Stadtpfeifer
Autor: Dr. Josef Mančal
Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe
- In einem vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts entstandenen Nachtrag zum Stadtrecht von 1276 werden ’spilliute’ mit einer hinsichtlich der Auftraggeber sozial gestaffelten Unter- und Obergrenze ihrer Bezahlung erwähnt. Seit 1388 ist Stadtpfeifer eine nachweisbare Bezeichnung für die anfangs vermutlich neben-, später hauptberuflich bei der Reichsstadt besonders vom 15. bis Mitte des 17. Jahrhunderts zu Repräsentationszwecken angestellten Musiker. Kaiser Sigismund verlieh am 17.1.1434 Augsburg als einer der ersten Reichsstädte das sonst nur Fürsten zustehende Privileg, eigene Trompeter zu halten. Bis 1599 waren es zunächst fünf, dann sieben, im 18. Jahrhundert zum Teil noch wesentlich mehr Musiker, die dem Hochzeitsamt zugeordnet waren und die Aufgabe hatten, bei offiziellen Anlässen und bei privaten Festlichkeiten aufzuspielen. Ihre Tätigkeit und damit auch ihr teilweise vom Veranstalter zu tragender Verdienst war monopolartig durch Dekrete geschützt. Vom 15. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts gehörten die Augsburger Stadtpfeifer zu den angesehensten Kapellen. Die teilweise Stadtpfeifer-’Dynastien’ wie den Hurlacher, Drechsel, Rauch, Ganß und Schubinger angehörenden Musiker wechselten oft zu Hofkapellen (u. a. München, Neuburg/Donau, Oettingen, Stuttgart, Innsbruck, Salzburg, Ferrara, Mantua, Florenz) und zu den Kapellen der Kaiser Maximilian I. und Karl V. 1538 traten sie in Weißenhorn bei einer Fuggerhochzeit auf, 1559 bei den Trauerfeierlichkeiten Kaiser Ferdinands I. für Karl V., 1575 und 1578 erbat sie der Neuburger Hof. Die Reichsstadt Nürnberg schickte 1585 Jakob Haßler und 1621-1623 Sigmund Theophil Staden zur Ausbildung nach Augsburg. Wertvolle Musikinstrumente des 16. Jahrhunderts (u. a. Dulziane, Krummhörner, Zinken) der Stadtpfeifer sind in den Augsburger Kunstsammlungen erhalten. In dieser Zeit gehörten auch Musiker europäischen Ranges den Stadtpfeifern an, z. B. Paul Hofhaimer, Sigmund Salminger, Hans Leo Haßler (1600/01) und ab 1602 Christian Erbach. Nach dem Dreißigjährigen Krieg konnten die Stadtpfeifer trotz Musikern wie Scheiffelhut nicht mehr an das frühere Niveau anknüpfen; ausschlaggebend dafür war eine früher als in anderen Reichsstädten entstehende bürgerliche Musikkultur wie auch die Konkurrenz durch private Ensembles, in denen die Stadtpfeifer mitwirkten (Collegium musicum), und später durch die (billigeren) Militärkapellen. Als Bayern den Stadtpfeifern 1810 nur noch eine zeitlich befristete Arbeitserlaubnis gewährte und 1818 bestimmte Gewerbebeschränkungen aufhob, setzte ein schließlich mit der 1865 erfolgten Gründung des städtischen Orchesters (Augsburger Philharmoniker) beendeter Niedergang ein.
Literatur:
Adolf Layer, Musik und Musiker der Fuggerzeit, 1959, 50-52
Franz Krautwurst / Wolfgang Zorn, Bibliographie des Schrifttums zur Musikgeschichte der Stadt Augsburg, 1989
Keith Polk, German instrumental music of the late Middle Ages, 1992
Franz Krautwurst, Die Fugger und die Musik, in: Die Fugger und die Musik, 1993, 41-48
Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 1, 21994, 1012 f.