von Bruno Bushart

Es gibt wenige Städte in Deutschland, für deren Geschichte die Kunst eine wichtigere Rolle spielt als Augsburg. Jahrhundertelang bildete hier die Kunst einen unersetzlichen Faktor der Stadtpolitik. Zeugnisse Augsburger Kunstfertigkeit sind heute in zahlreichen Museen der Welt anzutreffen. Noch immer stellt die Kunst Augsburgs ein wertbeständiges Kapital dar. Die Kenntnis ihrer Geschichte ist nicht nur eine unverzichtbare Voraussetzung für dessen Erhaltung, sondern zugleich eine Hilfe beim Gebrauch dieses Lexikons.

Prophetenfenster im südlichen Mittelschiff des Doms, 12. Jahrhundert
Prophetenfenster im südlichen Mittelschiff des Doms, 12. Jahrhundert
 

Kunst im Dienste der Kirche

Das Territorium der mittelalterlichen Bischofsstadt mit Domkirche, Taufkirche, Domkloster, Burg, Friedhof, den Häusern der Geistlichkeit und der Ministerialen war zunächst beträchtlich kleiner als das der römischen Provinzmetropole. Erst im Laufe des hohen Mittelalters wurde das Areal der antiken Stadt wieder flächendeckend besiedelt. Die Bischofsstadt entstand vermutlich mit dem Bau des karolingischen Doms unter Bischof Simpert (778-807?). Sie besaß annähernd ovalen Umriß und war mit palisadenbewehrten Wällen und Gräben, seit Bischof Ulrich († 973) mit Mauern und Toren befestigt. Eine langgezogene Straße verband sie mit dem zweiten Siedlungszentrum im Süden, der aus einem römischen Friedhof hervorgewachsenen Grabes- und Wallfahrtskirche der hl. Afra. Zum Umfeld dieses schon in der Merowingerzeit bezeugten Heiligtums gehörten wohl die karolingischen, vielleicht sogar älteren Anlagen von St. Godehard und einer Jakobskapelle. Ungeklärt ist das Alter der bei St. Gallus und St. Stephan ergrabenen Gebäude- und Wandmalereifragmente (Römisches Museum). Die Fundamente des angeblich frühchristlichen Taufbeckens und der 'Priesterbank' in der abgerissenen Johanneskirche auf dem Fronhof dürfen wohl ebenfalls der Karolingerzeit zugewiesen werden.

An Kunstwerken des frühen Mittelalters blieb wenig erhalten. Die wichtigsten Objekte sind die karolingische Reliefplatte mit Flechtbandmuster aus der westlichen Domkrypta, das im Stil der karolingischen Hofkunst ausgestattete Evangeliar des Bischofs Hanto (Bayerische Staatsbibliothek) und das durch Goldfäden und Perlen ausgezeichnete Zingulum, das Königin Hemma zwischen 867 und 876 Bischof Witgar geschenkt hatte (Diözesanmuseum). Ein überraschend großer Bestand an liturgischen Gewändern und Geräten, großenteils aus importierten Stoffen, läßt sich mit der Person des hl. Ulrich verbinden (Diözesanmuseum, St. Ulrich und Afra). Über die Existenz eigener Kunstwerkstätten in Augsburg geben sie keine Auskunft.

Neue Kirchen- und Klostergründungen außerhalb der Domstadt nach dem Ende der Ungarneinfälle (1019 St. Moritz, 1067 St. Peter am Perlach, vor 1077 St. Martin am Kesselmarkt, 1071 St. Gertrud, 1135/42 St. Georg, 1159/67 Heilig Kreuz) sprechen für das rasche Wachstum der Stadt; sie brachten zahlreiche Aufträge für die Kunst. Der bedeutendste Neubau dieser Zeit ist die 1065 geweihte Kathedralkirche. Mit ihren zwei Chören, dem ausladenden Querhaus im Westen, dem Turmpaar im Osten und dem dreischiffigen, flachgedeckten Langhaus darf sie - nicht zuletzt dank der ausgeglichenen Proportionen und der ebenso zeit- wie landschaftsgebundenen Schlichtheit - als ein hervorragendes Beispiel ottonischer Architektur bezeichnet werden. Die innere Westkrypta weist einen zentralisierenden Grundriß auf, der vierschiffige Säulenwald der äußeren Krypta kam vor allem der Verlängerung und Niveauanhebung des Westchors im 12. Jahrhundert zugute. Die 1934 freigelegten Fragmente gemalter Wandfriese, die an die Fresken von Reichenau-Oberzell und Konstanz erinnern, gehören ebenfalls zur ursprünglichen Ausstattung, desgleichen die berühmte Bronzetür (Diözesanmuseum) mit den 35 Reliefplatten und den beiden Löwenköpfen als Türziehern. Obgleich Technik, Aufbau und ikonographisches System auf Italien weisen, ist ihr Entstehungsort bis heute unbekannt. Einer jüngeren Stilstufe werden die fünf feierlichen Prophetenfenster im südlichen Obergaden des Mittelschiffes zugeordnet. Als die ältesten und eindrucksvollsten Zeugnisse der Glasmalerei großen Formats gehören sie zu den Spitzenleistungen der hochromanischen Kunst in Deutschland. Unter den übrigen romanischen Kunstwerken des Doms seien der von Löwen getragene Bischofsthron im Scheitel des Westchors, der steinerne Säulenbaldachin an seiner Südwand, die Löwenmasken des Südportals am Ostchor, die drei kupfervergoldeten 'Matres-Plättchen' von einem Reliquienkästchen wohl aus der Westkrypta (Diözesanmuseum) oder die beiden 'Theophilusglocken' im Nordturm hervorgehoben.

Von dem zweiten Großbau, der 1187 geweihten Doppelkirche St. Ulrich und Afra, ist nichts übriggeblieben. Ihre eigentümliche Bauform erklärt sich aus der Bestimmung als Grabes- und Wallfahrtskirche der beiden Diözesanpatrone. Einzig von der gleichzeitigen Brunnenkapelle des Kreuzgangs hat sich das Tympanonrelief mit einer ikonographisch ungewöhnlichen 'Fußwaschung Petri' (Maximilianmuseum) erhalten. 1183 wurde die im Grabe des hl. Ulrich gefundene Silberschale in einen großen Kelch mit Edelsteinen, Bergkristallnodus und gravierten Silberplättchen eingefügt (St. Ulrich und Afra). An den feierlichen Stil der Prophetenfenster im Dom erinnert die gravierte Gestalt des hl. Ulrich auf der Deckplatte seines Kupfersarges, den Kaiser Friedrich Barbarossa und drei Bischöfe an Ostern 1187 in die Gruft getragen hatten. Von den ehemals zwölf großen bestickten Behängen, die Abt Udalschalk (1174-1179) zusammen mit vier Fastentüchern hatte anfertigen lassen, kennen wir wenigstens die Namen derer, die dem Abt die Leinwand anbieten, 'Scuiger', 'Cunrat', 'Christina' und 'Gerunc', als Maler und Sticker den Klosterbruder Beretha.
 
Die Markt- und Stiftskirche St. Peter am Perlach erhielt 1182 einen ungewöhnlichen Neubau, eine dreischiffige Pfeilerhalle mit Gratgewölben und westlicher Empore, die den früh schon als Wachturm der Stadt dienenden hohen Turm trägt. Die kleine Tonfigur eines thronenden Christus als Weltenrichter (Original im Maximilianmuseum), ehemals im rundbogengeschmückten Ostgiebel, geht, ähnlich der Architektur, auf schwäbisch-bayerische Vorbilder zurück. Ein seltenes Beispiel des spätromanischen Linearstils sind die - restaurierten - Malereifragmente an den Pfeilerstirnen. Auch in St. Moritz, St. Georg und Heilig Kreuz stößt der aufmerksame Besucher immer wieder auf romanische Spolien. Aus Heilig Kreuz, wo ein Hostienfrevel eine vielbesuchte Wallfahrt ins Leben gerufen hatte, stammt das reliefgeschmückte Kästchen für das 'Wunderbarliche Gut' (Diözesanmuseum), dessen Inschriften 1205 nicht nur die Namen der Stifter und des Propstes, sondern erstmalig auch den des Künstlers nennen, des wohl in Augsburg ansässigen Goldschmiedes Konrad von Lindau.

Während die Hochterrasse zwischen der Domstadt und St. Ulrich und Afra vornehmlich der Niederlassung der Kaufleute und der Anlage von Marktplätzen für die hier mündenden Fernhandelsstraßen vorbehalten blieb, entwickelte sich längs der Lechkanäle der Unterstadt, durch deren Wasserkraft gefördert und zugleich geschützt, spätestens seit ottonischer Zeit ein betriebsames Handwerker- und Gewerbeviertel. Der verwinkelte Grundriß der Gassen, Straßen und Plätze um den Perlach mit dem Rathaus deutet auf den ältesten Teil der bürgerlichen Siedlung, die schon für die Zeit des hl. Ulrich bezeugt ist. Die regelmäßigere und geräumigere Anlage der Gassen westlich der Hauptachse zwischen St. Moritz und St. Ulrich und Afra spricht für einen planvollen Ausbau des Viertels. Eine gemeinsame Mauer umschloß, vielleicht schon zu Ende des 12. Jahrhunderts, die zusammengewachsenen weltlichen und geistlichen Bezirke. Seit dem frühen 13. Jahrhundert setzten die langgestreckten, steilen Baukörper der turmlosen Bettelordens- und Predigerkirchen, zumeist am Stadtrand in den Quartieren der ärmeren Bevölkerung gelegen, einen neuen Akzent. Demselben in Schwaben besonders beliebten basilikalen Typus folgen noch im 15. Jahrhundert die Stiftskirchen St. Moritz und St. Georg, während die alte Dominikanerkirche St. Magdalena eine zweischiffige Hallenkirche mit niedrigen Seitenkapellen in Art der Dominikanerkirche in Toulouse gewesen zu sein scheint. Nachdem im frühen 14. Jahrhundert die großflächige Frauenvorstadt nördlich des Doms und bis zur Jahrhundertmitte die tiefer gelegene, locker bebaute Vorstadt um St. Jakob (gestiftet 1348) in den Mauerbezirk aufgenommen und mit Türmen und Toren bewehrt worden war, hatte die Stadt ihren bis ins 19. Jahrhundert unveränderten Umfang und Grundriß erreicht.

