Wilhelm
Autor: M.A. Renate Pfeuffer
Stand/Quelle/Datum: 7.11.2011
- 1) Christian * 5.9.1723 Augsburg, † 25.11.1804 Augsburg, Kupferstecher und Kunstverleger. Sohn des Kupferstechers Tobias Wilhelm, Schüler von Johann Georg Ringlin, Philipp Andreas Kilian und Martin Engelbrecht. 1754 Heirat mit Engelbrechts dritter Tochter Johanna Maria Christiana (1736-1783), acht überlebende Kinder. 1758 Übernahme der Kunsthandlung seines Schwiegervaters (Lit. G 90) als Alleininhaber. Mitglied der Kaiserlich Franciscischen Akademie.
- 2) Abraham Christian, * 14.3.1756 Augsburg, † 12.3.1796 Augsburg, Kupferstecher, Kunstverleger, Zeichenlehrer. Ältester Sohn von 1). Erlernte bei Gottfried Eichler d. J. das Zeichnen und Kupferstechen. Seit 1780 Vertreter des Lehrers in der Zeichnungsschule des Gymnasiums bei St. Anna Emanuel Eichel d. J. (1717-1782) und seit 1782 dessen Nachfolger. Seit Dezember 1786 Mitglied der von Christian Jakob Wagenseil gegründeten Freimaurerloge ‚Charlotte zu den drey Sternen‘ in Kaufbeuren. Von 1792 bis zu seinem Tod Herausgeber und Verleger der ‚Unterhaltungen aus der Naturgeschichte‘ seines Bruders Gottlieb Tobias. Blieb unverheiratet.
- 3) Paul Martin, * 31.8.1757 Augsburg, † 28.5.1823 Augsburg, Kupferstecher, Kunstverleger. Sohn von 1). 1787 Übernahme der Kunsthandlung seines Vaters und Heirat mit Jakobina Barbara Mair († 1788), ein Sohn. Seit 1798 zweite Ehe mit Regina Eleonora Henricka Christiana von Preu († 1805) aus Harburg, drei überlebende Kinder. Rühriger Unternehmer, der seinen renommierten Kunstverlag erfolgreich durch die Krisenjahre am Ende der reichsstädtischen Zeit führte. Verleger der ‚Unterhaltungen aus der Naturgeschichte‘ seines Bruders Gottlieb Tobias. 1822 Übergabe der Kunsthandlung an den Sohn aus erster Ehe, Jacob Christian Martin.
- 4) Gottlieb Tobias, * 16.10.1758 Augsburg, † 12.12.1811 ebenda, evangelischer Theologe, Naturhistoriker, Aufklärer. Sohn von 1). 1769-1777 Schulzeit am Gymnasium bei St. Anna und im Anna-Kolleg, 1777-1781 Studium der Theologie, Philosophie und Philologie in Leipzig. 1782/83 Aushilfslehrer am Anna-Gymnasium, 1783-1786 Hospitaladjunkt, 1786-1796 Diakon der Barfüßer-Pfarrei, 1796-1806 Diakon bei St. Jakob, 1806-1811 Pfarrer an der Barfüßerkirche. 1787 Heirat mit Christina Regina Johanna Preu (1758-1820) aus Harburg, keine Kinder. Beliebter Prediger, begabter Schriftsteller. Verfasste neben verschiedenen Gelegenheitstexten seit 1792 eine populäre illustrierte Naturgeschichte in 18 Bänden, die im Verlag seines Bruders Paul Martin in preiswerten wöchentlichen Lieferungen erschien (‚Unterhaltungen aus der Naturgeschichte’; 1812-1828 ergänzt auf 27 Bände durch Gerhard Adam Neuhofer und weitere anonyme Autoren), ein typisches naturtheologisches Werk der Aufklärung, das unterhaltend und belehrend wirken wollte, für Schonung der pflanzlichen und tierischen Mitgeschöpfe warb und sich gegen Sklaverei, Leibeigenschaft, Intoleranz und Diskriminierung wandte. Freundschaft mit dem Bankier Joseph Paul von Cobres, aus dessen Bibliothek und Naturalienkabinett Wilhelm seine naturhistorischen Kenntnisse bezog. Setzte sich seit 1809 für den Erhalt der von Cobres’schen Sammlungen ein, wirkte mit bei der Gründung des Stetten-Instituts, regte die Anlage einer Obstbaumschule zum Zweck der Armenbeschäftigung an. Mitglied bedeutender naturforschender Gesellschaften, Träger des bayerischen Zivilverdienstordens.
- 5) Johann Friedrich, * 26.12.1760 Augsburg, † 14.9.1834 Augsburg, Kaufmann, Kunstverleger. Sohn von 1). 1772-1774 Besuch des Gymnasiums bei St. Anna, später Handlungsbedienter bei Christian von Münch d. J. Seit 1785 verheiratet mit Sofia Juliana Rosina Ridinger († 1827), der Witwe des Kupferstechers Johann Jakob Ridinger. Keine Kinder. Führte den Ridinger’schen Kunstverlag weiter, geriet 1811 in Konkurs. Spätestens seit 1821 gehörte sein Kunstverlag zur Kunsthandlung des Bruders Paul Martin.
