Vittel

(Fitel), Kaufmanns- und Patrizierfamilie

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1321 bis ins 17. Jahrhundert in Augsburg nachweisbar; Herrenstube (Wappenzyklus 1457); 1538 Aufnahme ins Patriziat. 1363 wurde den Kaufleuten Ulrich Vittel und Lutz Winter bei ’Tetelhaim’ zwei Wagenladungen Felle weggenommen. Etwa gleichzeitig erscheint in den Quellen ein Konrad Vittel († 1351/71) mit engen Beziehungen zu St. Margareth. Das vornehme Konnubium (Bach, Ilsung II, Dendrich) seiner Nachkommen belegt schon für das 14. Jahrhundert die bedeutende Stellung der Familie. Der ab 1372 fassbare Johann (I) erscheint zuletzt 1403 als Vertreter der Kaufleutezunft im Großen Rat, danach verschwindet die Familie aus den Steuerbüchern. Sein mutmaßlicher Sohn Johann (II, † 1454) ist ab 1419 wieder in Augsburg fassbar. Er ist als Venedighändler bezeugt, pflegte intensive Handelsbeziehungen in die Schweiz (Zürich, Basel) und ist auf der Nördlinger Messe nachweisbar. 1448 versteuerte er ein Anschlagvermögen von 10.800 fl (7. Stelle). Fast zwei Jahrzehnte lang drückte er sich, wohl um politischen Ämtern zu entgehen, vor dem Eintritt in eine Zunft. Kurz nachdem er auf Weisung des Rats (1439) den Kramern beigetreten war, wurde er zum Zunftmeister gewählt und erscheint 1442-1454 im Rat. Zur Familie zählte auch Anton († 1451/52), der durch Heirat in die Brauerzunft kam und ab 1416 in den Steuerbüchern genannt wird. 1414 betraute ihn Liupold (III) Karg mit der Eintreibung von Schulden in Nürnberg und Schwabach. 1447-1451 wird er auf der Nördlinger Messe erwähnt. Die Ehe von Johanns ältestem Sohn Johann (III, † 1477) mit einer Tochter des Andres (I) Frickinger war wohl politisch motiviert. Er machte rasch Karriere: ab 1459 im Rat, zählte er seit 1466 zum engeren Führungszirkel und wurde als Nachfolger des Schwiegervaters 1468 erstmals zum Bürgermeister (Stadtpfleger) gewählt. 1472 versuchte Ulrich Schwarz, mit Unterschlagungsvorwürfen gegen Frickinger den Einfluss des oppositionellen Clans und seines Exponenten Johann Vittel zurückzudrängen, was nicht dauerhaft gelang: 1474 wurde Vittel erneut zum Bürgermeister gewählt. Wohl um ihn von Augsburg fernzuhalten, wurde er um 1475 als besoldeter Gesandter in städtische Dienste genommen. Abwertende Äußerungen am kaiserlichen Hof über die politischen Verhältnisse in Augsburg boten Schwarz den Anlass, ihm wegen Eidbruchs den Prozess zu machen. Am 19.4.1477 starben er und sein Bruder Leonhard auf dem Schafott. Ihre Hinrichtung führte nicht nur zum Sturz von Schwarz, sondern auch zu einer erbitterten Kontroverse der Vittel mit der Stadt. Nach Klage beim Kaiser, die 1482 abgewiesen wurde, begannen Jakob und Johann (IV), Bruder und Sohn des Bürgermeisters, eine Fehde, die erst 1487 ein Ende fand, als beide in kaiserliche Acht kamen. Georg (II, † nach 1522), der jüngere Sohn des Bürgermeisters, studierte 1476 in Ingolstadt, 1491 erscheint er als Nördlinger Bürger. Offensichtlich dessen Sohn ist der ab 1519 als Fuggerdiener nachweisbare Georg (III, † 1542). Er erwarb 1522 durch Heirat Augsburger Bürgerrecht und wurde 1538 ins Patriziat aufgenommen. Die Nachkommen seines als Bergwerksunternehmer in Hall bezeugten Bruders Wolfgang übersiedelten erst in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wieder nach Augsburg, zählten aber zu den Mehrern. Kaufmännisch blieb dieser Zweig lange aktiv: Matthäus († 1638) war für die Gesellschaft ’Hans Österreicher seel. Erben’ in Florenz und Genua tätig; bei den ab 1640 in Genua erwähnten Vittel handelt es sich wohl um seine Söhne.

Literatur:

Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichsstadt Augsburg, 1762, 220 f.

Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert

Helene Burger, Das evangelische Wesensarchiv in Augsburg, 1941, 137

Eduard Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, 1970, 2968 f.

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983, 142, 196, Anh. 10-153

Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts, 1996, 856 f.

Jörg Rogge, Für den gemeinen Nutzen. Politisches Handeln und Politikverständnis von Rat und Bürgerschaft in Augsburg im Spätmittelalter, 1996, 70-76.