbeiter tätig, in der Textilfabrik der Bemberg AG arbeiteten 1914 fast 400 Menschen. Das wichtigste Unternehmen der Metallbranche war seit den 1890er Jahren die Laubsägen- und Uhrfedernfabrik J. N. Eberle & Cie. Das Beispiel Pfersees zeigt zugleich, daß die wirtschaftliche Entwicklung im Zeitalter der Industrialisierung keineswegs geradling verlief, sondern die Expansion der Industrie von Konjunktureinbrüchen (z.B. 1874-1880), einer Reihe von Konkursen, zahlreichen Besitzerwechseln und der Umwandlung der meisten Großbetriebe in Aktiengesellschaften begleitet war.
Obwohl Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Augsburg Großbetriebe weiterer Branchen entstanden, ist auffällig, daß die für diese spätere Phase der Industrialisierung richtungsweisenden Bereiche der Elektroindustrie, die in Nürnberg zu einem gewaltigen Aufschwung führte, der Feinmechanik und der chemischen Industrie in der Stadt selbst weitgehend fehlten; chemische Fabriken entstanden hingegen in Umlandgemeinden wie Pfersee und Gersthofen. Der zunehmende Entwicklungsrückstand gegenüber München und Nürnberg äußerte sich nicht zuletzt in einem langsameren Wachstum der Bevölkerung. Zwischen 1840 und 1910 erhöhte sich Augsburgs Einwohnerzahl um 178 % auf knapp über 100.000, während Nürnbergs Bevölkerung um mehr als 600 und diejenige Münchens um mehr als 400 % zunahm. 1925 arbeiteten rund 55 % aller in der Industrie Beschäftigten in den Bereichen Textilherstellung (144 Betriebe, 16.348 Beschäftigte) und Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau (152 Betriebe, 13.644 Beschäftigte). Die Textilbetriebe wiesen einen besonders hohen Anteil an Arbeitern und Frauen (in der Regel über 50 % der Belegschaft) auf, während in den Maschinenfabriken mehr Angestellte und Männer tätig waren. Betriebe mit mehreren hundert Mitarbeitern bestanden in den 1920er Jahren auch in den Bereichen Papierherstellung (Haindl), Schuhfabrikation (Wessels) und Brauereiwesen (Hasen-Bräu).
Die Zeit zwischen 1914 und 1939 war von gegenläufigen Entwicklungen in den beiden Hauptzweigen der Industrie geprägt. Während des Ersten Weltkriegs erlebte die Metall- und Maschinenbauindustrie durch Rüstungsaufträge einen Boom, während die Textilindustrie aufgrund von Baumwollmangel und behördlich verfügten Betriebseinschränkungen in eine schwere Krise geriet (Rückgang der Beschäftigtenzahl von 1914 bis April 1918 von rund 14.500 auf knapp 7000). Zwischen 1918 und 1933 kehrte sich die Entwicklung um: Die Maschinenindustrie erlitt nach einer vorübergehenden Hochkonjunktur 1921-1923 einen schweren wirtschaftlichen Einbruch, während die Textilindustrie die Krisenjahre der Hyperinflation von 1923 und der weltweiten wirtschaftlichen Depression von 1929-1933 relativ gut überstand. Bei der M.A.N., die sich im Weltkrieg zum Zentrum der Rüstungsindustrie, besonders der Produktion von U-Boot-Waffen und Artillerie entwickelt hatte und 1917/18 rund 10.000 Beschäftigte zählte, ging die Belegschaft bis 1925 auf rund 5000 und bis 1933, trotz der Fusion mit der Maschinenfabrik Riedinger (1927), auf nur noch 3500 Arbeiter zurück. Die Maschinenfabrik Epple & Buxbaum ging nach Massenentlassungen 1926 im Jahre 1931 in Konkurs, während die Belegschaft der Zahnräderfabrik Renk zwischen 1927 und 1933 um die Hälfte reduziert wurde. Insgesamt ging die Zahl der Beschäftigten in der Metallindustrie von 9300 Anfang 1929 auf 5530 im Febr. 1933 zurück. In der Textilbranche war die SWA 1933 mit 3450 Beschäftigten der größte Betrieb, während die Kammgarnspinnerei 2450 und die Baumwollspinnerei am Stadtbach rund 2000 Beschäftigte zählten. Kennzeichnend für die Zwischenkriegszeit war ferner ein Konzentrationsprozeß, der zum Anschluß Augsburger Industriebetriebe an Großkonzerne führte: An der M.A.N. hatte die Gute-Hoffnungshütte seit 1920 die Aktienmehrheit inne, während der oberschlesische Großindustrielle Dierig Mehrheitsbeteiligungen an der Mechanischen Weberei am Mühlbach in Pfersee (1917/18) und der Baumwollspinnerei am Stadtbach erwarb.
Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik betrieb seit 1933 neben der Forcierung des Wohnungsbaus vor allem eine einseitige Förderung der Schwer- und Rüstungsindustrie. Während Betriebe wie die M.A.N. und vor allem die 1932 Konkurs gegangenen und dann mit öffentlichen Mitteln sanierten Bayerischen Flugzeugwerke (seit 1938 Messerschmitt AG), die 1939 bereits größter Arbeitgeber Augsburgs waren und zum 'Nationalsozialistischen Musterbetrieb' deklariert wurden, davon profitierten, geriet die Textilindustrie aufgrund von Rohstoffkürzungen, die zu massenhafter Kurzarbeit und Betriebsstillegungen führten, in eine langfristige Krise. 1940 betrug die Kapazitätsauslastung der Augsburger Textilbetriebe nur noch 50 %. Die schlechte Lage der Branche führte zu einer - von den Machthabern erwünschten - Abwanderung von Arbeitskräften in die Rüstungsindustrie. Die Arbeiterschaft profitierte zwar von der Mitte der 1930er Jahre erreichten Vollbeschäftigung (nach 16.000 Arbeitslosen 1933), bezahlte dafür aber mit erheblichen Reallohneinbußen. Die Verlagerung von der Produktion für den zivilen Bedarf hin zur Rüstungsproduktion verstärkte sich seit 1939 weiter. Die Zahl der Beschäftigten in der Textilindustrie sank 1939-1941 von 12.200 auf 6900, und 1944 wurden mehrere Textilbetriebe stillgelegt. Der Einsatz von Tausenden von Konzentrationslagerhäftlingen als Hilfsarbeiter bei Messerschmitt und die Beschäftigung von Zwangsarbeitern in anderen Augsburger Betrieben während des Zweiten Weltkriegs gehören zu den dunkelsten Kapiteln in der Geschichte der städtischen Wirtschaft. Die alliierten Luftangriffe auf Augsburg, besonders im Febr. 1944, zerstörten den größten Teil der industriellen Kapazität. M.A.N., Kleindienst, Keller & Knappich, Messerschmitt und Haindl lagen großenteils in Schutt und Asche, in der Textilindustrie war die Zahl der Spindeln von 616.250 auf 264.000, die der Webstühle von 14.431 auf 9856 - ein großer Teil davon nicht betriebsfähig - zurückgegangen.
Augsburgs Wirtschaft seit 1945
Die Nachkriegszeit bis 1960 war einerseits durch den Wiederaufbau der traditionellen Branchen der Textil- und Maschinenbauindustrie, andererseits durch die Ansiedlung neuer Unternehmen und Industriezweige geprägt. Die Textilindustrie beschäftigte 1956 wieder fast 17.500 Menschen; in der SWA arbeiteten zu dieser Zeit 3350 Personen an 80.000 Spindeln und 2400 Webstühlen. In den 1950er Jahren zeichnete sich ein weiterer Konzentrationsprozeß in der Branche ab. Der Dierig-Konzern hatte 1951 die Webereien am Mühlbach, Senkelbach und Fichtelbach, die Spinnerei am Stadtbach und die Spinnerei Wertach zu einem Komplex mit 3200 Beschäftigten zusammengelegt, der zehn Jahre später einen Umsatz von rund 120 Mio. DM erzielte. Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen fusionierte mit der Ackermann AG Heilbronn zu einem der größten europäischen Nähfadenhersteller. Als Neuansiedlungen kamen im Bereich der Bekleidungsindustrie die Firmen Elbeo und Osdilo hinzu.
Seit den 1960er Jahren mußte die Textilindustrie infolge wachsender internationaler Konkurrenz einen erheblichen Umsatz- und Beschäftigungsrückgang hinnehmen, der zu weiterer Konzentration und Werksstillegungen führte, und den auch die erneute Umstellung und Spezialisierung der Produktion längerfristig nicht aufhalten konnte. Die Stillegungen der Spinnerei und Weberei am Sparrenlech (1969), des Augsburger Werks der Bemberg AG (1970/71), der zum Dierig-Konzern gehörenden Firmen Riedinger (1981) und Haunstetten Textil (1982), der Spinnerei und Weberei Pfersee (1992/93) und der NAK (1996) sowie der spektakuläre Zusammenbruch des Glöggler-Konzerns 1975, der wenige Jahre zuvor die SWA und die Kammgarnspinnerei erworben hatte, markieren den Niedergang eines Industriezweigs, der jahrhundertelang eine der tragenden Säulen der Augsburger Wirtschaft gewesen war. 1981 war die Zahl der Beschäftigten bereits auf unter 10.000 zurückgegangen, von 1989-1993 verminderte sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe nochmals um über 2000 auf nur noch 5791.
