Stadtschreiber

Autoren: Prof. Dr. Rolf Kießling, Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Die Anfänge des Amtes fallen zusammen mit dem Emanzipationsprozess der Bürgerstadt gegenüber dem bischöflichen Stadtherrn um die Mitte des 13. Jahrhunderts (Stadtherrschaft). Mit Konstituierung der Stadtgemeinde, sichtbar am eigenen Siegel (1234, Stadtwappen) und dem Auftreten des Rates (1257) entwickelte sich eine städtische Kanzlei. Der von der Literatur angenommene Zusammenhang mit dem 1239-1267 erwähnten ’Wernherus (1258: ’dictus’) cancellarius’ († 14.4.) lässt sich aber nicht belegen, seine Nennungen kennzeichnen ihn als politischen Repräsentanten der Bürgerschaft. Als ihr Leiter identifizierbar ist erst ’Conradus notarius civitatis’ (1268-1282), der 1277 auch als ’stetschreiber’ bezeichnet wird. Aufgrund zunehmender Schriftlichkeit (Urkundenwesen, Finanzverwaltung, Korrespondenz, Ratsprotokolle) entwickelte sich die Kanzlei im Laufe des 14. Jahrhunderts zu einer zentralen Institution der Verwaltung, für die der Rat 1362/63 Ordnungen erließ, in denen auch die Aufgaben und Rechte des Stadtschreibers geregelt wurden. Besoldungsanstieg und Aufstockung des Kanzleipersonals lassen erkennen, dass in der Amtszeit Simon Müllers († 1426/27) der Stadtschreiber in neue Aufgaben hineinwuchs. Lag, entsprechend der Ordnung von 1363, sein Gehalt 1390 noch bei 26 Pfund Pfennigen, so war es 1400 auf 64 fl und 1417 auf 100 fl angestiegen. Als ständiges Personal der Kanzlei erscheinen 1417 auch, mit je 24 fl besoldet, des ’statschribers schriber’ und der ’gerichtsschriber’. Die Details dieser Entwicklung sind bislang nicht geklärt, eine wesentliche Rolle spielten dabei auch neue Rekrutierungsmuster bei zünftischen Spitzenpolitikern. Lag nach 1368 das Stadtpflegeramt zunächst in der Hand von Angehörigen ehemaliger Patriziergeschlechter oder bedeutender Kaufmannsfamilien, bei denen gehobene Bildung unterstellt werden darf, so gelangte mit dem aus einer Metzgerfamilie stammenden Ludwig Hörnlin 1398 ein Mann in dieses Spitzenamt, dem dieser Hintergrund fehlte. Offensichtlich entwickelte sich Müller, als Nachbar und wohl auch verwandtschaftlich Hörnlin eng verbunden, zum sachkundigen Berater des Stadtpflegers und bewirkte so eine Aufwertung des Stadtschreiberamtes; eine ähnliche Konstellation ist später z. B. für Ulrich Schwarz belegt, der sich auf seinen Schwiegersohn Lic. iur. Ulrich Fries stützte, für den um 1467 die Position eines Stadtsyndicus geschaffen wurde. Die Bezeichnung als Magister/Meister lässt bei den meisten Stadtschreibern seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auf formale Bildungen schließen. Mit Valentin Eber beginnt die Reihe der Stadtschreiber, die nachweisbar ein juristisches Studium abgeschlossen hatten. Unter seinem Nachfolger, dem in Italien promovierten Juristen Konrad Peutinger, erreichte das Amt den Höhepunkt seiner Bedeutung. Er wurde zu einer führenden Figur der städtischen Politik, dessen Gutachtertätigkeit auch benachbarte schwäbische Reichsstädte in Anspruch nahmen. Schon seit den 1540er Jahren erscheint das Amt aber wieder auf bürokratische Belange reduziert. 1543 wird der Stadtschreiber erstmals als ’kanzler’ bezeichnet. Stadtschreiber und Ratsschreiber führten die Protokolle im Geheimen und Inneren Rat, referierten dort über die Gegenstände und fungierten als Direktoren der Stadtkanzlei. Sie gehörten zur obersten Gruppe der städtischen Bediensteten, waren im System der Parität nach 1648 abwechselnd beiden Konfessionen zugeordnet und bezogen im 18. Jahrhundert ein ansehnliches Salär von 874 bzw. 680 fl, dazu je 1/4 der Kanzleitaxen. Die juristische Beratung des Stadtregiments erfolgte nun durch Ratskonsulenten bzw. Advokaten (seit 1648 paritätisch je drei Katholiken und Protestanten), die an den Sitzungen des Geheimen Rates teilnahmen, Justizsachen erörterten, Gutachten erstellten und zu auswärtigen Angelegenheiten abgeordnet wurden. Diese Entwicklung war Ende des 15. Jahrhunderts eingeleitet worden, als in bestimmten Fällen Prokuratoren bestellt wurden, wie z. B. Dr. Paul Koler für den Prozess des Rates vor der Rota in Rom oder Dr. Johannes Rehlinger am kaiserlichen Kammergericht.

Literatur:

David Langenmantel, Historie des Regiments In des Heil. Röm. Reichs Stadt Augspurg, 1734, 271 f.

Gerhart Burger, Die südwestdeutschen Stadtschreiber im Mittelalter, 1960

Ingrid Bátori, Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969

Rolf Kießling, Das gebildete Bürgertum und die kulturelle Zentralität Augsburgs im Spätmittelalter, in: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, 1983, 563-565

Ulrich Meier, Ad incrementum rectae gubernationis, in: Gelehrte im Reich, 1996, 477-503.