Günther Zainer. Der Heiligen Leben, 1472
Günther Zainer. Der Heiligen Leben, 1472
Erhart Ratolt: Missale für Augsburg, 1496
Erhart Ratolt: Missale für Augsburg, 1496

Kunst zwischen Kirche und Bürgertum

Auch im späteren Mittelalter steht die Kunst in Augsburg weithin im Dienste der Kirche, wie denn ihre Bildinhalte überwiegend von der Religion bestimmt sind. Aber schon das größte Bauvorhaben dieser Zeit, die über hundert Jahre beanspruchende Gotisierung des Domes, d.h. seine Einwölbung, Verbreiterung und seit 1356 Verlängerung durch den hochragenden Kathedralchor im Osten (geweiht 1431), leidet unter den Machtkämpfen zwischen Bischof, Domkapitel, Stadt und Bürgerschaft. Das Ergebnis ist ein wenig überzeugendes Konglomerat gängiger Bauformen unterschiedlicher Qualität. Wahrscheinlich mangelte es sowohl auf seiten der Auftraggeber als auch der Werkstätten an klaren Vorstellungen über Ziel und Realisierbarkeit des Unternehmens. Die Architektur verrät schwäbische und rheinische, stadtkirchliche und zisterziensische Einflüsse, der Skulpturenschmuck der beiden Chorportale weist auf Rottweil und Ulm. Das Südquerschiff erhielt um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein aufwendiges Maßwerkfenster mit der Darstellung Mariä als Thron Salomonis nach oberrheinisch-elsässischen Vorbildern. Auch die spärlichen erhaltenen Glasmalereien des 15. Jahrhunderts werden auswärtigen Meistern, dem 'Meister der Münchner Frauenkirche' oder Peter Hemmel von Andlau zugeschrieben. Augsburger Werkstätten, die nach Hans Holbein d.Ä. arbeiteten, sind erst zu Ende des Jahrhunderts in einigen Scheiben des südlichen Seitenschiffs faßbar.

Obgleich der Bildersturm der Reformation den Bestand an mittelalterlichen Kunstwerken in der Domkirche größtenteils vernichtet hat, blieben beachtliche Ausstattungsstücke erhalten: die beiden Gestühle des Ost- und Westchors mit ihren figürlichen Schnitzereien, das filigrane Bronzeretabel von 1447 vom Hochaltar des Ostchors, der zierliche Kronleuchter aus Messing im Westchor, die unter der Übertünchung wiedergewonnenen Wandmalereien in der Krypta und um die Schlußsteine der Gewölbe, am östlichen Westchorpfeiler die drei Frauen am Grabe oder die Riesenfigur des hl. Christophorus von 1491 im südlichen Querschiff. Die drei Marienfiguren der Marienkapelle, des nördlichen und des südlichen Chorportals vertreten nicht nur Stufen der Entwicklung um die Mitte des 14. Jahrhunderts, sondern zeigen auch die Bandbreite der stilistischen Eigentümlichkeiten auf. Die stattliche Reihe von Grabdenkmälern in den Kapellen und im Kreuzgang läßt sich gelegentlich schon mit Künstlernamen verbinden. Meister Otto und Konrad schufen die eindrucksvolle Bronzeplatte mit der hinfälligen Gestalt des Bischofs Wolfhard von Roth († 1302). Dem vielbeschäftigten Maler und Bildhauer Ulrich Wolfhartshauser (nachweisbar 1422-1469) wird das aus der Goldschmiedekapelle übertragene Hochgrab für die Eheleute Hirn im nördlichen Querschiff zugewiesen. Seine vermutlichen Werkstattnachfolger aus der Familie Baierlein führten den feierlich zeremoniellen Stil der Augsburger Spätgotik bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts fort.

Die neuen künstlerischen Vorstellungen fanden ihre Wegbereiter in den der Bürgerschaft näherstehenden Bettel- und Predigerorden, besonders aber in dem nach Reichsunmittelbarkeit strebenden Benediktinerstift St. Ulrich und Afra. Die gewandelte Situation kennzeichnet am besten der Neubau der Klosterkirche ab 1467. Ungeachtet des damals in Süddeutschland führenden Bautypus der Hallenkirche und unbekümmert um die Sonderform des romanischen Vorgängerbaus entschieden sich die Auftraggeber für den traditionsreichen Typus der dreischiffigen Basilika mit Querschiff, ausgeschiedener Vierung, tiefem Presbyterium, polygonal schließendem Ostchor und (nicht ausgebautem) östlichem Turmpaar, dessen Untergeschoß in Art von Nebenchören gegen das Querschiff geöffnet ist. Außen erinnert der langgestreckte Baukörper durch die Parallelstellung von Sakristei und Chor an die Doppelkirche von 1187. Die Querschiffe nahmen die Altargräber der Kirchenpatrone auf, die südlichen Seitenschiffkapellen bezeichnen den Ort, wo die Leiber von vier weiteren Heiligen gefunden bzw. beigesetzt waren. Diese eigenwillige Verquickung von Lokal- und Ordenstradition mit der rationalen, spröden Formensprache der späten Gotik bestimmt den Eindruck geheimnisloser Nüchternheit und spröder Größe, trotz der geistvollen Figurationen der Gewölbe oder der phantasievollen Schmuckarchitektur des Simpertusbogens mit der Abtskapelle.

Wie bei den meisten Augsburger Kirchen entzieht sich die mittelalterliche Ausstattung unserer Kenntnis. Auch sie scheint zunächst wenig bodenständig gewesen zu sein. Bevorzugt waren Importe aus Böhmen und den Niederlanden sowie aus Ulm. Doch schon jener Niederländer, der um 1450 die beiden querformatigen Tafeln mit Szenen aus der Ulrichslegende (St. Ulrich und Afra) malte, dürfte sich in Augsburg niedergelassen und an einer der 'Meisterlin-Handschriften' von 1457 mitgearbeitet haben. Die rasch aufeinanderfolgenden Abschriften der 'Chronographia Augustensium' des Mönches Sigmund Meisterlin bemühen sich in ihren Illustrationen um wirklichkeitsgerechte Interpretationen der historischen oder legendären Ereignisse, um getreue Stadtansichten oder um die Darstellung von heimatlichen Landschaftsräumen. Eine Generation früher hatte bereits ein in Südtirol geschulter Maler in der Grabkapelle des Ehepaars Hirn bei St. Anna den 'Zug der Heiligen Drei Könige' in eine zerklüftete Felslandschaft mit Laub- und Nadelwäldern verlegt. Um 1467 richtete Abt Melchior von Stammheim, der Initiator des Neubaus, dem Reutlinger Buchdrucker Günther Zainer die erste Druckereiwerkstatt Augsburgs ein. Im Skriptorium des Klosters gelangte die kirchliche Buchmalerei zu einem letzten Höhepunkt. Während die Mönche vor allem für Inhalt und Schrift der Bücher zuständig waren, wurden für die Malereien, wie bei den übrigen Aufträgen, zunehmend Kräfte aus der Stadt herangezogen.

Neben den Ordensangehörigen zählten Patrizier wie Sigmund Gossembrot, Kaufleute, Zunftvorsteher, aber auch Bischöfe wie Kardinal Peter von Schaumberg zu den Förderern dieser frühen humanistischen Bestrebungen. Bei Fundamentierungsarbeiten zum Vorschein gekommene römische Denkmäler wurden nun nicht mehr zerstört oder zu Kalk verarbeitet, sondern als Zeugnisse des Altertums pietätvoll aufbewahrt oder in Neubauten eingemauert. Um 1460 ließ der Kaufmann Peter Egen die Varusschlacht an sein Haus malen, dazu das Bildnis der angeblich vorrömischen Stadtgöttin Cisa mit entblößter Brust. In der Amtsstube des Weberhauses (Bayerisches Nationalmuseum) stellte Peter Kaltenhofer 1457 an Wänden und Decke kritisch kommentierte Szenen aus dem Alten Testament - 'da adam hackht vnd eva spann, wer warn ein Edel-man' - und Geschichten aus dem Leben Alexanders des Großen dar, ferner Bildnisse jüdischer, griechischer und römischer Philosophen, Feldherrn und Fürsten sowie die christlichen Kaiser und Kurfürsten. Die Stadt erweiterte 1449 ihr steinernes Rathaus von 1385 zur repräsentativen Dreigiebelgruppe mit einem Glockenturm aus zierlichem Maßwerk.
Lassen sich für 1346 erst sieben Maler in Augsburg nachweisen, so sind um 1490 bereits etwa 50 zugelassen. Indessen können nur wenige der überlieferten Namen mit erhaltenen Werken verbunden werden. Die finanzielle Lage der Maler entwickelte sich überaus günstig. 1472/73 kauften sie sich, obwohl der Großzunft der Schmiede inkorporiert, ein Haus am Heiligkreuzertor. 1479 verfaßten sie eigene Statuten, die in dem fortan geführten 'Malerbuch' festgehalten wurden. Auch die Bildschnitzer, Glaser und Goldschläger schlossen sich ihrer Gemeinschaft an. Der einträglichste Erwerbszweig war die Goldschmiedekunst. Im Stadtbuch von 1276 dem Münzmeister zugeordnet, schließen sie sich 1368 zu einer eigenen Gesellschaft außerhalb der Zünfte zusammen, frei von Rats- und Gerichtspflichten. 1396 bereits stand ein Goldschmied an fünfter Stelle unter den Reichen der Stadt. 1447 erhielt die Gesellschaft eine eigene Stube auf dem Weinmarkt im Herzen der Stadt. 1485 erweiterten sie das ihrer Pflegschaft anvertraute 'Grabhaus' des Kramerehepaars Hirn bei St. Anna zur 'Goldschmiedekapelle'.
Grundlage der steigenden künstlerischen Produktion bildeten die immer mehr verfeinerten und spezialisierten Arbeitsmethoden der Werkstätten, die Jahrhunderte überdauernde Ehe zwischen Kunst, Handwerk, Unternehmergeist und weitschauender Politik. Die vielteiligen Flügelaltäre, die offenbar serienmäßig geschaffenen großen Tonskulpturen, der Buchdruck, die metallverarbeitenden Betriebe von den Plattnern bis zu den Goldschmieden, die Baumeister und Bauhütten, sie alle bedurften der Zusammenarbeit mit anderen Handwerkern, kapitalkräftigen Unternehmern und erfahrenen Kaufleuten. Immer mehr Künstler traten aus der Anonymität heraus, wenngleich sich ihre Werke erst vom letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts an eindeutiger fassen lassen.

Gebetbuch Kaiser Maximilians I., gedruckt 1513 von Hans Schönsperger d.Ä.
Gebetbuch Kaiser Maximilians I., gedruckt 1513 von Hans Schönsperger d.Ä.

