Weber

Autor: Prof. Dr. Rolf Kießling

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Die Anfänge des organisierten W.-Handwerks lassen sich erst seit dem 13. Jh. genauer verfolgen: Die Erwähnung A.er Leinwand in Bozen 1237, die Bestimmungen des Stadtrechts von 1276 und der 1280er Jahre (Einbinden geprüfter Ware) erlauben den Schluß auf eine seit längerem bestehende Exportwarenproduktion. Daneben stand eine nicht unbedeutende Lodenherstellung (Lodweber; Stadtrecht 1276) aus einheimischer Schafwolle sowie die Tuchweberei aus meist flämischer Wolle, die beide 1368 in einer eigenen Zunft neben der der (Leinen-)W. zusammengefaßt wurden (Zünfte). Schauordnungen von 1407 und 1527 weisen auch noch später ihren lokal-regionalen Charakter aus. Zahlenmäßig blieben die Leinen-W. das größte Handwerk der Stadt: 1466 749 Meister, um 1500 ca. 900-1000, um 1610 gut 2000, die etwa 1/5 der Steuerzahler der Stadt stellten; lokale Konzentrationen im Lechviertel sowie in der Frauen- und Jakobervorstadt. Den Einbruch bis zur Mitte des 17. Jh.s (1645: 416 Meister; 1660: 505) konnte das Handwerk auch im 18. Jh. nur mehr bedingt rückgängig machen (1785: 789 Meister und Knappen nach Haertel, 514 Meister nach Clasen), durch die Industrialisierung reduzierte sich ihre Zahl bis zur Auflösung der Innung 1861 auf 101 Meister. Zu den eigentlichen W.n kam eine Vielzahl von Zuarbeitern: Spinner, Spuler, Tuchscherer, Färber, Karder, Bleicher. Die Produktionspalette der W. unterlag im Lauf der Zeit erheblichen Verschiebungen, die mit der Einbettung A.s in die allg. Bedingungen der Textilentwicklung Ostschwabens zusammenhingen. Die anfängliche Leinenherstellung wurde seit den 1370er Jahren durch die stürmische Innovationswelle der Barchent-Herstellung stark zurückgedrängt, behauptete sich aber auch weiterhin mit einer breiten Palette von Gewebesorten: Die wichtigsten waren im 15./16. Jh. verschiedene Arten von ’ziechen’ (für Bettbezüge), Mittler, Spinet, Schetter, Zwillich, sog. Fußarbeit mit verschiedenen Mustern, Golschen (grobes, blaugestreiftes Leinen) bis zur feinen Leinwand; man unterschied den Grad der Feinheit in der Zahl der Kettfäden für eine genormte Breite (z.B. 11er = 1100 Kettfäden für grobe Leinwand); ähnliches galt für den Barchent, zu dem auch seit etwa 1600 der Bom(b)asin (Mischgewebe aus Wolle, später Baumwolle und Seide) gezählt wurde. Diese Dominanz der reinen Leinen- bzw. Leinenmischgewebe wurde in einer zweiten Substitution seit dem beginnenden 18. Jh. durch die Kottone (reine Baumwollgewebe) A.er Provenienz (neben den Importstoffen) weitgehend ersetzt; sie machten Ende des 18. Jh.s 86 % aller gebleichten Tuche aus. In Verbindung mit dem Kattundruck bot sich damit ein neuer, wenn auch begrenzter Aufschwung für die A.er W.; dagegen sank die Leinen- und Barchentweberei rapide ab. Die Seidenweber spielten immer nur eine untergeordnete Rolle. Die Organisation des W.-Handwerks in der W.-Zunft mit ihren vielen Einzelvorschriften (umfassende Ordnungen 1549, 1610) über die Aufnahme, Lehr- und Gesellenzeit – das Meisterstück, eine gezettelte Barchentwepfe, wurde erst 1558 eingeführt – sowie die genauen Produktionsvorschriften und Lohnsätze war durch verschiedene Spannungselemente bestimmt: Das Verhältnis von Verleger und Handwerker, städtischen und ländlichen W.n und der Kampf um die Zahl der Webstühle innerhalb der Handwerkerschaft selbst. Trotz schwieriger Nachweise wird man schon im 14. Jh. mit der Ausbreitung der Verlagsorganisation rechnen müssen, die mit dem Rohstoffimport der Baumwolle durch Kaufleute v.a. aus Venedig zusammenhing. Damit beschränkte sich die Leistung der W. auf den Webvorgang selbst, der von der städtischen Geschau zwar überwacht, organisatorisch jedoch vom Auftrag der Kaufleute-Verleger abhängig war; die Grenze zum Lohnarbeiter wurde fließend. Zwar versuchte der Rat, durch die Einrichtung des städtischen Pfandgewölbes 1569 die Abhängigkeit zu mildern – die ärmeren W. konnten hier ihre Tuche gegen Bargeld verpfänden – ob jedoch dadurch der Verlag tatsächlich verhindert wurde, bleibt in der Forschung umstritten. Jedenfalls spielte er noch bis zum Beginn des 19. Jh.s eine Rolle. Schon seit dem SpätMA war die Leinen- und Barchentweberei kein Monopol städtischer W. mehr. Die auf dem Flachsanbau in ganz Ober- und Ostschwaben basierende Landweberei wurde in die städtisch zentralisierte Produktion und in den Vertrieb einbezogen, wogegen sich seit dem beginnenden 15. Jh. in mehreren Anläufen die A.er W. wehrten. Erste Verbote (1. Hälfte 15. Jh.), Umland-W. zu verlegen, verursachten eine Verlagerung der ländlichen Herstellung auf das Zwischenprodukt der Wepfe, eine Form städtisch-ländlicher Arbeitsteilung, die bis ins 17. Jh. von Bedeutung blieb. Auch im 18. Jh. waren noch weite Bereiche Ostschwabens über Garnherstellung und Weberei an das Zentrum A. gebunden. Die innere Differenzierung der W.-Schaft durch die Übergänge von handwerklicher Produktion zur Vertriebsorganisation setzte bereits früh ein, zumal beide, Handwerker und Kaufleute, seit 1368 in der Zunft zusammengeschlossen waren. Aber auch in der Handwerkerschaft selbst bildete sich ein Gefälle aus. Kampf um die Beschränkung der Zahl der Webstühle pro Meister während der verschiedenen Krisen: seit 1467 vier; 1569-1583 harte Auseinandersetzungen mit dem Ergebnis der Beschränkung auf drei, 1588 und mehrmals kurzfristig sogar auf zwei. Die soziale Lage war wegen dieser Spannungsfaktoren und der Krisenanfälligkeit aufgrund großräumiger Wirtschaftsschwankungen für weite Kreise der W. ausgesprochen prekär. Eine genaue Analyse der Sozialstruktur von 1610 zeigt einen weit überdurchschnittlichen Anteil von Vermögenslosen: Insgesamt werden 81 % den unteren Schichten zugerechnet. Entsprechend stellten die W. auch in Krisenzeiten häufig ein Unruhepotential dar; von den Ungeldunruhen (Ungeld) von 1397/98 bis zum W.-Aufstand von 1794 sind mehrmals Widerstände gegen das obrigkeitliche, von Kaufleuten bestimmte Regiment greifbar, an denen die W. wesentlich Anteil hatten.

