Stadtpfleger

(Procurator civitatis)

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Stadtoberhaupt und Ratsvorsitzender. Mit Übernahme der Augsburger Vogtei durch König Rudolf von Habsburg verschwand das in der Zeit des Interregnums entstandene Amt des Bürgermeisters älteren Typs; Stadtoberhaupt war nun wieder der königliche Vogt. Nachdem der ursprüngliche Plan einer Wiedererrichtung des Herzogtums Schwaben aber spätestens 1286/87 gescheitert war, kam es um 1287 zu einer umfassenden Neuordnung der Vogteiverhältnisse in Ostschwaben. An die Stelle des noch im traditionellen Rahmen der Hochstiftsvogtei agierenden königlichen Vogts traten nun die ’Vögte zu Augsburg und auf dem Lande’. Offensichtlich wurden im Rahmen der Reorganisation der Augsburger Vogtei der Stadt wieder Selbstverwaltungskompetenzen zugestanden, die sich besonders augenfällig in der Etablierung gewählter Stadtoberhäupter niederschlugen. Am 3.2.1288 sind erstmals zu zweit amtierende ’procuratores civitatis’ belegt (Indizien zufolge wurde das Amt schon 1287 geschaffen). Die neue und in schwäbischen Städten ungewöhnliche Amtsbezeichnung ’procurator’ war in der Reichsgutverwaltung durchaus üblich und ist ebenfalls ein deutliches Indiz, dass das Amt mit königlichem Konsens entstand. Allerdings konnte sich daneben bald wieder der ältere Begriff Bürgermeister durchsetzen, von 1299 bis in die 1470er Jahre ist eine synonyme Verwendung beider Bezeichnungen nachweisbar, seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert dominierte die Amtsbezeichnung Bürgermeister. Mit Einführung der Karolinischen Regimentsordnung (1548) etablierte sich wieder die offizielle Amtsbezeichnung Stadtpfleger und wurde nun bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit beibehalten. Die beiden Stadtpfleger wurden alljährlich durch den Kleinen Rat gewählt. Die Wahl erfolgte bis 1340 im Juli/August, ab 1341 im Januar und seit 1548 wieder im August. Bis 1368 und nach 1548 konnten nur Patrizier (Patriziat) dieses Amt bekleiden, in der Ära der Zunftverfassung war es mit je einem Patrizier und einem Zünftler besetzt; 1648 wurde die konfessionelle Parität eingeführt. Der Aufstand der Stolzhirsch (1303) beleuchtet die eminente Bedeutung des Amtes und zeigt die Notwendigkeit von Wahlregelungen für die Sicherung der innerstädtischen Machtbalance; 1304 wurde als Verfassungsgrundsatz fixiert, dass das Amt immer nur zwei Personen übertragen werden durfte. Bis 1368 war es üblich, dass Stadtpfleger erst nach fünfjähriger Pause wieder regulär in dieses Amt gewählt werden konnten (Abweichungen nur bei Nachwahlen). In der Zeit der Zunftverfassung verkürzten sich die Zwangspausen. 1393-1404 sowie 1441/42 amtierten Stadtpfleger z. T. sogar zwei Jahre hintereinander. Sonst wurde jedoch, sieht man von Ulrich Schwarz ab, der unter Bruch der gängigen Verfassungspraxis 1474-1478 seine jährliche Wiederwahl durchsetzte, eine zumindest einjährige Pause konsequent eingehalten. Nach 1548 wurden die Stadtpfleger auf Lebenszeit gewählt.

Literatur:

Ernst Schumann, Verfassung und Verwaltung des Rates in Augsburg 1276-1368, Kiel Diss. 1905

Ingrid Bátori, Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969

Hans-Georg Hofacker, Die schwäbischen Reichslandvogteien im späten Mittelalter, 1980

Wolfram Baer, Die Entwicklung der Stadtverfassung 1276-1368, in: Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 146-150

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983.