Kunst der Maximilianzeit (1490-1530)

Nicht dem Rat, den Zünften oder der Kirche verdankt die Kunst ihren explosionsartigen Aufschwung seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, sondern dem Kaiser, seinem Berater und seinem Finanzier. Kaiser Maximilian I. verbrachte in der ihm ergebenen Stadt mehr Zeit seines Lebens als anderswo. 1492 trat er der Klostergemeinschaft von St. Ulrich und Afra bei, 1500 legte er den Grundstein zum Chor der Kirche, 1501 erwarb er für sich das Meutingsche Haus nahe Heilig Kreuz. Lorenz Helmschmied war seit 1491 sein Hofplattner, der Buchdrucker Hans Schönsperger wurde 1508 kaiserlicher Diener, der Bildhauer Gregor Erhart hieß 'des Kaisers Bildhauer', Hans Holbein d.Ä. erhielt von ihm einen Freiheitsbrief, Hans Burgkmair 1516 ein Wappen. Der Kaiser beteiligte sich 1491 an den Kosten für Georg Selds silberne Simpertusbüste in St. Ulrich und Afra, am Neubau der Dominikanerkirche, an den dortigen 'Vier Gülden Stein', dem einzigen Kaiserdenkmal, das zu seinen Lebzeiten und kurz danach realisiert wurde, sowie an seinem unvollendeten Reiterstandbild bei St. Ulrich und Afra.

Als Berater des Kaisers in historischen und genealogischen Fragen konnte der Ratsschreiber Konrad Peutinger bei der Vergabe der umfangreichen Aufträge entscheidend zugunsten Augsburger Künstler wirken. An den propagandistischen Unternehmungen des Kaisers, den Holzschnittillustrationen zum 'Theuerdank', 'Weißkunig', zu den 'Heiligen des Hauses Habsburg', zur 'Genealogie', und an dem großen 'Triumphzug' erhielten Burgkmair, Beck und Breu den Hauptanteil. Den Druck des kaiserlichen 'Gebetbuchs', zu dessen Illustration Burgkmair und Breu beigetragen hatten, sowie des 'Theuerdank' führte Schönsperger aus.
Schwerer zu fassen und unterschiedlicher motiviert ist der Anteil der Fugger. Daß Jakob Fugger der Reiche und seine Brüder als erste die vielseitigen Möglichkeiten und Wirkungen der Kunst erkannten und nutzten, steht außer Zweifel. Nicht weil sie - wie andere auch - Altäre und Kapellen stifteten oder ihr Bildnis verbreiten ließen, sondern weil sie die Kunst einsetzten als Mittel der Politik, als Kapitalanlage, als soziale Tat, als Ausweis der Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Elite Europas, als Ruhmestitel ihrer Person und ihrer Familie. Sie beschäftigten Jacopo Bellini in Venedig und Giulio Romano in Rom, Dürer und Vischer in Nürnberg, Burgkmair, Holbein, Breu, Daucher, Erhart, Loscher und Schwarz in Augsburg. Ihre Grabkapelle bei St. Anna, bei deren Planung Dürer eine gewichtige Stimme zugekommen war, ist das früheste Denkmal der Renaissance auf deutschem Boden, entstanden aufgrund einer fast zwanzigjährigen, intensiven Auseinandersetzung mit der italienischen Kunst. Auch Jakob Fuggers Stadthaus am Weinmarkt wurde keine Kopie eines venezianischen Palazzo, sondern trotz Damenhof, welscher Hauben und der 'appartamenti all'italianità' ein eigenständiges Architekturwerk neuen Typus. Die Fuggerei - eine geschlossene Siedlung für arme Leute - verrät niederländische Einflüsse, aber ihre Zweckmäßigkeit, Regelmäßigkeit und Geräumigkeit zeugen von demselben Gefühl für die Würde des Menschen wie das Stadtpalais ihres Stifters.

Das spätgotische Rathaus, in dem die Reichstage stattfanden, wurde 1515/16 außen und innen nach Peutingers Konzept prächtig ausgeschmückt unter Mitarbeit von Jörg Breu, Ulrich Apt, Ulrich Mauermüller, Hans Daucher, Hans Burgkmair, Jörg Muskat u.a. Seit 1508 markierten Zierbrunnen aus Marmor und anderem Material, mit bemalten Skulpturen oder Vergoldung, meist von Sebastian Loscher ausgeführt, die wichtigsten Plätze der Stadt. Die Friedhöfe wurden vor und an die Stadtmauern verlegt, die Marktplätze erweitert, neue Zeug- und Kornhäuser errichtet, die Befestigungen modernisiert. Der 'Alte Einlaß', ein angeblich auf Wunsch des Kaisers 1513/14 erbautes Nachttor mit kunstvollem Schließmechanismus, wurde bis ins 19. Jahrhundert mit Stolz vorgeführt. Ein großer Vogelschauplan, nach Angaben von Jörg Seld von dem anonymen 'Petrarca-Meister' auf zwölf Holzstöcke geschnitten, gibt mit höchster Wirklichkeitstreue das Bild der damaligen Stadt von Westen wieder.
Der private Hausbau folgte bereits der Sitte, die Fassaden mit Malereien und Skulpturen meist profaner Thematik zu schmücken. Erhalten blieben die beiden Prunkportale mit Wappenreliefs an der Ost- und Westseite des ehemaligen Fuggerhauses am Rindermarkt (Annastraße 19) oder der an dem Senioratsgebäude der Fuggerei wiederverwendete Maßwerkerker des Höchstätterhauses am Kesselmarkt mit seinen Gregor Erhart zugeschriebenen Reliefs.

Der Wohlstand der Bürgerstadt kam vor allem der kirchlichen Kunst zugute. Während die Chormauern von St. Ulrich und Afra emporwuchsen, gaben sich die Augustiner von Heilig Kreuz (ab 1492), die Dominikaner von St. Magdalena (1513-1515), die Dominikanerinnen von St. Katharina (1515/16) geräumige Neubauten vom Typus der drei- oder zweischiffigen Hallenkirche. Das Innere der Katharinenkirche muß als so vorbildlich empfunden worden sein, daß sie nicht nur Daniel Hopfer als Schauplatz für seine radierten Parabeln erwählte, sondern Caritas Pirkheimer Dürer während des Reichstags 1518 um Visierungen davon bat für den geplanten Neu- oder Umbau ihrer Nürnberger Clarissenkirche. Die Seitenkapellen der Neubauten wurden als Grabstätten an bürgerliche Stifter vergeben. Aufwendige Grabkapellen errichteten sich - neben den Fuggern - die Herwart bei St. Georg (1506), Jörg Regel d.J. bei den Karmeliten (1508), der Dompropst und spätere Kardinal Matthäus Lang auf dem Fronhof (1512/13). Keine Stadt in Deutschland kann eine ähnliche Blüte der kirchlichen Baukunst am Vorabend der Reformation aufweisen wie Augsburg.

Fuggerkapelle in St. Anna: Fronleichnamsgruppe von Hans Daucher
Fuggerkapelle in St. Anna: Fronleichnamsgruppe von Hans Daucher

Bei den Malern und Bildhauern nahmen die Altäre, Orgelflügel, Votivbilder, Sakramentshäuser, Kruzifixe, Heiligenfiguren, Totenschilde und Epitaphien den größten Teil ihres Schaffens ein. Profane Aufträge, das Individualporträt oder das Historienbild, mußten sich noch immer mit dem zweiten Platz begnügen. Den Malern - Burgkmair, seinem Schüler, dem 'Petrarcameister', Jörg Breu, Leonhard Beck oder den Mitgliedern der Hopferfamilie - brachte der steigende Bedarf an druckgraphischen Erzeugnissen eine einträgliche Erweiterung ihrer Aufgabengebiete. Sie erschlossen bisher wenig populäre Themenbereiche wie Mythologie, Geschichte, Allegorie, auch Schilderungen aus dem Alltagsleben, festlicher Gegenwartsereignisse oder fremder Völker, später vor allem theologische Streitschriften, einem größeren Interessentenkreis. Der unstete Hans Holbein d.Ä. lieferte Entwürfe und Vorlagen für unterschiedliche Kunstgattungen. Ähnliches Neuland eröffneten die kleinformatigen Reliefs aus Solnhofer Marmor oder in Holz, die Bildnismedaillen oder die als Kunstkammerstücke begehrten Kleinplastiken für die Bildhauer, für Gregor Erhart, Hans Daucher, Hans Schwarz oder Christoph Weiditz.

Obgleich der hohe Stand der Goldschmiedekunst durch zahlreiche Nachrichten belegt ist, vermitteln die erhaltenen Werke keine ausreichende Vorstellung. Die weltlichen Arbeiten scheinen zerstört zu sein, von den kirchlichen haben wenige überlebt. Gefragt waren Reliquiare, Altarretabel, Hausaltärchen, Relieftafeln, Monstranzen und sonstiges liturgisches Gerät, im profanen Bereich Kleinodien, Herrschaftsinsignien, Tischschmuck oder Trinkgefäße. Eine Beschauordnung, die die Vorlage der Werke zur Prüfung des Feingehalts an Silber und zur Kennzeichnung durch die Marken von Stadt und Meister festschrieb, wurde erstmalig 1529 - damals zählten die Goldschmiede 56 Meister - beschlossen, aber frühestens ab 1549 streng befolgt. Die berühmteste Werkstatt unterhielt der vielseitige Jörg Seld mit seinem Bruder Nikolaus.

Besser erging es den Werken der Plattnerkunst. Von den Prunkharnischen Lorenz und Kolman Helmschmieds blieben in den Waffenkammern von Wien und Madrid einige Prachtexemplare erhalten. Ihre Besteller waren ausschließlich Mitglieder der turnierfähigen internationalen Oberschicht, vom Kaiser bis zu den Bürgern. Manche Rüstungen waren mit Silber überzogen, mit Treibarbeiten oder geätzten Ornamenten geschmückt. Wie in Italien sollten die phantastisch geformten Harnische mit den Prunkrüstungen der Antike wetteifern.

Mit dem Tod Kaiser Maximilians 1519 und der Hinwendung der Bevölkerung zur Lehre Luthers und Zwinglis geriet die Kunst in eine ernste Krise. Die Stiftungen für Kirchenbauten und Kirchenausstattungen blieben aus. Der Bedarf an Altären, Votivbildern, kultischem Gerät oder Ornaten ging nach 1520 schlagartig zurück oder versiegte fast völlig. Der Weiterbau von St. Ulrich und Afra wurde eingestellt, erste Fälle von Bilderstürmerei ereigneten sich trotz des Verbotes durch den Rat. Jörg Breu und Daniel Hopfer bekannten sich offen zur Reformation.

Orgelflügel in St. Anna von Jörg Breu d.Ä.
Orgelflügel in St. Anna von Jörg Breu d.Ä.