Der wirtschaftliche Aufschwung der Maschinenbaubranche nach Kriegsende erwies sich aufgrund der größeren Innovations- und Spezialisierungsmöglichkeiten als weit stärker und dauerhafter als derjenige der Textilbranche. Das Augsburger Werk der M.A.N. konnte seine Führungsrolle in der Herstellung von Großdieselmotoren und Druckmaschinen wiedererlangen und hatte sich bis 1956 mit rund 9500 Beschäftigten wieder als größter Betrieb der Stadt etabliert. Andere Firmen modernisierten bestehende Herstellungszweige und erweiterten ihre Produktion: Keller & Knappich z.B. auf Rundstrickmaschinen, Schreibmaschinen und vor allem auf Kommunalfahrzeuge, Renk auf Sondergetriebe und Radioteleskope, Kleindienst auf Autowaschanlagen. Die 1945 gegründete Firma Böhler & Weber (Böwe) etablierte sich mit der Herstellung von chemischen Reinigungsanlagen als zweitgrößtes Unternehmen im Bereich des Maschinenbaus, die Messerschmitt AG (1968 zur Messerschmitt-Bölkow-Blohm fusioniert) nahm seit den 1950er Jahren den Flugzeugbau wieder auf. Auch die Maschinenbauindustrie verzeichnet allerdings seit den 1960er Jahren aufgrund von innerbetrieblichen Rationalisierungsmaßnahmen und Auftragsrückgängen in einigen Bereichen sinkende Beschäftigtenzahlen. Allein zwischen 1989 und 1993 gingen in diesem Bereich über 7000 Arbeitsplätze verloren, was einem Rückgang von über 25 % entspricht. Erstmals etablierte sich nach dem Krieg auch die Elektrotechnik als bedeutender Produktionszweig. Die internationalen Konzerne National Cash Register (NCR, 1946), Siemens (1960) und Osram (1962) errichteten Produktionsanlagen, wobei sich Siemens und NCR seit den 1970er Jahren neben Kleindienst und Böwe auf die Wachstumszweige elektronische Datentechnik und Computerherstellung verlegten. Die Firma Erhardt und Leimer spezialisierte sich auf die Produktion von elektronischen und elektromechanischen Prüf-, Steuer- und Regelanlagen und -geräten. Im Gegensatz zum Maschinen- und Fahrzeugbau entstanden in den Bereichen Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik zwischen 1989 und 1993 4655 neue Arbeitsplätze (Zuwachs: 89,2 %).
Sowohl das kräftige Wachstum als auch der grundlegende Strukturwandel der Augsburger Wirtschaft hielten bis in die jüngste Vergangenheit an. Einige Zahlen mögen dies verdeutlichen: Das in der Stadt Augsburg erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt (Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen) stieg von 7,17 Mrd. DM 1980 auf 12,52 Mrd. DM im Jahre 1990. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätiger erhöhte sich im selben Zeitraum von 48.251 DM auf 79.512 DM. Den Bedeutungsverlust des produzierenden Gewerbes und den parallelen Bedeutungszuwachs des Dienstleistungssektors veranschaulicht die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen: Während die Zahl der im Produktionsbereich Beschäftigten zwischen 1970 und 1993 von 86.553 auf 59.999 zurückging, erhöhte sich die Zahl der in den Bereichen Handel, Verkehr und private Dienste arbeitenden Personen im gleichen Zeitraum von 51.715 auf 71.135 und die der bei Organisationen und Gebietskörperschaften Beschäftigten von 17.333 auf 32.405. So spiegelt auch die Augsburger Entwicklung das allgemeine Phänomen wider, daß die Industrie bei wachsender Produktion immer weniger Arbeitskräfte benötigt.
Fazit
Ein Überblick über Augsburgs wirtschaftliche Entwicklung zeigt zunächst, daß die Stadt keineswegs nur im 'goldenen' 16. Jahrhundert, dem 'Zeitalter der Fugger', ein Wirtschaftszentrum von überregionaler, in einigen Branchen von internationaler Bedeutung war. Dies gilt vor allem auch für das 18. Jahrhundert und die Zeit der Industrialisierung. Auffälligerweise wurde jede dieser Blütezeiten der Augsburger Wirtschaft von einer neuen Generation von Unternehmern getragen, von denen viele in die Stadt zugewandert waren. Die personellen Kontinuitäten zwischen diesen Wachstumsphasen waren nur sehr schwach ausgeprägt. Stärkere Kontinuitäten zeigen sich hingegen in der Bedeutung des Textilgewerbes, das jahrhundertelang das Rückgrat der städtischen Wirtschaftsentwicklung bildete, und des Bankwesens, von dem immer wieder Impulse zur wirtschaftlichen Innovation ausgingen. Die fruchtbare Verbindung von Bank- und Kreditgeschäft mit anderen Investitionszweigen - dem Montangeschäft im 16. Jahrhundert, dem Silberhandel und dem Kattundruck im 17. und 18. Jahrhundert und schließlich der Textil- und Maschinenbauindustrie im 19. Jahrhundert - dürfte ein wesentlicher Grund für die anhaltende wirtschaftliche Bedeutung der Stadt gewesen sein.
Nicht übersehen werden darf dabei allerdings, daß wirtschaftliche Entwicklung und unternehmerischer Erfolg erst in jüngerer Vergangenheit - streng genommen erst nach 1945 - auch der Masse der Bevölkerung zu echtem Wohlstand verhalfen. Die soziale Lage der Weber in der Frühen Neuzeit und der Fabrikarbeiter im 19. und frühen 20. Jahrhundert zeigt, daß der Reichtum Weniger und die Armut Vieler in Augsburg jahrhundertelang nebeneinander einhergingen. Ob der allgemeine Wohlstand der Nachkriegszeit ein dauerhaftes oder nur ein temporäres Phänomen ist, muß die Zukunft erweisen.