Literatur:

Pius Dirr, Augsburger Textilindustrie im 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 37 (1911), 1-106

Wolfgang Zorn, Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648-1870, 1961

Eckart Schremmer, Handel und Gewerbe bis zum Beginn des Merkantilismus, in: Handbuch der bayerischen Geschichte 3/2, 1971, 1073-1118

Volker Haertel, Die Augsburger Weberunruhen 1784 und 1794 und die Struktur der Weberschaft Ende des 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 64/65 (1971), 121-268

Claus Peter Clasen, Die Augsburger Weber, 1981

Rolf Kießling, Stadt und Land im Textilgewerbe Ostschwabens vom 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft, 1983, 115-138

Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 171-181 (Rolf Kießling), 258-301 (Hermann Kellenbenz), 468-480 (Peter Fassl)

Claus Peter Clasen, Die Augsburger Bleichen im 18. Jahrhundert, in: Aufbruch ins Industriezeitalter 2, 1985, 184-225

Rainer A. Müller, Rebellion oder Revolution?, in: ebenda, 419-498

Rolf Kießling, Die Stadt und ihr Land, 1989, 721-741

Frank Möller, Bürgertum als Schutzgemeinschaft, 1991, 559-603

Claus Peter Clasen, Streiks und Aufstände der Augsburger Weber im 17. und 18. Jahrhundert, 1993

Claus-Peter Clasen, Textilherstellung in Augsburg in der Frühen Neuzeit, 1995.