Kunst im Zeichen der Konfessionsspaltung und der Reichstage (1530-1590)

Die schwierigsten Probleme stellte die Zeit zwischen 1530 und 1590. Obgleich der Wohlstand nicht nur der Reichen, sondern vor allem der Mittelschicht, die Spitze erreichte, nahm das künstlerische Leben einen anderen Verlauf, der die Zerrissenheit der politischen, konfessionellen und sozialen Verhältnisse widerspiegelt. Die Stadtgestalt wird den Anforderungen der modernen Verteidigungstechnik und der erhöhten Kriegsgefahr entsprechend korrigiert. Der Abbruch profanierter Kirchen oder Kapellen, die Verlegung von Friedhöfen oder gewerblichen Betrieben ermöglicht die Anlage größerer Plätze und breiterer Straßen. Von draußen her versinkt die Stadt hinter mächtigen Erdwällen, auf die die Kirchtürme und Giebel wie Zacken auf einen Reif aufgesteckt wirken.

In privilegierten Vierteln der Oberstadt entstehen repräsentative Wohnbauten für die Reichen. Der Heumarkt erhält durch das erkergeschmückte Haus des Lienhart von Boeckenstein (Maximilianmuseum, 1544/46), dem sich 1578 das behäbige Hainhoferhaus an der Stirnfront des Platzes zugesellt, großbürgerlichen Akzent. Das Eckhaus Bartholomäus Welsers (1539) an der Weismalergasse und das Haus der Bimmel am Hafnerberg (um 1545/50) schlossen sich mit ihren gestaffelten Kuben und Flachdachterrassen italienischen Vorbildern an. Die Fugger ließen sich mehrere Anwesen zu prächtigen Stadtresidenzen mit Arkadenhöfen ausbauen. Das Areal zwischen St. Moritz und St. Katharina nahm immer mehr den Charakter einer Fuggerstadt an. Anton Fugger hatte 1531 im Haus am Weinmarkt ein 'kaiserliches Palatium' als Wohnräume für Karl V. einrichten lassen. Hans Fuggers Stadtpalast (Zeughausplatz) enthielt in den italienisch dekorierten Erdgeschoßräumen die berühmte Kunst- und Raritätenkammer, in den beiden Obergeschossen den festlichen 'Goldenen Saal'. Die gepriesenen innerstädtischen Gärten - nicht nur der Fugger - bargen in ihren Bosketten, Grotten, Wasserspielen und Lusthäusern erlesene Kunstwerke der Gegenwart und der Antike. Von den Fassadenmalereien, zu denen Meister wie Christoph Amberger, Giulio Licinio, Hans Bocksberger oder Georg Pecham herangezogen wurden, blieb so gut wie nichts erhalten. Ein kleines, minuziös durchgearbeitetes Stadtmodell des 'teutschen Schuelhalters', Zeichners, Formschneiders und Verlegers Hans Rogel von 1560/63 (Maximilianmuseum) vermittelt, zumal in Verbindung mit seinem gleichzeitigen Vogelschauplan, eine plastische Vorstellung von der damaligen baulichen Gestalt der Stadt.

Die schwächsten Impulse gingen von den Kirchen aus. Bezeichnend für die zurückhaltende Baugesinnung ist die Spitzgiebelgruppe von Kloster und Kirche Maria Stern, deren kirchlicher Charakter nur an dem zierlichen Zwiebelturm des Johannes Holl (um 1573) abzulesen ist. Selbst die Jesuitenkirche (ab 1580) fügte sich mit ihrer turm- und schmucklosen Giebelfassade der Flucht der benachbarten Bürgerhäuser ein. Der Bildersturm, vom Rat 1537 halbherzig und keineswegs überraschend angeordnet, wurde zwar nicht radikal, aber zerstörerisch genug durchgeführt. Allein im Dom fielen ihm 30 Altäre zum Opfer. Nach der Rückkehr des katholischen Klerus und der Restitution der Kirchen 1548 griffen einige der neu angefertigten Altäre auf Typen der Zeit vor dem Bildersturm zurück. Christoph Ambergers Domaltar übernahm 1552 Form und Bildprogramm des zerstörten Holbeinaltars, der große Hochaltar von 1571 für St. Ulrich und Afra den Stil eines nahezu täuschend imitierten spätgotischen Flügelaltars. Der bevorzugte Altartypus indessen bestand aus mehreren übereinander angeordneten und schlicht gerahmten Bildertafeln oder Reliefs überwiegend christologischer Thematik. Nach der Wiedervereinigung der Lutheraner und Zwinglianer begann die Kunst allmählich auch in die protestantischen Kirchen einzuziehen, zunächst beschränkt auf gemalte Epitaphien mit spezifisch protestantischer Ikonographie oder auf schmucklose Abendmahlsgeräte.

Den Archivalien zufolge müßten die Jahrzehnte zwischen 1530 und 1590 ein Eldorado der Künstler in Augsburg gewesen sein. Gewiß zogen die Reichstage, die Fuggerhochzeiten und andere politische und gesellschaftliche Ereignisse bedeutende Künstler nach Augsburg: den Maler Tizian, der zweimal aus Venedig anreiste, seinen Mitarbeiter Lambert Sustris, Paris Bordone aus Venedig, Jan Vermeyen und wahrscheinlich Paulus Mor aus Brüssel, Jakob Seissenegger aus Wien, Georg Penz aus Nürnberg, den alten Lukas Cranach aus Weimar und wohl Hans Sebald Beham aus München, den Bildhauer Pier Leone aus Florenz oder den Medailleur Matthes Gebel aus Nürnberg. Die Einheimischen, die Maler Christoph Amberger und Jörg Sorg d.J., die Bildschnitzer Hans Kels, Christoph Weiditz, Joachim Forster oder Lorenz Stöer dagegen sind in zunehmendem Maße auf Aufträge außerhalb ihres Handwerks angewiesen.

Die großen Gewinner waren die Kunsthandwerker. In aller Welt berühmt wurden die Augsburger Kunstuhren, wissenschaftlichen Instrumente, Musikinstrumente, Musikautomaten, die Schmuck- und Prunkwaffen, Eisenschnittarbeiten, Kunstmöbel und Intarsienarbeiten, Brunnengüsse und vor allem die Goldschmiedewerke. Der Wert dieser Erzeugnisse lag weniger auf dem Gebiet der Wissenschaft oder der Zweckmäßigkeit, als in der geschmackvollen Kombination erlesener Materialien, komplizierter Mechanik und Technik mit überraschenden Effekten bei garantierter Solidität der Ausführung. Eine der Voraussetzungen wurde genannt: Die Vielfalt und das Zusammenwirken zahlreicher Spezialisten und Spezialhandwerker am Ort einschließlich der Entwerfer und Zeichner der Vorlagen. Eine andere bildeten die traditionellen Großhandelsverbindungen, die die bevorzugte Versorgung mit den oftmals seltenen ausländischen Materialien und den sicheren Absatz der Ware garantierten. Die dritte war eine perfekte Verleger- und Verkaufsorganisation mit langjährigen Verbindungen zu der meist hocharistokratischen Kundschaft auch außerhalb der Reichstage und Reichsversammlungen. Als diese nach der Jahrhundertmitte immer seltener und farbloser wurden, bewährten sich die Fugger erneut als Mäzene, indem sie ihre künstlerischen Ansprüche nicht dem lokalen Angebot anpaßten, sondern nach neuen Begabungen Ausschau hielten. Hans Fugger berief 1568 Friedrich Sustris, den Sohn des Lambert, aus Florenz zur Leitung der Ausstattungsarbeiten seines Hauses am Zeughausplatz. Seit 1569 arbeitete der Florentiner Bildhauer und Stukkator Carlo Pallago mit ihm zusammen. 1580 bestellte Hans Fugger bei Alessandro Vittoria in Venedig eine Altartafel aus vergoldeter Bronze (Chicago). 1581 schuf der aus Italien kommende Niederländer Hubert Gerhard den vielteiligen Gedenkaltar für Christoph Fugger (London), 1581-1594 den monumentalen Mars- und Venusbrunnen für Schloß Kirchheim (Bayerisches Nationalmuseum). Als Maler arbeiteten Hans von Aachen, Nicolas Juvenel, Paolo Fiamingo, Ludovico Pozzoserrato, Vinzenzo Campi, als Kistlerarchitekt Wendel Dietrich für die Fugger. Johannes Holl, obgleich Protestant, der 'tägliche Maur- und Werkmeister' der Fugger, führte mit Gerhard zusammen auch städtische Aufträge aus. Sustris malte für katholische und protestantische Kirchen. Wenngleich zunächst zurückhaltend und gleichsam unter Ausschluß der Öffentlichkeit, öffnet sich Augsburg doch vergleichsweise früh und vielleicht sogar als erste deutsche Stadt den zukunftsweisenden Formen und Ideen der internationalen Hofkunst.

Das neue Gesicht der Stadt und die zweite Blüte ihrer Kunst (1590-1650)

Hundert Jahre nach ihrem ersten Frühling setzt die Augsburger Kunst zu neuer Blüte an. Erstmalig steht der Rat der Reichsstadt an der Spitze der Auftraggeber. Den Auftakt bildeten die drei Prachtbrunnen an zentralen Stellen der Oberstadt mit ihren ursprünglich warmtonig schimmernden Bronzeskulpturen. Hubert Gerhard schuf den Augustusbrunnen auf dem Perlachplatz zum Gedenken des Stadtgründers (1588-1594), Adriaen de Vries zwischen Weberhaus und Schranne den Brunnen mit der Statue Merkurs, des Gottes der Kaufleute, (1596-1599) und vor dem Siegelhaus den Herkulesbrunnen (1596-1602), der die Dienstbarmachung des Wassers durch den Menschen verherrlicht. Anstelle der aufgelassenen Metzg sollte ein zweigeschossiger Loggiabau in Art der Libreria di San Marco in Venedig die Nordseite des Perlachplatzes abschließen. Joseph Heintz lieferte dazu meisterhafte Holzmodelle (Maximilianmuseum), die Ausführung als 'Neuer Bau' erfolgte aber erst 1614 und in vereinfachter Form durch Elias Holl. Dieser, seit 1602 Stadtwerkmeister, wurde der Architekt des neuen Augsburg. Nach dem Gießhaus mit Kanonenbohrturm (1601) und dem Neubau des einsturzgefährdeten Zunfthauses der Bäcker (1602) errichtete er nach Entwürfen von Matthäus Welser und Joseph Heintz das platzbeherrschende Siegelhaus am Weinmarkt (1604-1606, 1809 abgebrochen), dessen hochschwingender Giebel den mächtigen Bronzeadler von Hans Reichle (1606) trug (Maximilianmuseum). Auch Holls Neubau des Zeughauses (1602-1607) erhielt eine von Heintz entworfene, straff gegliederte Schauwand, deren dreiteilige Kolossalgruppe des hl. Michael zwischen zwei Putti im Kampf mit dem Satan Hans Reichles Hauptwerk wurde. 1606 folgte die endlich an den Vorderen Lech verlegte neue Metzg mit einem Bronzewappen von Reichle, 1611 die Barfüßerbrücke nach dem Vorbild der Rialtobrücke in Venedig. Im selben Jahr bereicherte Holl den Platz um den Herkulesbrunnen durch den wohl von Matthias Kager entworfenen Eckbau des Reichsstädtischen Kaufhauses. 1602 schon hatte er im Auftrag des Rates den Turm der Annakirche erhöht, das benachbarte Gymnasium bekam 1613-1616 einen Neubau. Gleichzeitig erhöhte er den Turm der Stadtbibliothek zu einem Observatorium. Beim Um- und Neubau der Stadttore samt Wachhäusern, Brücken und Bastionen verband Holl fortifikatorische Belange mit repräsentativer Form. Das Wertachbrucker Tor wurde 1605, das Klinkertor 1608, das Fischertor 1609, das 'Steffinger Törlein' und das Rote Tor als reifste Lösung 1622 errichtet. Den von seinem Vorgänger Jakob Eschay 1599 vollendeten, ob ihrer Technik berühmten Wassertürmen am Roten Tor stellte er die zierlichen Wassertürme am Gänsbühl und am Jakobertor gegenüber. Sein letztes Werk, die Vierflügelanlage des Heiliggeistspitals samt Kirche (1625-1630), konnte er nicht mehr vollenden.

