Kaufleutestube

Autor: Dr. Peter Geffcken

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1) Zentrum der 1479 gegründeten Kaufleutestubengesellschaft. Der ’kauffleytt drinckstub’ (1481) war zuerst in gemieteten Räumen untergebracht, um 1480 wohl im Haus der Endorfer am Weinmarkt, seit 1491 im städtischen Schuhhaus nahe dem Rathaus. Als dieses 1532 umgebaut wurde, erwarb die Stubengesellschaft ein eigenes Haus, das 1548, bei Abschaffung der Zunftverfassung, von der Stadt verkauft wurde. Schon 1549 erhielt die Stubengesellschaft wieder die Erlaubnis, ein eigenes Domizil zu erwerben und kaufte das Anwesen neben der Herrenstube. In bayerischer Zeit ging das Haus in den Besitz des Börsenvereins über, der es 1826 für den Neubau der Börse abreißen ließ.
  • 2) Kaufleutestubengesellschaft: 1479 gegründete gesellschaftliche Korporation, die nachweisbar schon in den 1480er Jahren Angehörigen aller Zünfte offenstand. Seit 1548 eigener Verfassungsstand mit einem, 1555-1806 mit drei Ratssitzen. Die Leitung lag in den Händen von je zwei neuen und alten Stubenmeistern und zwei Büchsenmeistern, die zusammen mit anfänglich sechs (belegt 1506), später 14 (belegt 1541), seit 1548 mit wieder nur sechs Beisitzern das Kollegium der Vorgeher bildeten. Diese wurden anfänglich je zur Hälfte aus den Gruppen der ’kauffleyt’ und der ’salzfertiger’ gewählt. Unter den 1486-1507 genannten Stuben- und Büchsenmeistern der ’kauffleyt’ erscheinen jedoch ausschließlich Mitglieder der Kramer-, Weber-, Lederer-, Brauer- und Schmiedezunft. Angehö­rige der Kaufleutezunft spielten, entgegen der älteren Literatur (Dirr), in der Kaufleutestubengesellschaft keine Rolle, da sie schon im ausgehenden 15. Jahrhundert fast geschlossen in der Herrenstube organisiert waren. Demgegenüber lassen sich die Salzfertiger durchgängig als Mitglieder der gleichnamigen Zunft nachweisen. Diese anfängliche Sonderstellung der Salzfertiger ist vielleicht Indiz, dass sich die Kaufleutestubengesellschaft als gesellschaftliches Pendant zur ebenfalls zunftübergreifenden Handelsorganisation der Salzfertigergesellschaft etablierte. Die Stubenordnung von 1541 hob den besonderen Status der Salzfertigerzunft schließlich auf, so dass die Vorgeherwahlen nun ’frey’ waren. Nach Einführung der Parität 1648 wurden die Ämter je zur Hälfte mit katholischen und protestantischen Stubenmitgliedern besetzt. Die Entwicklung der Kaufleutestubengesellschaft wurde auch durch die Abschlusstendenzen der Herrenstube seit 1491 gefördert. Stubenfähigkeit war bei ihr nicht grundsätzlich Geblütsrecht, sondern basierte auf ökonomischer Qualifikation und kaufmännischer Reputation bzw. Bildung (Akademiker). Waren entsprechende Voraussetzungen erfüllt, so konnte die Mitgliedschaft durch Zahlung einer Aufnahmegebühr erworben werden. Auch beeinflusst durch das Bevölkerungswachstum stiegen die Mitgliederzahlen der Kaufleutestubengesellschaft rasch an. 1504 verzeichnet die Stubenrechnung noch 90 verheiratete und acht ledige Männer, der Stubenzettel von 1544 nennt schon 154 verheiratete und 20 ledige, der von 1607 gar 214 verheiratete und 71 ledige Gesellen. Sehr wahrscheinlich gingen schon im 30-jährigen Krieg die Mitgliederzahlen wieder zurück, aber noch 1787 verzeichnet der Stubenzettel 145 verheiratete und 40 ledige Männer. Neben ihren gesellschaftlichen Aufgaben erfüllte die Kaufleutestubengesellschaft auch andere Funktionen. Wohl schon unter Ludwig Hoser, besonders aber unter Jakob Hörbrot diente sie als informelles Zentrum der ’zünftischen Partei’. Nachdem im 17. Jahrhundert die unternehmerischen Aktivitäten des Patriziats zurückgingen, entwickelte sich die Kaufleutestubengesellschaft auch zu einer zentralen Organisation des Augsburger Handels. Seit 1732 galten als wechselfähige Kaufleute nur Stubenmitglieder oder Personen, die im ’Raggionenbuch’, einer Art Handelsregister, verzeichnet waren. Als Voraussetzung für die Aufnahme in die Kaufleutestubengesellschaft wurde nun eine umfassende Ausbildung als Kaufmann gefordert, die durch achtjährige Tätigkeit in Handelshäusern nachgewiesen werden musste. In Handelsangelegenheiten wurden vom Rat Gutachten der Kaufleutestubengesellschaft angefordert. Auch den bis in die 1770er Jahre in einem ’öffentlichen Caféhaus’ abgewickelten Wechselhandel verlegte man in die Kaufleutestube, die damit zur Börse wurde. Die Organisationsstruktur der Kaufleutestubengesellschaft blieb über 1806 hinaus bestehen, auch wenn sich die Zulassungsregelungen modifizierten. Als stubenfähig galten jetzt Inhaber einer Kaufmanns- oder Handelskonzession der Stadt bzw. einer Großhandels- oder Fabrickonzession des Staates. Für die Gesellschaft der Kaufleute der Börse gab es seit 1806 besondere Statuten.

Literatur:

Pius Dirr, Kaufleutezunft und Kaufleutestube in Augsburg zur Zeit des Zunftregiments, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 35 (1909), 132-151

Wolfgang Zorn / Leonhard Hillenbrand, Sechs Jahrhunderte schwäbische Wirtschaft, 1969, 54-65

Roland Bettger, Das Handwerk in Augsburg beim Übergang der Stadt an das Königreich Bayern, 1979, 43-47.