- 6) Benedikt, * 29.3.1763 Augsburg, † 15.8.1847 Rossleben (Thüringen), evangelischer Theologe, Pädagoge. Sohn von 1). 1771-1782 Schulzeit am Gymnasium bei St. Anna und am Anna-Kolleg, 1783-1786 Studium der Klassischen Philologie, Philosophie und Theologie an der Universität Leipzig. Noch vor Abschluss des Studiums mit erst 23 Jahren Konrektor der Klosterschule Rossleben. Erste Ehe 1787-1788 mit einer Tochter des Donndorfer Pastors Wetzel; 1791 Wiederverheiratung mit Anastasia Theodora Auguste Nebe, Tochter des Halleschen Waisenhausinspektors. Drei Söhne aus beiden Ehen, darunter der Heimatgeschichtsforscher August Benedikt Wilhelm (1793-1832). 1800-1837 leitete Wilhelm als Rektor die Klosterschule Rossleben, die er nach einer Phase des Niedergangs wieder zur Blüte brachte durch Reform des Unterrichts, intensive pädagogische Arbeit und Aufbau einer umfangreichen Bibliothek. Neben den Amtspflichten schriftstellerische Betätigung sowie philologische, historische und naturkundliche Studien. 1836 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät zu Halle und der Theologischen Fakultät zu Königsberg, Inhaber des roten Adler-Ordens mit Schleife des Königreichs Preußen.
- 7) Matthias Emanuel,* 7.2.1766 Augsburg, † 23.1.1847 Wien, Tuchhändler. Sohn von 1). 1774-1780 Besuch des Gymnasiums bei St. Anna. Spätestens seit 1795 als Kaufmann in Wien, Direktor der Wiener Niederlage der Lettowitzer Zitz- und Cottonfabrik. Verheiratet mit der Katholikin Maria Elisabeth Schimmert aus Hermannstadt/Siebenbürgen, zwei Söhne. 1812-1835 Mitglied des Vorsteher-Collegiums der ersten Wiener evangelischen Gemeinde, wo er sich anerkannte Verdienste erwarb.
- 8) Johann Leonhard, * 26.4.1774 Augsburg, † 1.5.1849 Augsburg, Königlich bayerischer Stadtgerichtsprokurator und Wechselnotar. Sohn von 1). 1781-1793 Schulzeit am Gymnasium bei St. Anna und am Anna-Kolleg. Seit Oktober 1793 Jurastudium in Leipzig. Seit 1798 als Advokat in Augsburg zugelassen. 1801 Heirat mit Anna Maria Weiler († 1834), eine überlebende Tochter. Betätigte sich in seiner zweiten Lebenshälfte als Gelegenheitsdichter von Komödien, Schauspielen und Puppenspielen, die seit 1817 im Theater am Lauterlech (Stadttheater) bzw. im Marionettentheater im Holeisischen Hof in der südlichen Jakobervorstadt aufgeführt wurden.
- 9) Jacob Christian Martin, * 26.9.1787 Augsburg, † 27.2.1826 Augsburg, Kupferstecher, Kunstverleger. Sohn von 3). Besuch des Gymnasiums bei St. Anna. Seit 1809 neben seinem Vater Teilhaber der Kunsthandlung, seit 1822 Alleininhaber. 1822 Eheschließung mit der Apothekerstochter Margarete Wilhelmine Wydler († 1871) aus Aarau, eine Tochter. Beging 1826 mit 39 Jahren Selbstmord, wahrscheinlich wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten. 1827 Verkauf der Kunsthandlung durch die Witwe an Johann Alois Schlosser (Schlosser’sche Buchhandlung), der das Geschäft zum 1. Januar 1828 übernahm.
- 10) Gustav Christian Martin, * 12.9.1799 Augsburg, † 11.7.1888 Kirchberg/Reichenhall, Kaufmann. Sohn von 3). 1807-1813 Besuch des Gymnasiums bei St. Anna und der Real-Anstalt, Ausbildung zum Kaufmann. Seit 1816 in Wien, dort Mitarbeiter und später erster Sekretär der 1816 gegründeten Österreichischen Nationalbank. Verheiratet mit Luise Schöll, der Tochter des Brünner Wollindustriellen Friedrich Schöll. Vater des Botanikers und Professors für Landwirtschaft in Graz, Gustav Friedrich Wilhelm (1834-1895), der bei der Wiener Weltausstellung 1873 als Mitglied der internationalen Jury und der Grazer Landeskommission fungierte, und des Botanikers und Professors an der Wiener Hochschule für Bodenkultur Karl Adolf Wilhelm (1848-1933). Großvater von Adolf Wilhelm (1864-1950), Professor der Klassischen Philologie in Wien, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, und Gustav Wilhelm (1869-1949), Literaturhistoriker in Wien und Mitglied der Akademie der Wissenschaften.