Holls Name ist vor allem mit dem Neubau des Rathauses (1615-1620) und der Erhöhung des Perlachturms (1614-1616) verbunden. Der aus dem Abhang des Perlachberges frei emporsteigende Baukubus ist mit seinen weithin sichtbaren Giebeln und Türmen eine ebenso selbstverständlich wirkende wie genial durchdachte Meisterleistung der Profanarchitektur. Sein Herz bildet der zwei Geschosse einnehmende Goldene Saal für die offiziellen Empfänge, die Reichshandlungen und die Sitzungen des Großen Rats, umgeben von den vier 'Fürstenzimmern' für die Reichstage. An der Ausstattung (1619-1624) wurden die besten damals in Augsburg ansässigen Künstler beteiligt, die Bildhauer Christoph Murmann d.Ä., Kaspar Meneler, Hans Leonhard Gemelich und Christoph Angermayer, der Gießer Wolfgang Neidhart, die Schreiner Hans Schertlein d.J., Lorenz Bayer, Wolfgang Ebner, die Maler Hans Rottenhammer, Matthäus Gundelach, Hans Freiberger, Johann König und der Stadtmaler Matthias Kager, der die Leitung der Gesamtdekorationen innehatte und für die Deckenbilder des Goldenen Saales Entwürfe von Peter Candid verwendete.Kager und Freiberger wurden 1610/11 vom Rat beauftragt, die drei inneren Stadttore, die nicht mehr der Verteidigung dienten, mit Historien vornehmlich aus der Vergangenheit der Stadt und allegorischen Darstellungen zu bemalen, nachdem Holl sie zuvor, soweit möglich, zu großen Bildwänden umgebaut hatte. Schon 1605/07 hatte Kager die Fassadenmalereien des Weberhauses, das, wie die anderen Großzunfthäuser, seit 1548 der Stadt gehörte, geschaffen. 1610 richtete Holl auf dem Straßenplatz vor der evangelischen Ulrichskirche als Denkmal des römischen Ursprungs der Stadt die 'Steinerne Stadtpier' oder 'Columna' auf, die Joseph Heintz entworfen und Christoph Murmann ausgeführt hatte. Das neue Augsburg mit all seinen aktuellen Veränderungen zeigt der große 1626 von acht Kupferplatten gedruckte Vogelschauplan Lukas Kilians, den dieser dem Rat der Stadt widmete.

Zu den Ruhmestaten des Rats gehörten schließlich seine Bemühungen, namhafte Künstler, fast immer gegen den Protest der Zünfte, zur dauernden Niederlassung in Augsburg zu bewegen, anstatt die Großaufträge an auswärtige Kräfte vergeben zu müssen. Joseph Heintz aus Basel erheiratete sich 1598 das Bürgerrecht. Matthias Kager aus München erhielt 1603 Bürger- und Handwerksrecht in kürzester Frist. 1607 folgte Hans Rottenhammer samt Frau aus Venedig, 1611 Matthäus Gundelach aus Prag, 1614 Hans König aus Rom. 'Aus Bewilligung meiner Herren des Rats aus Gnaden' empfing der Maler Christian Steinmüller 1616 das Bürgerrecht, nachdem ihn die Zunft zuvor wegen unerlaubter Arbeit gestraft hatte. 1625 wurde mit Georg Petel aus Weilheim einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer als Meister zugelassen, weil 'dergleichen Künstler zue vnd nit von der Stadt zue promovieren sein'. Gegenüber den Aktivitäten der Reichsstadt scheint die kirchliche Kunsttätigkeit wenig ins Gewicht zu fallen. Wie aber die katholische Partei schon bei der Vergabe des Augustusbrunnens, beim Skulpturenprogramm des Zeughauses oder dem Bildprogramm des Goldenen Saals - Berater war der Jesuit Matthäus Rader - ihr Recht auf Mitsprache angemeldet hatte, so wußte sie sich bei der um 1590 einsetzenden Restauration der Kirche des Dienstes der Kunst zu versichern. Ihre stärkste Stütze fand sie wieder im Mäzenatentum der Fugger. In ihrem Auftrag malen Schwarz, Candid, Rottenhammer, Hans von Aachen oder Kager die Altarbilder, auf denen die Muttergottes über der Stadt Augsburg oder hoch in den Wolken schwebt. Giovanni Lanfrancos riesiges Hochaltarblatt von 1625 für die Dominikanerkirche (München-Nymphenburg, Christkönigskirche) oder das 1627 bei Rubens in Antwerpen bestellte Altarbild in Heilig Kreuz bestimmen den Typus des katholischen Hochaltargemäldes mit der Himmelfahrt Mariä für fast eineinhalb Jahrhunderte. In St. Ulrich und Afra waren die Bauarbeiten um 1560 bereits wieder aufgenommen und um 1603, im wesentlichen nach dem alten Plan, abgeschlossen worden. Im Chorbereich entstand durch die drei riesigen Schnitzaltäre Hans Deglers (1604, 1607) um den Kreuzaltar mit der majestätischen Bronzegruppe von Hans Reichle (1605) ein vielszeniges Theatrum sacrum entsprechend den Hauptfesten des Kirchenjahres. Typisch für Augsburg erscheint die volkstümliche Zurschaustellung eines wiedererstarkten Katholizismus, der in seiner Selbstgewißheit sogar auf konfessionelle Polemik verzichten kann.

1589 wurde die kleine St. Galluskirche mit einem feingliedrigen Stuck- und Terracottaschmuck erneuert, 1594 die Margarethenkirche. Elias Holl erbaute 1603/05 über ovalem Grundriß die Michaelskapelle auf dem katholischen Friedhof. Die Fugger stifteten in der Jakobervorstadt die Franziskanerkirche zum Heiligen Grab, heute St. Maximilian, wahrscheinlich nach einem Entwurf Jakob Dietrichs 1611-1613 ausgeführt. Dabei ist bemerkenswert, daß ein großer Teil der kirchlichen Aufträge an protestantische Künstler (z.B. Holl) ging, während andererseits die Katholiken (z.B. Petel) unbedenklich für die Protestanten arbeiteten.

Neben Reichsstadt und Kirche zählten die Fürsten und vornehmen Herren, die Kenner und Sammler zu den wichtigsten Kunden der einheimischen Werkstätten. Selbst der 30jährige Krieg mit seinen verheerenden Folgen für die Stadt konnte die steigende Nachfrage nicht unterbrechen. Der Patrizier Philipp Hainhofer, der als Diplomat, Kunstagent und Sammler mit den europäischen Höfen, mit Prag, Wien, Warschau, Kopenhagen, Braunschweig oder München in Kontakt stand, besorgte, vergab und überwachte die großen Aufträge an die Augsburger Künstler. Die kaiserlichen 'Verehrungen' an die Türkische Pforte wurden zumeist über die Reichspfennigmeister, Zacharias Geizkofler vor allem, den Augsburger Goldschmieden, Uhrmachern und Instrumentenbauern zugeleitet. Ähnliche Vergabefunktion übten die immer unentbehrlicher werdenden Silberhändler und Silberkrämer aus, Arnold d.Ä. und Christoph Schanternell, Philipp Holbein, Hans Pfleger oder Philipp Warmberger. Noch 1644 hatten die Goldschmiede so viele Aufträge, daß - nach Hainhofer - 'die kunstreichen Meister, dergleichen nit bald in anderen Städten zu finden sein, nit wissen, wie sie in Hosen stecken und sich wie die Herren halten'.

Höhepunkte der Gemeinschaftsleistung Augsburger Künstler bildeten die vielbewunderten Kunstschränke. 24 Meister hatten an dem nach siebenjähriger Arbeit 1617 fertiggestellten 'Pommerschen Kunstschrank' (ehemals Berlin) für Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin gearbeitet. Weitere Kabinettschränke haben sich in Florenz, Uppsala und Amsterdam erhalten. Noch 1646, in der schlimmsten Zeit des Krieges, lieferte der Kunsttischler Melchior Baumgartner ein solches Gemeinschaftswerk, einen großen Elfenbeinschrank mit Lapislazulifüllungen, an den Münchner Hof (Bayerisches Nationalmuseum). Die Mehrzahl dieser Kunstmöbel bestand aus teurem Ebenholz, das seit 1626 - ähnlich den Silberarbeiten und Prunkharnischen - nach der Prüfung durch die Geschaumeister mit zwei Stempeln gegen Fälschung zu sichern war. 1615 gab es in Augsburg 185 Goldschmiede, 122 Kistler, 50 Schlosser, 48 Bortenwirker, 44 Uhrmacher, 34 Maler. Zu den Goldschmieden kamen 106 Gesellen hinzu, ferner 22 Wappen-, Siegel- und Stempelschneider mit neun Gesellen. 1619 werden außerdem elf Steinschneider, drei Diamantenschneider, sechs Rubinschneider, 29 Maler und 38 Briefmaler gezählt.

