Örtwein

(Wirt, Woertwein), Kaufmannsfamilie

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1384-1488 in Augsburg nachweisbar. In den Augsburger Quellen erscheint der 1384 aus Nordendorf zugewanderte ’Lutz Oertwein’ zumeist nur als ’Oertwein’, vereinzelt als ’Örtwein Wirt’ wobei auch Wirt Zuname war. Das Wachstum seines Anschlagvermögens (1396: 600 fl, 157. Stelle; 1428: 3600 fl, 43. Stelle) lässt auf eine Tätigkeit als Kaufmann schließen. Nach Anfall (1423) des bedeutenden Erbes seines Schwiegervaters Paul Vederer († 1417/18) übernahm er 1425 von dem Gewandschneider Hans Pittinger ein Haus in bester Lage (Lit. D 276). 1429 wird er als Gläubiger der Nürnberger Kammerer-Gesellschaft erwähnt. Seine Schwiegersöhne, Ulrich Meuting, Hans Koler († 1435/36), Ludwig (III) Hörnlin, Heinrich (I) Meckenloher († 1449/51) und Thomas (I) Ehem, zählten zu den erfolgreichsten Augsburger ’Newcomern’ und lassen sich als Kaufleute zumeist der Meuting-Gesellschaft und ihrem Umfeld zuordnen. Sein Sohn Ulrich Örtwein († 1488) gehörte zu den bedeutendsten Kaufleuten des 15. Jahrhunderts.: 1486 versteuerte er, 1492 dann seine Erbtochter Veronika Herwart das größte Augsburger Vermögen. Allerdings war er nicht Mitglied der Herrenstube; im Mülich’schen Wappenzyklus (1457) werden die Örtwein nicht unter den stubenfähigen Familien genannt. Seit 1457 vertrat er die Kaufleutezunft im Großen, ab 1481 im Alten Rat. Anfänglich dürfte er für die Meuting-Gesellschaft tätig gewesen sein. Nach Heirat mit einer Tochter des Stadtpflegers Matthäus Keller erscheint er ab 1441 als selbstständiger Steuerzahler. Indizien verweisen danach auf Zusammenarbeit mit Thomas (I) Ehem. Seine Aktivitäten ab den 1450er Jahren liegen im Dunkeln. Schon für die 1460er Jahre ist aber von einer Beteiligung des Schwiegersohns Lukas (I) Herwart auszugehen, da das Heiratsgut seiner Frau Veronika nicht abgetrennt, sondern vom Vater weiterversteuert wurde. Die ab den 1470er Jahren fassbaren großen Gewinne der Gesellschaft resultierten offenbar auch aus Aktivitäten im Montansektor mit der typischen Verknüpfung von Bankgeschäft und Metallhandel. So waren Ulrich Örtwein und Lukas Herwart 1482 die größten oberdeutschen Gläubiger des Schwazer Silberwechsels. 1481 wurden sie für ein Darlehen von 8000 fl auf 1000 Mark Brandsilber aus den Betrieben Antons von Roß, 1482 für ein weiteres Darlehen von 2000 fl auf die Schwazer Kupferproduktion verwiesen. Für die 1480er Jahre ist auch die Präsenz der Firma in Nürnberg und Venedig fassbar. Nach kinderloser Ehe erhielt Ulrichs Witwe, Barbara Fuchshart (†1503/04), eine Stiefschwester des Großkaufmanns Heinrich Müller, nur ihr verwiesenes Heiratsgut. Das gesamte Erbe und die Firma fiel 1488 an die Tochter Veronika Herwart († 1497/98) und nach ihrem Tod an die Söhne. Seit den 1490er Jahren firmierte die Örtwein-Herwart-Gesellschaft als ’Georg Herwart & Gebr.’, ab 1508 als ’Christoph Herwart & Gebr.’.

Literatur:

Jakob Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen bürgerlichen Kapitalvermögen am Ausgange des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, zunächst in Augsburg, 21935, 115 ff.

Karl Moeser / Fritz Dworschak, Die große Münzreform unter Erzherzog Sigismund von Tirol, in: Österr. Münz- und Geldwesen im Mittelalter 7, 1936, 27, 47

Eduard Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, 1970, 4012

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983, 148, 198, Anh. 11-165.