Zobel

(’von Pfersee’), Kaufmanns-, Patrizierfamilie

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1559-1689 in Augsburg nachweisbar; 1559 Kaufleutestube; 1590 Herrenstube; 1632-1635 Patriziat (’Schwedische Geschlechter’), 1649 erneute Aufnahme ins Patriziat. Der aus Wertach (Allgäu) stammende Martin (I, * 1530, † 1584) erwarb durch Heirat mit Helena Occo Augsburger Bürgerrecht. Anfänglich mit Thomas Stahel († 1565) assoziiert, ist er ab 1570 mit einer eigenen Firma fassbar, an der von den Schwägern wohl Georg Sigmund Österreicher (1570), dann Hans Retzer (1578), zeitweilig vielleicht auch David Berckmüller beteiligt waren. Belegt ist vor allem Handel mit Stoffen (Samt, Seide), die aus Italien bezogen wurden. Daneben hatte sich ’Merten Zobel von Augsburg und Mitverwandte’ schon vor 1584 am Zinnbergbau in Altenberg (Sachsen) beteiligt. Der Vertrieb der Waren erfolgte einerseits über die traditionellen Messezentren; daneben begann man sich über Lübeck, Danzig, Krakau und Breslau auch einen direkten Zugang zu den Märkten des Nordens und Ostens zu erschließen. Den Erfolg der Firma spiegeln die Steuerdaten. Martin hatte 1560 nur 7500 fl (davon 7000 fl Aussteuer der beiden Eltern) versteuert; 1583 zahlte er und nach ihm seine Witwe die ’Reiche Steuer’. 1579 hatte er von den Katzbeck Pfersee erworben, dessen Schloss er zu einem repräsentativen Sitz ausbauen ließ. 1578 stiftete er ein Pilgerhaus, 1580 beteiligte er sich an der Gründung des Anna-Kollegs. Die Witwe übergab um 1586 die Leitung der Firma dem einzigen Sohn Martin (II, * 1566, † 1625), der in Lucca zum Kaufmann ausgebildet worden war. Wichtigster Geschäftsbereich war wohl weiterhin der Handel mit kostbaren Stoffen; allerdings deuten Verhandlungen über Quecksilberverträge (1602), der Kauf eines Zinnbergwerks mit den Palern (1613), die Erwähnung eines Salzbergwerks in Roche (Schweiz) auf Ausweitung des Metallhandels bzw. des Montanbereichs hin. Unter Martin (II) ist die größte Ausdehnung des Zobelschen Handels belegt, der nun intensiv Italien (Genua, Venedig, Florenz, Lucca), den Nordseeraum (Delft, Middelburg, London, Hamburg), den Ostseeraum (Kopenhagen, Stettin, Rostock, Danzig und Preußen, Livland, Litauen) und Osteuropa (Prag) erfasste. Auch Martin (II) entrichtete, nachdem 1603 die Mutter verstorben war, bis zu seinem Tod die ’Reiche Steuer’ und zählte damit zu den acht reichsten Augsburger Bürgern. Das 1627 geteilte Vermögen von ca. 170.000 fl (davon 90.000 fl ’Liegend Gut’!) lässt schon einen leichten Rückgang erkennen. Bei den Söhnen Adolf (I, † 1635) und Martin (III, † 1665), die etwas mehr als die Hälfte des Erbes erhielten, folgte in den 1630er Jahren der Einbruch. Die Vorgänge sind bislang nicht geklärt, möglicherweise musste in dieser Zeit die Firma liquidiert werden. Übrig geblieben war 1639 offensichtlich nur Grundbesitz: in der Größenordnung von 11.000 fl bei Martin (III), von 17.000 fl bei den Erben Adolfs. Unter seinen Söhnen Friedrich, Adolf (II) und Martin (IV) wurde Pfersee geteilt, wobei Adolf (II, * 1631, † 1689), nachdem Martin in der Schweiz verunglückt war, auch dessen Drittel übernahm. Die während der schwedischen Besatzung erfolgte Aufnahme der Zobel ins Patriziat blieb anfänglich Episode, wurde aber 1649 nach Einführung der Parität erneuert. Bedeutung erlangte dies für Adolf, der politisch Karriere machte und Bürgermeister sowie Mitglied des Geheimen Rates wurde. Der ältere Bruder Friedrich († 1655) war schon nach kurzer Ehe verstorben, die Erben (Witwe) veräußerten ihr Drittel von Pfersee an den Bischof. Adolf gelang es, nach günstiger Heirat seine wirtschaftliche Lage wieder zu stabilisieren. Sein Anschlagvermögen stieg bis 1674 auf ca. 25.000 fl (16. Stelle). Wohl er erwarb vor 1679 auch Meitingen. Nachdem mit Adolf (III, * 1657, † 1679) das letzte seiner Kinder früh gestorben war, folgte die Liquidation des Grundbesitzes. Die beiden Drittel von Pfersee mit dem Schloss wurden 1682 an die St. Jakobspfründe (Paritätische St. Jakobsstiftung), Meitingen an das Heilig-Geist-Spital veräußert. Adolfs Witwe Anna Regina Walther bedachte 1699 verschiedene karitative Einrichtungen der Stadt mit einem Legat von 4000 fl, der Großteil des bedeutenden Vermögens diente wohl zur Fundierung der ’Anna Zobelschen Stiftung’.
  • Zobelstraße (Am Schäfflerbach, Amtlicher Stadtplan K, L 9), benannt nach Martin (I).

Literatur:

Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichsstadt Augsburg, 1762, 317 f.

Anton Werner, Die örtlichen Stiftungen für die Zwecke des Unterrichts und der Wohltätigkeit in der Stadt Augsburg, 1899, 56

Josef Hagl, Entwicklung des Augsburger Großkapitals […] 1540-1618, München Diss. 1924, 128-131

Anton Mayr, Die großen Augsburger Vermögen 1618 bis 1717, 1931, 98-103

Helene Burger, Das evangenlische Wesensarchiv in Augsburg, 1941, 142 f.

Christel Warnemünde, Augsburger Handel in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts und dem beginnenden 17. Jahrhundert, 1956, 166-168

Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts, 1996, 1001-1006.

Martin (I) Zobel