Spätestens mit der Einnahme Augsburgs durch die Schweden 1632, im Grunde aber schon mit der Verkündigung und Durchführung des Restitutionsedikts 1629 endeten die goldenen Jahre der Augsburger Kunstgeschichte. Das dem evangelischen Gottesdienst überlassene Predigthaus bei St. Georg wurde 1629, die evangelische Heilig-Kreuz-Kirche 1630 abgebrochen, die übrigen evangelischen Kirchen vom Rat gesperrt. Holl wurde aus Glaubensgründen 1631 ehrenvoll aus dem Amt entlassen. Kager, der zeitweilig Bürgermeister war, verlor 1632 seine Ämter und wurde mit anderen katholischen Ratsmitgliedern der Konspiration verdächtigt. Sein protestantischer Vorgänger, der Goldschmied Christoph Lenker, erhielt unter den Schweden sein Amt zurück, um es 1635 erneut zu verlieren. Kager und Petel starben 1634 an der Pest, die Maler König, Steinmüller und der jüngere Joseph Heintz verließen Augsburg. Hainhofer, der 1635 seiner Ämter enthoben wurde, mußte seine Kunstsammlung verkaufen, andere Kunstkammern fielen der Plünderung zum Opfer oder gingen in den Kriegsereignissen unter. Die anschaulichste Darstellung der Schrecken des Krieges verdanken wir der Radierungsfolge des 'guet katholischen' Malers Hans Ulrich Franck, der 1638 unter Protest der Zunft und unter Protektion des nun wieder ausschließlich katholischen Rats von Kaufbeuren nach Augsburg übersiedelte.

Zeughaus, Entwurf von Josef Heintz (?)
Zeughaus, Entwurf von Josef Heintz (?)
Zeughaus, heutige Ansicht
Zeughaus, heutige Ansicht
 
Heinrich Manlich: Kugelfußbecher, 1680/85
Heinrich Manlich: Kugelfußbecher, 1680/85

Augsburger Barock (1650-1730)

Daß sich Augsburg trotz der katastrophalen Folgen des 30jährigen Krieges binnen kurzem wieder in die ersten Kunststätten Deutschlands einreihen konnte, ist vor allem dem zwar nicht reibungslosen, doch insgesamt weitblickenden Zusammenspiel von Rat, Handelsherren, Künstlern und Zünften zu verdanken. Wie früher förderte der Rat die Einbürgerung auswärtiger Künstler, wenn es sein mußte auch gegen den Einspruch der Zünfte. Fast alle namhaften Maler - Schönfeld, Sandrart, Spillenberger, Werner, Knappich, Heiss, Bergmüller - waren Zuwanderer, ebenso die Bildhauer Baur, Strauss, Zürn, Bendel oder die Goldschmiede Manlich, Wieland und Zeckel. Sandrart, Werner und Spillenberger brauchten das Bürgerrecht nicht zu erwerben, Heiss und Strauss waren als 'Beisitzer' zugelassen. Die meisten Maler - ob einheimische oder zugewanderte - hatten längere oder kürzere Zeit in den damaligen Zentren der Kunst in Italien, Frankreich, Flandern und Holland gearbeitet.

Hand in Hand damit ging der soziale Aufstieg der sich immer selbstbewußter von den reinen Handwerkern abhebenden Künstler. Viele entstammten großbürgerlichen Familien, Handels- oder Pfarrhäusern, dem Adel oder dem Patriziat. Künstler zu sein eröffnete die Aussicht auf überregionales Ansehen und finanziellen Erfolg. Kunstausstellungen und ehrenvolle Atelierbesuche kamen auf. Sandrarts Standardwerk, die großenteils in Augsburg entstandene, 1675 veröffentlichte 'Teutsche Akademie', enthält die Viten von Schönfeld, Werner, Mayr, Spillenberger, Heiss und anderen zeitgenössischen Augsburger Malern, manche mit ihrem Porträt, sowie Beschreibungen von Augsburger Kunstsammlungen. Schönfeld ließ sich als Adelsperson titulieren, Sandrart war Fürstlich Pfalz-Neuburgischer Rat, Umbach fürstbischöflicher Kammermaler, Bergmüller 'Capitain de la Ville' und 'Hochfürstlich Augspurgischer Cabinett- und Hofmaler'. Der Maler, Schabkünstler und Verleger Elias Christoph Heiss, ein Großneffe des Johann Heiss, erwarb sich ein solches Vermögen, daß er im vormaligen Boeckensteinhaus (Maximilianmuseum) eine Galerie für seine Gemäldesammlung einrichten und um 1706 von Melchior Steidl ausmalen lassen konnte. 1697 wurden sechs aus dem Goldschmiedestand hervorgegangene Silberhändler in den erblichen Adelsstand erhoben und 1706 zusammen mit drei weiteren Silberhändlern durch Kaiser Leopold I. auch ins Patriziat aufgenommen.

Eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Prosperität der Künstler war die Gründung der Kunstakademie, der zweiten in Deutschland. Die Initiative geht auf Joachim von Sandrart zurück, der 1662 bereits die Nürnberger Akademie ins Leben gerufen hatte. Die Akademie diente vor allem der Fortbildung der Künstler verschiedener Sparten durch Zeichnen nach lebendem Modell und Vorlagen. 1684 wurde die ursprünglich private Institution in den Schutz des evangelischen Ratsteils übernommen, der zwei Direktoren einsetzte. Ab 1710 stand sie als nunmehr öffentliche Anstalt unter der Leitung je eines katholischen und eines evangelischen Direktors. Wenngleich Besuch und Effizienz der Akademie nicht überliefert sind - nur Bergmüller ist für 1713/14 als Schüler ausgewiesen -, so äußerte sich doch in der Einrichtung und Unterhaltung der Wille des Rats, die Wettbewerbsfähigkeit der Augsburger Künstler zu steigern und zu sichern. Ähnliche Ziele, vielleicht im Zusammenwirken mit den Akademiebestrebungen, standen hinter den Aktivitäten der Verlegerstecher Melchior Küsel, Jeremias Wolff, Johann Ulrich Kraus, Christoph Weigel oder Bartholomäus Kilian. Die von ihnen ab etwa 1670 herausgegebenen Emblembücher, Bilderbibeln, Reiß- und Vorlagebücher, Architekturwerke und Kunstbücher vermittelten die Kenntnis der aktuellen Kunst außerhalb wie innerhalb Deutschlands. Für Liebhaber wie Künstler bestimmt, waren ihre Nutznießer gleicherweise Maler und Bildhauer wie Goldschmiede, Möbelschreiner, Kunstschlosser, Stukkatoren u.a. Kunsthandwerker. Darüber hinaus betätigten sich die ansässigen Maler und Bildhauer als Zeichner oder Bossierer für andere Kunstsparten. Umgekehrt ist von Goldschmieden wie Abraham (II) Drentwett, Albrecht Biller oder Johann Andreas Thelott bezeugt, daß sie Vorlagen auch für andere Künste lieferten.

Wichtigstes Ziel der Augsburger Künstler war mehr denn je die Steigerung des Exports. Die Maler konnten sich während der Wiederaufbauphase nach dem Krieg einträgliche Großaufträge der Kirchen, Klöster und Höfe sichern, wobei die Konfessionsfrage offenbar keine Rolle spielte. Als die benachbarten Zentren München und Innsbruck das Monopol in der neu aufblühenden Deckenmalerei an sich zu bringen drohten, reagierte Augsburg zunächst zögerlich. Johann Georg Knappich und der Akademiedirektor Johann Rieger beschränkten sich offenbar auf Deckenfresken kleineren Formats. Erst mit dem Zuzug Johann Georg Bergmüllers (1712/13), des Asamschülers Christoph Thomas Scheffler (1728) und des Bergmüller-Mitarbeiters Johann Georg Wolker (1720 bzw. 1729) gelingt es Augsburg, sich eine zeitweise sogar führende Position auf diesem Markt zu sichern. Einen unersetzlichen und wirtschaftlich ergiebigen Faktor bildete die Druckgraphik, angefangen von den Kupferstich- und Schabkunstbildnissen, den großformatigen Thesenblättern für die Universitäten, den autonomen Malerradierungen oder den Stichfolgen biblischer oder mythologischer Thematik bis zu den Buchillustrationen und den ungezählten, oft in Heimarbeit hergestellten Wallfahrts- und Heiligenbildern, die einen florierenden Hausierhandel auslösten. 61 Kupferstecher und 23 Kupferstichverleger sind 1730 in Augsburg bezeugt; ihre Produktivität und Expansion wird vom benachbarten Ausland in Zeiten des erstarkenden Merkantilismus mit wachsendem Unmut betrachtet.

Eng verbunden mit den graphischen Erzeugnissen blühen die Kunstzweige auf, die dem Prunk- und Repräsentationsbedürfnis der barocken Höfe und Kirchen zu genügen vermochten. Auf dem Gebiet des Möbels eröffneten sich neue Möglichkeiten durch die Nachahmung französischer Boullemöbel oder ostasiatischer Lackmöbel. Eine Augsburger Spezialität war die Herstellung von meist als Garnituren konzipierten Silbermöbeln, vom Thronsessel bis zu ganzen Saalausstattungen. Weitere Spezialitäten waren die in Möbel eingebauten Uhren und Spielwerke, die fürstlichen Tafelservices aus Silber oder Gold, die reichgestalteten Reiseservices und Toilettengarnituren, die Zeremonialwaffen wie das silberne 'Pfälzer Schwert' von 1653 (Residenzmuseum München) oder die Prunkwaffen. Eine Sonderstellung nehmen die mit miniaturhafter Feinheit ausgeführten Emaillemalereien - etwa von Johann Jakob (I) Priester - auf Goldschmiedegefäßen ein oder die 'Hausmalereien' der Familien Seutter und Aufenwerth, die unbemaltes Porzellan oder Fayencen mit goldenen oder silbernen Genredarstellungen, meist mit chinesischen Motiven schmückten und deswegen 'Goldchinesen' genannt wurden. Die für Augsburg typischen vollplastischen, manchmal überlebensgroßen Heiligenfiguren aus Silber, gemäldeähnliche Relieftafeln für Prunkplatten oder Antependien, die vielfigurigen Weihnachtskrippen oder sarkophagartigen Reliquienschreine waren Gemeinschaftswerke der Maler, Bildhauer und Goldschmiede.

Im Stadtbild dagegen hat der Barock kaum Spuren hinterlassen. Die einheitliche Neuausstattung des Domes mit Altären ab 1655 und die barocken Kapellenanbauten fielen - außer der Marienkapelle - der Purifizierung im 19. Jahrhundert zum Opfer. Ähnlich erging es der Barockisierung von St. Georg, St. Moritz, Heilig Kreuz, St. Katharina, St. Markus, die teils im 19. Jahrhundert, teils 1944 durch Bomben beseitigt wurden. Die 1666-1676 errichtete Karmelitenkirche wurde 1821, die 1700-1702 neugebaute Jesuitenkirche 1872 abgebrochen. Die 1716/24 unter Mitarbeit der Stukkatorenbrüder Anton, Franz Xaver d.Ä. und Johann Michael Feichtmayr und der Freskanten Bergmüller und Mack umgestaltete Dominikanerkirche wurde 1913 vor dem Verfall gerettet (heute Römisches Museum). Besser erging es den protestantischen Kirchen, die sich im 18. Jahrhundert ebenfalls in neuem Gewand mit prächtigen Altären, Kanzeln, Orgeln, Emporen und Gemälden präsentierten. Heilig Kreuz konnte schon 1652/53 mit Hilfe schwedischer Spenden neu errichtet werden, St. Ulrich wurde 1680 und 1709/10 neu gebaut, die Barfüßerkirche 1723/24 (1944 zerstört), die Jakobskirche 1726 (1944 zerstört) und zuletzt St. Anna 1748 barockisiert. Den palastartigen Neubau des Gasthofs zu den Drei Mohren (zerstört 1944) führte 1722/23 Johann Baptist Gunetzrhainer aus München aus.