- 11) Marx Friedrich , * 1.12.1801 Augsburg, † 9.12.1890 Innsbruck, Kaufmann. Sohn von 3). 1809-1814 Besuch der Königlich Bayerischen Gymnasialanstalt. Kaufmännische Ausbildung und berufliche Tätigkeit in der Kunsthandlung des Vaters und im Handlungshaus von Schaezler. Seit 1825 in Trient und seit 1835 in Innsbruck, dort zunächst Prokurist in der Spezereihandlung Tschurtschenthaler, später Mitinhaber der Spezerei-, Materialien- und Farbenwarenhandlung Malitsch. Verheiratet mit Antonia Malitsch (1815-1870) aus Laibach. Mitglied des Innsbrucker Magistrats, Präsident der Handels- und Gewerbekammer, Vizepräsident der Innsbrucker Landeskommission für die Wiener Weltausstellung 1873. Ehrenbürger der Stadt Innsbruck, Inhaber kaiserlicher Ehrenzeichen.
Literatur:
Paul von Stetten, Beschreibung der Reichsstadt Augsburg, 1788, 141
Ders., Kunst-, Gewerb-, und Handwerks-Geschichte der Reichs-Stadt Augsburg 2, 1788, 237
Gottlieb Tobias Wilhelm, Unterhaltungen aus der Naturgeschichte. Der Insecten erster Theil, 1796, VIII
Daniel Eberhardt Beyschlag: Kurze Geschichte des bey dem evangelischen Antheil in Augsburg in den neuern Zeiten verbesserten Schul- und Erziehungswesens, 1805, 24
Franz Eugen von Seida und Landensberg, Historisch-statistische Beschreibung aller Kirchen-, Schul-, Erziehungs- und Wohlthätigkeitsanstalten in Augsburg, 1812, 532
Ders., Neuestes Taschenbuch von Augsburg, 1830, 13, 403
Robert Wesselhöft, Das goldene Jubiläum des Rectors Benedict Wilhelm zu Kloster Rosleben, begangen am 17. Mai 1836, 1836
Johann Christian Leidenroth, Einiges aus dem Leben unsers verehrten Jubilarius, des Rector und Professor Benedict Wilhelm, 1836
Jahresbericht über die von der Familie von Witzleben gestiftete Klosterschule Rossleben 1847/48, 1848, 32 f.
Neues allgemeines Künstler-Lexicon 21, 1851, 449
Theodor Herold, Geschichte der von der Familie von Witzleben gestifteten Klosterschule Roßleben von 1554 bis 1854, 1854
Friedrich A. Witz, Versuch einer Geschichte der theatralischen Vorstellungen in Augsburg, 1876, 75, 308
Friedrich Preidel, Die Evangelische Kirchengemeinde A. C. zu Wien in ihrer geschichtlichen Entwicklung von 1781-1881, 1881, 61
Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums in Oesterreich 55, 1887, 168-172, 173-174
C. Neuß / Johann Kaiser, Chronik der Wiener evangelischen Gemeinde Augsburger Bekenntnisses vom Zeitpunkte ihrer Entstehung bis auf die Gegenwart, 1904, 30-35
Friedrich Schott, Der Augsburger Kupferstecher und Kunstverleger Martin Engelbrecht und seine Nachfolger, 1924
Albert Haemmerle, Evangelisches Totenregister zur Kunst- und Handwerksgeschichte Augsburgs, 1928, 112
Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler 35, 1942, 572
Karl Goedeke, Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung 11/1, 21951, 195
Erika Stökl, Der Protestantismus in Wien von 1781-1848, 1953, 212
L. Weißfloch, Die Freimaurerloge ‚Charlotte zu den 3 Sternen‘ von 1786-1792 in der Reichsstadt Kaufbeuren, in: Kaufbeurer Geschichtsblätter 8, 1980, 330-348
Madlen Bregenzer, Anna Barbara von Stetten, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 87, 1994, 143-162
Klaus Goch, Nietzsches Vater oder die Katastrophe des deutschen Protestantismus, 2000
Helene Burger / Hermann Erhard / Hans Wiedemann, Pfarrerbuch Bayerisch-Schwaben, 2001, 236
Eberhard Pfeuffer, Gottlieb Tobias Wilhelm, in: Von der Natur fasziniert, 2003, 106-113
Deutsche Biographische Enzyklopädie 10, 22008, 639 f.
Renate Pfeuffer, … manchem Menschen Verdienst, Tausenden aber Belehrung und Vergnügen … Die ‚Unterhaltungen aus der Naturgeschichte‘ des Pfarrers Zu den Barfüßern Gottlieb Tobias Wilhelm (1758-1811), in: Neue Forschungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, 2011, 231-278.