Konzertleben

Autoren: Rüdiger Heinze, Günther Grünsteudel

Stand/Quelle/Datum: 24.8.2009

  • 1) Musiker: Nach Spielleuten und Stadtpfeifern (ab dem 14. Jahrhundert), nach Meistersingern, Kurrendesängern und Militärmusik (ab dem 16. Jahrhundert) ist der Beginn eines öffentlichen Konzertlebens Anfang des 18. Jahrhunderts anzusetzen, als Philipp David Kräuter 1713 ein Collegium musicum gründete, welches 1752 von Anton Christoph Gignoux mit bis zu 40 Berufs- und Laienmusikern wiederbelebt wurde. Während Kräuter die Musik seines Lehrers Bachs in Augsburg einführte, hatte Matthäus Fischer um 1800 maßgeblichen Anteil an der zeitigen Rezeption Wolfgang Amadé Mozarts in Augsburg. 1776 gründete Friedrich Hartmann Graf die erste Konzertgesellschaft in Augsburg, die sich zwar nur wenige Jahre hielt, aber mehrfach nachgeahmt wurde: 1781/86 durch Conrad von Fingerlin, 1803 durch Ernst Häussler (Abonnementskonzerte), 1812 durch Carl Bonaventura Witzka (Harmoniegesellschaft, Musikliebhaberkonzerte), nach 1830 durch den Arzt Franz Reisinger (Dilettantenkonzerte). In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten zahlreiche reisende Virtuosen in Augsburg auf, u. a. Heinrich Joseph Baermann (1815/39), Bernhard Romberg (1819), Ignaz Moscheles (1820), Franz Liszt (1823/43), Theobald Boehm (1825), Niccolò Paganini (1830), Henri Vieuxtemps (1833), Friedrich Kalkbrenner (1838), Ole Bull (1839) und Clara Schumann. Der Sängerbewegung des frühen 19. Jahrhunderts schloss sich Augsburg mit der Gründung von ’Liederkranz’ (1830) und Augsburger Liedertafel (1843) an, hinzu kamen in der zweiten Jahrhunderthälfte Arbeitergesangvereine (Chorwesen). In den 1860er Jahren wurden drei Institutionen gegründet, die das Konzertleben in Stadt und Region seither maßgeblich bestimmten: 1862 der Schwäbisch-Bayerische Sängerbund (seit 1989 Chorverband Bayerisch-Schwaben), 1865 das Städtische Orchester (seit 1976 'Philharmonisches Orchester Augsburg' und seit 2012 Augsburger Philharmoniker) und 1866 der Oratorienverein (nach Fusion mit der Liedertafel seit 1970 Philharmonischer Chor). 1919 konstituierte sich der Tonkünstlerverein. 1936 war Augsburg Austragungsort des ’Festes der deutscher Chormusik’. Seit 1952 richtet die Deutsche Mozartgesellschaft mit Sitz in Augsburg hier turnusmäßig das Deutsche Mozartfest aus. International beachtete Augsburger Musiker und Ensembles aus jüngerer Zeit sind z. B. die Augsburger Domsingknaben, das ’ensemble für frühe musik’, der Organist Roland Götz sowie der Jazz-Vibraphonist Wolfgang Lackerschmidt.

  • 2) Ausbildungsstätten: Im 16. Jahrhundert bildeten Augsburger Stadtpfeifer auch auswärtige Musiker aus. Das Jesuitenkolleg St. Salvator (insbesondere das 1661 zur Musikerausbildung gegründete Seminar St. Joseph) bildete ein Zentrum der Musikpflege und des Theaterspiels. Als es 1807 aufgelöst und mit dem Gymnasium bei St. Anna zur Königlichen Studienanstalt Augsburg vereinigt wurde, übernahm Ernst Häussler die Direktion. Instrumentalunterricht erhielten die Schüler von nun an durch städtische Musiker. 1849 Gründung einer ersten ’öffentlichen Singschule’ durch Donat Müller; 1873 eröffnete Hans Michael Schletterer eine private Musikschule, die 1922 von der Stadt übernommen und 1925 in ein Konservatorium (Leopold-Mozart-Konservatorium) umgewandelt wurde, das seinerseits 1999 in die Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg als Abteilung Augsburg einging. In dieser Tradition steht das Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg, in das 2008 die Bereiche Musikerziehung und Musikwissenschaft der Universität Augsburg und die Abteilung Augsburg der Musikhochschule überführt wurde. Die heutige Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg nahm ihre Arbeit 1905 auf. Einen musikpädagogischen Zweck verfolgt auch das 1959 gegründete Schwäbische Jugend-Sinfonieorchester.
  • 3) Aufführungsorte: Die frühesten nachweisbaren Podien eines öffentlichen ’Konzertlebens’ waren Tanzhaus, Herren- und KaufleutestubeBäckerhaus und der Hochgräflich bzw. (seit 1804/05) Hochfürstlich Fuggersche Saal. Seit dem 18. Jahrhundert fand das Konzertleben vielfach in Gasthäusern (’Zum Eisenhut’, ’Zu den drei Königen’, ’Zur Goldenen Traube’ etc.) statt. An Konzertpodien im 20. Jahrhundert sind vor allem zu nennen die Börse (1944 zerstört), der Ludwigsbau (1914-1965) und die Kongresshalle (1972; mit Kammermusiksaal), der Kleine Goldene Saal (1765), die Kresslesmühle (1977; Jazz, ethnische Musik), die Schwabenhalle (Messezentrum) und die Sporthalle (Pop- und Rockmusik); für Kirchenkonzerte werden aufgrund der guten Akustik bevorzugt St. Ulrich und evangelisch Heilig Kreuz genutzt.

Literatur:

Musik in der Reichsstadt Augsburg, 1965

Franz Krautwurst, in: Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 386-391, 504-514, 608-613

Franz Krautwurst / Wolfgang Zorn, Bibliographie des Schrifttums zur Musikgeschichte der Stadt Augsburg, 1989

Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 1, 21994, 997-1027

Herbert Huber, Die Konzerte im Fuggerschen Saal in Augsburg im Spiegel ihrer Programme (1776-1826), in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 103 (2010) [in Vorbereitung].