Treppenhaus in der bischöflichen Residenz
Treppenhaus in der bischöflichen Residenz

Augsburger Rokoko und Reformversuche (1730-1806)

Das Rokoko brachte die letzte Blüte für die Kunst der Stadt. Ungeachtet der wachsenden Konkurrenz in den absolutistisch regierten Residenzen entwickelte Augsburg frische Aktivitäten und vermochte neue Interessenten- und Bestellerkreise anzusprechen. Am größten war die Wirkung der Augsburger Freskanten, deren Tätigkeitsbereich vom Niederrhein bis Südtirol, von Trier bis Breslau reichte. Ihren Vorzug bildete die scheinbar mühelose, einfallsreiche Auszierung von Kirchen, Kapellen, Schlössern, Sälen, Treppenhäusern, aber auch die bald bilderbuchartig erzählende, bald Architekturgliederung vortäuschende Fassadenmalerei an bürgerlichen Häusern. Die meisten, Johann Evangelist Holzer, Gottfried Bernhard Goetz, Matthäus Günther, Johann Wolfgang Baumgartner, Franz Sigrist, Josef Mages, Josef Christ, um nur die bekanntesten Meister zu nennen, waren von auswärts zugezogen. Auf dem Gebiet des Staffeleibildes erwarben sich die Porträtisten Gottfried Eichler d.Ä. und Franz Josef Degle, der Schlachtenmaler Georg Philipp (I) Rugendas, der Landschaftsmaler Jakob Christoph Weyermann oder der Tiermaler Johann Elias Ridinger überlokales Ansehen. Die Porträtisten George Desmarées, Anton Graff und Sophonias de Derichs arbeiteten nur vorübergehend in Augsburg.

Während die Freskomalerei durch die katholischen Direktoren Bergmüller, Günther und zuletzt Huber in der Reichsstädtischen Kunstakademie präsent war, vertraten die protestantischen Direktoren Rugendas, Ridinger, Johann Esaias Nilson und als letzter Johann Elias Haid dort vor allem das weite Feld der graphischen Künste. Noch immer war der Ausstoß an Druckgraphik unvorstellbar groß, ebenso die Auswirkung auf andere Zweige der Kunst. Kurz nach ihrer Erfindung in Frankreich erschienen 1732 die ersten Nachstiche von Rocailleornamenten in Augsburg. In den Stichen nach Baumgartner, Goetz, Nilson, Habermann oder Eichler breitet sich ein solcher Reichtum an Phantasie, unbefangener Erzählerfreude und ornamentaler, in die Bereiche des Surrealen vorstoßender Erfindungskraft aus, daß ihr Stil mit dem 'Augsburger Geschmack' gleichgesetzt - und mit diesem zusammen wenige Jahrzehnte später verlacht - wurde.

Auf dem Gebiet der Plastik konnte Augsburg in dem 1739 von München übersiedelten Flamen Egid Verhelst und seinen Söhnen Alois, Plazidus und Ignaz noch einmal Künstler von erstem Rang anziehen. Eng mit ihnen und den Freskanten zusammen arbeiteten die Gebrüder Feichtmayr, denen Spitzenwerke des süddeutschen Rokoko wie Dießen, Amorbach, Bruchsal, Zwiefalten, Ottobeuren oder Vierzehnheiligen ihre formvollendete Stuckzier und Stuckplastik verdanken. Auch die Wessobrunner Stukkatoren Ignaz Finsterwalder und Jakob Rauch ließen sich in Augsburg nieder. Die Leistungen Johann Andreas Schneidmanns beim Umbau der St. Anna-Kirche (1747/49) und des Köpfhauses oder der Hofbaumeister Benedikt Ettl beim Ausbau der Fürstbischöflichen Residenz (1743) und Franz Xaver Kleinhans beim Neubau von St. Stephan (1755; 1944 zerstört) sind bescheiden und wenig originell. Der Silberhändler und Bankier Benedikt Adam Freiherr Liebert von Liebenhofen ließ sein geräumiges Stadtpalais 1765 von dem Münchner Hofbaumeister Karl Albert von Lespillez, einem Cuvilliés-Schüler, entwerfen. Der lichtdurchflutete Festsaal, der zu den am besten erhaltenen des süddeutschen Rokoko zählt, wurde von Gregorio Guglielmi mit einem bravourösen Fresko, von Simpert und Franz Xaver Feichtmayr d.J. mit Stukkaturen und von Plazidus Verhelst mit Schnitzwerk ausgestattet.

Scheinbare Randgebiete wie das Hinterglasbild oder das Buntpapier erreichten den Rang von vollwertigen Kunstwerken. 1748 gründete Fürstbischof Joseph Ignaz Philipp von Hessen-Darmstadt eine Fayencemanufaktur im nahegelegenen Göggingen, deren Erzeugnisse sowohl für die Bedürfnisse des eigenen Hofes als auch zum Verkauf bestimmt waren. Auch die aufstrebenden Augsburger Kattunfabriken waren auf die Mitarbeit von Zeichnern, Formschneidern und Bildhauern angewiesen. In dem Betrieb Johann Heinrich von Schüles wurden Kattune mit Kupferplatten, ähnlich dem Kupferstich, bedruckt oder mit Gold und Silber bemalt. Der wegen seiner Erfindung geadelte Fabrikherr ließ sich 1770-1772 ein stattliches Fabrikgebäude als Dreiflügelanlage in den vereinfachten Formen eines Barockschlosses errichten und den Innenhof durch ein monumentales schmiedeeisernes Gitter abschließen. Auch die 1764/65 errichtete Kattunfabrik samt Wohnhaus der Familie Gleich-Gignoux folgt dem Typus eines Adelspalais mit reichgegliederten Schauseiten.

Tafelaufsatz mit höfischer Jagedgesellschaft. Silberarbeit von Salomon Dreyer, 1761/62
Tafelaufsatz mit höfischer Jagedgesellschaft. Silberarbeit von Salomon Dreyer, 1761/62

Noch stand das Goldschmiedegewerbe an der Spitze des künstlerischen Angebots, aber schon 1739 klagten die Handwerksverordneten über die wachsende Konkurrenz in Wien, Dresden, Berlin und an anderen Orten. Die Zahl der Meister, die 1740 mit 275 den Höchststand erreicht hatte, sank von Jahr zu Jahr. Die großen Staatsaufträge blieben aus, die Erzeugnisse der landesherrlichen Manufakturen drohten die teuren Importe zu verdrängen. Erfolgreich blieben die Augsburger durch ihre silbernen Tafelaufsätze in Gestalt luftiger Lauben mit Schäfer-, Musik- oder Jagdszenen. Zusammen mit den phantasievollen Deckelterrinen gehören sie zu den Meisterwerken des Rokoko. Auf dem Gebiet der kirchlichen Goldschmiedekunst konnte durch komplette Silberaltäre oder silberne Altaraufsätze für Dom- und Stiftskirchen sogar ein neues einträgliches Absatzgebiet erschlossen werden. Erstmalig versuchte die Stadt, die Bedeutung der Künstler durch Erhöhung ihres Standes anzuerkennen. 1735 wurden 'diejenigen Goldschmiede, Kupferstecher, Maler, Uhrmacher, Glockengießer u.a. dergleichen, die in der Stadt notorie in ihren Künsten excellieren und sonderbar berühmt sind', mit den Offizieren der Bürgermiliz zusammen zwischen den Stand der Kaufleute und den der Handwerker und Kramer eingeteilt. 1753/55 bereits hatten der Kupferstecher und Verleger Daniel Herz d.Ä. und sein gleichnamiger Sohn versucht, mittels eines kaiserlichen Privilegs eine neue Akademie, die 'Caesareo-Franciscae Artium liberalium Academia' ins Leben zu rufen. Sie sollte das handwerkliche und künstlerische Niveau der Augsburger Kupferstecher heben, junge talentierte und lernbegierige Leute fördern, eine Kunstzeitschrift herausgeben, einen 'Akademischen Kunstsaal' einrichten, Kunstpreise aussetzen und öffentliche Vorträge veranstalten. Der Plan fand außerhalb Augsburgs ein ungleich günstigeres Echo als bei den Künstlern, Gelehrten und Regierenden der Stadt. Besonders Mengs und Winckelmann setzten hohe Erwartungen in die Anstalt und versprachen sich einen fortschrittlichen Akademiebetrieb im Sinne der Aufklärung. Das Projekt zerschlug sich jedoch innerhalb weniger Jahre.

1778 endlich ergriff die Stadt auf Betreiben des Patriziers Paul von Stetten d.J. und nach stetigem Drängen der Akademiedirektoren Günther und Nilson Maßnahmen zur Belebung des Kunstbetriebs. Die Akademie erhielt neue Unterrichtsräume und Statuten, eine 'Privatgesellschaft zur Ermunterung der Künste' sollte die finanziellen Mittel erbringen, eine Zeichenschule für Handwerker gegründet werden. Obgleich die Zahl der Akademiebesucher wieder stieg, findet sich in der langen Liste außer Albrecht Adam, Franz Schwanthaler oder Josef Voltz kein Name, der in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Die Einengung auf die lokalen merkantilistischen Interessen erstickte die Freiheit der Kunst im Keim und machte Augsburg schon vor dem Ende der Reichsstadtsouveränität als überregionale Ausbildungsstätte für Künstler uninteressant.

Trotzdem konnte sich das Schaffen der Meister auf einem beachtlichen Niveau halten. Die Goldschmiede stellten sich rasch um auf die strengeren Formen und das zopfige Dekor des Klassizismus. Haupterzeugnisse waren silberne, manchmal vergoldete Tischservices. Hauptkunden waren deutsche und ausländische Höfe, insbesondere Rußland. 1806 wurden in Augsburg noch 119 Goldschmiede gezählt. Die privilegierte Fabrik des Goldschmiedemeisters Johann Alois Seethaler konnte 1814 noch 42 Silberarbeiter beschäftigen. Das Wachsporträt und die Porträtmedaille fanden in Johann Martin Bückle einen über Augsburg hinaus gesuchten Künstler.

Als Steinbildhauer machte sich Ignaz Ingerl einen Namen, was ihm die Titel eines Kurfürstlich Trierer und Fürstlich Oettingisch-Wallersteinischen Hofbildhauers einbrachte. Der letzte katholische Akademiedirektor, Johann Josef Anton Huber, ein Anhänger von Mengs, führte noch eine Reihe weltlicher und kirchlicher Fresken und Leinwandbilder in Augsburg und Umgebung aus. Zu Ende des 18. Jahrhunderts ging aber auch die Bedeutung der Kirche für die Kunst unter dem Einfluß der Aufklärung merklich zurück. Eine bleibende Frucht der Bemühungen um die Wiederbelebung der Augsburger Kunst sind die Forschungen und Bücher Paul von Stettens d.J. Trotz aller zeitbedingter Einseitigkeit mancher Urteile vermitteln sie bis heute die vollständige Übersicht über Augsburger Kunst und Künstler vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

Hotel Kaiserhof, 1892
Hotel Kaiserhof, 1892

Kunst in der bayerischen Provinzstadt und der Industriestadt

Auch nach dem Ende der Reichsstadt behauptet die Kunst einen wichtigen Platz im kulturellen Leben Augsburgs. Die Kunstakademie überlebte, wenngleich unter anderem Namen und mit anderen Zielen, bis heute als 'Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Augsburg'. Die Namen einiger ihrer ersten Lehrer, Johann Lorenz Rugendas, Johann Paul Thelott, Johann Georg Laminit, Matthias Gottfried Eichler, Johann Jakob und Christoph Andreas Nilson sprechen für den langwährenden Einfluß der reichsstädtischen Tradition. Die Malerei der späten Nazarener - Liberat Hundertpfund war einer ihrer Exponenten - fand in kirchlichen Kreisen Ermunterung und Aufträge. Der Historienmaler Ferdinand Wagner d.Ä. führte das Erbe der Fassadenmalerei fort. Den graphischen Künsten bot sich in der Lithographie, die in Augsburg früh gepflegt wurde, ein neues Betätigungsfeld. Trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, daß talentierte Künstler wie der Schlachtenmaler Albrecht Adam, der durch seine lebensnahen Bildreportagen Ibero-Amerikas berühmt gewordene Lorenz Rugendas oder der junge Franz Lenbach aus Schrobenhausen Augsburg nach kurzer Zeit verließen. Inwieweit die Augsburger Industrie und Wirtschaft, die Textilfabrikation oder die Bronzewarenfabrik August Riedingers von den einheimischen Künstlern und Kunstschülern Nutzen zog, bedarf noch der Untersuchung. Das Goldschmiedehandwerk, das 1825 noch 55 Meister zählte, war 1868, als die Innungen aufgelöst wurden, auf 28 Meister zurückgegangen. In dem Maße wie der merkantilistische Nutzen der Kunst aufhörte, schwanden ihre Existenzmöglichkeiten. Die neue Industrie und Wirtschaft benötigte sie nicht mehr, die künstlerischen Entscheidungen fielen außerhalb Augsburgs.

Früh schon entstanden, aus unterschiedlichen Motiven, öffentliche Sammlungen der Kunst und Altertümer. Die erste staatliche Gemäldesammlung Bayerns wurde 1806 im Rathaus eingerichtet und seit 1835 in der ehemaligen Katharinenkirche untergebracht. 1822 folgte die Stadt mit der Gründung des 'Antiquarium Romanum', das 1835 von dem im Jahr zuvor ins Leben gerufenen Historischen Verein für den Oberdonaukreis (heute Historischer Verein für Schwaben) und 1910, mit größeren Aufgabengebieten, von der Stadt übernommen wurde. Der 1833 konstituierte Kunstverein widmete sich der Pflege der Gegenwartskunst. 1907 schlossen sich die bildenden Künstler in Augsburg zur Künstlervereinigung 'Die Ecke' zusammen.

Bis etwa 1840 hatte die Stadt ihr gewohntes Erscheinungsbild bewahrt. Im Innern entstand durch Abbruch der Kapellen, Kirchen und der 'Gräbde' auf dem Fronhof ein öder Paradeplatz, der sich bis heute einer überzeugenden architektonischen Gestaltung entzieht. Der Beseitigung des Siegelhauses samt Wein- und Salzstadel und der steinernen 'Columna' vor St. Ulrich verdankt Augsburg die heutige Gestalt der Maximilianstraße. Die ersten repräsentativen Neubauten erhielt die nunmehr bayerische Provinzstadt im 1807/08 errichteten Zollamtsgebäude in der Hallstraße, in der 1828-1830 von Johann Nepomuk Pertsch erbauten Börse am Rathausplatz (zerstört 1944) und 1846 im Hauptbahnhof von Friedrich Bürklein am Rosenauberg, dem dienstältesten seiner Art in Deutschland. In der Jakobervorstadt ragte, als frühes Beispiel der Neugotik, seit 1859 der von Franz Joseph Kollmann realisierte monumentale Baukörper des Hauptkrankenhauses empor. Gottfried Neureuther plante den luxuriösen Renaissancepalazzo, den der Industrielle Ludwig August Riedinger 1863-1865 anstelle des mittelalterlichen Imhofhauses an der Karolinenstraße errichten ließ (1944 zerstört). Die monumentale, durch An- und Nebenbauten verdeckte Rückseite des Rathauses wurde 1882 freigeräumt, auf der Nordseite des so gewonnenen Elias-Holl-Platzes ein der Rathausarchitektur nachempfundenes Verwaltungsgebäude hochgeführt. Um den Neubau des Polizei- und späteren zweiten Verwaltungsgebäudes gegenüber dem Rathaus bewarben sich 1899 neben dem Stadtbaumeister Fritz Steinhäuser auch Gabriel von Seidl und Friedrich von Thiersch aus München. Von Steinhäuser ab 1902 in vereinfachter Form ausgeführt und nach 1944 seines Mittelgiebels beraubt, vermag der schwerfällige Block so wenig wie die Randbebauung mit Geschäftshäusern der durch den Abbruch der Börse und die Freilegung des Rathausplatzes übernommenen zentralen städtebaulichen Funktion zu genügen.

Die Aufhebung der Festungseigenschaft, die Genehmigung zum Abbruch der Befestigungen und zur Einebnung der Wälle und Gräben erfolgte erst ab 1860, obgleich das innerstädtische Heiligkreuzertor schon 1806/07, das Barfüßertor 1825/26 zerstört worden waren. Die äußeren Tore folgten 1862 bis 1874, das Frauentor der einstigen Domstadt sogar erst 1885. Damit war der Weg frei für die Erweiterung der Altstadt und die Anbindung der neuen Stadtteile. Durch eine breite Nordsüdachse, die heutige Konrad-Adenauer-Allee, Schießgraben- und Fuggerstraße und den Königsplatz als Verkehrszentrum und Ausgangspunkt der zum Bahnhof führenden Querachse entstand im Westen eine großbürgerliche Neustadt mit boulevardartigen, baumbestandenen Prachtstraßen, an denen sich Neubauten für Justiz, Archiv, Bibliothek, Schulen, Hotels und Theater ansiedelten. Im Süden der Stadt setzte sich das Militär, das auch das Ulrichskloster übernommen hatte, in zwei weitläufigen Kasernenkomplexen fest. Auf dem Gelände der 'Schwäbischen Kreisausstellung' (1886) erwuchs der Stadtgarten mit Teichen, Pavillons, Konzerthalle und Kaffeehaus, westlich davon der 'Wittelsbacher Park'. Das nach Zweckentfremdung und Brand 1995 wiedererstandene Kurhaustheater von Jean Keller (1880/86), eine bedeutende Eisen-, Glas- und Steinbaukonstruktion, gehörte mit 'Burg' (um 1890), simultaner Anstaltskirche (1885/87) und Wandelhalle zu dem stilistischen Konglomerat der gründerzeitlichen 'Hessing'schen Orthopädischen Heilanstalten' in Göggingen. Auch im Südosten wurden in den 1870er Jahren die Siebentischanlagen als freier Landschaftsgarten zur Verbindung von Altstadt und Siebentischwald gestaltet, während das östliche und vor allem das nördliche Vorgelände mit seinen Kanälen und Bächen von der Industrie besetzt wurde.

Schuberthof, 1928/29
Schuberthof, 1928/29


Erst 1904/13 wurde in wohlbedachter Kurvenführung die Bürgermeister-Fischer-Straße durchbrochen, um die alte Hauptachse der Maximilian- und Karolinenstraße an den Königsplatz anzuschließen. Ein weiterer Durchbruch bei St. Margareth verband ab 1935 die Obere Maximilianstraße mit der Ausfallstraße nach München. Der hybride Plan eines gigantischen Gauforums des 'Dritten Reiches' scheiterte an demselben Krieg, der wenige Jahre später (1944/45) die Stadt in Trümmer legte. Dennoch blieben nicht nur der Umriß des Altstadtkörpers, sondern auch seine Struktur und sein Erscheinungsbild zu großen Teilen gewahrt.

Die Entstehung neuer Stadtteile und die Ausdehnung der später eingemeindeten Vororte verschob das Schwergewicht der Neubautätigkeit auf die Randgebiete. Den Hauptanteil nahmen die ausgedehnten Industrieanlagen mit schloßartigen Fabrikgebäuden aus farbigem Ziegelstein oder in Stahlglaskonstruktion ein, von denen die meisten inzwischen abgerissen oder bis zur Unkenntlichkeit modernisiert wurden. In ihrem Gefolge entstehen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einheitlich gestaltete Arbeitersiedlungen, Wohnkolonien und Wohnhöfe von zum Teil hohem künstlerischen Anspruch.

Auf dem Sektor des Kirchenbaus setzen sich erst mit dem 20. Jahrhundert moderne Tendenzen durch, oft gegen den Widerstand der Bevölkerung. Die 1907 begonnene Herz-Jesu-Kirche von Michael Kurz stellt mit ihrer - leider nicht mehr völlig intakten - reichen Jugendstildekoration eines der interessantesten Beispiele der neuen Sakralkunst in Deutschland dar. Die 1914-1917 von Fritz Landauer errichtete Synagoge verbindet Elemente des Jugendstils und Raumvorstellungen orientalischer Zentralbauten in eindrucksvoller Feierlichkeit. Michael Kurz und Thomas Wechs schufen in den folgenden Jahrzehnten in den Vororten eine beachtenswerte Reihe meist in Ziegelstein errichteter Kirchen im Stil des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Auf dem Gebiet der Profanarchitektur verdienen technische Bauten wie das 1924/26 nach Entwurf und unter Leitung von Robert Vorhoelzer erstellte Telegraphenamt mit seinen eindrucksvollen Treppenhäusern oder die ehemalige Kraftwagenhalle samt Telegraphenbauamt von Georg Werner (1927) Aufmerksamkeit. Die Bauunternehmungen der Nachkriegszeit dagegen übersteigen, vielleicht nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, nur selten das Mittelmaß.