Ilsung II

(’bei St. Johann’), Patrizierfamilie

Autoren: Dr. Peter Geffcken (1) , Dr. Katharina Sieh-Burens, Dr. Martina Haggenmüller (2)

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1) 1335 bis ins 18. Jahrhundert in Augsburg nachweisbar. 1538 eines der acht noch blühenden Geschlechter; 1581 Freiherrnstand. Seit dem 16. Jahrhundert versuchten nicht nur Herrscherhäuser, sondern auch Patrizierfamilien ihre Bedeutung hervorzuheben, indem sie eine Abstammung von großen Geschlechtern des Mittelalters oder gar der Antike behaupteten. Wohl im Vorfeld ihrer Bemühungen um kaiserliche Standeserhöhung bereicherten die Ilsung derartige Versuche um eine neue Variante. Nach Übernahme der Kapelle Heilig-Drei-König ließen sie dort vorgeblich alte Grabsteine aufstellen, deren Filiationsangaben ihre Abstammung von einem Grafen Friedrich von Möhringen belegen sollten. Die Legende der gräflichen Abstammung geht wohl auf Sebastian (III., † 1525) zurück, der auch gefälschte Exzerpte angeblicher Urkunden des 13. Jahrhunderts in Umlauf brachte; die Wirklichkeit war bescheidener. Der Familie zuzuordnen ist ein ’H(ermannus) Ilsung’, bei dessen Bürgeraufnahme 1335 seine Oheime, die ’avunculi C. (II) et Sifr. Ilsungi (I)’, bürgten. Sicher lassen sich dann die Brüder Ulrich ’bei Unser Frauen Brüder’ († 1395/96) und Konrad ’bei St. Johann’ († 1401) fassen, die nach dem frühen Tod ihres unbekannten Vaters (als Schwiegersohn Berchtold, II, Rehms wohl auch schon Augsburger Bürger) 1346 im Haus des Ulrich Ilsung (I) wohnten. Da dieser sie 1363 als ’Oheime’ bezeichnet und ihr Wappen eine markante Abweichung von dem der Ilsung (I) aufweist, lassen sie sich eindeutig als kognatische Seitenlinie identifizieren. Verschiedene Belege weisen die Ilsung (II) im 14. Jahrhundert als bedeutende Kaufleute aus; gegen Mitte des 15. Jahrhunderts ist dann ein Rückzug aus dem Handel erkennbar. Politisch traten sie erst nach Einführung der Zunftverfassung (Zunfterhebung) hervor: 1374 wurde Konrad I. als erster der Familie zum Stadtpfleger gewählt. Eine dominierende Stellung erlangte nach 1405 sein Sohn Sebastian (I, † 1425), der sechsmal als Stadtpfleger amtierte. Seine Ermordung durch Peter Rehlinger führte zu schweren Konflikten. Nachdem man 1425 die Täter geächtet hatte, mussten 1427 auch die Verwandten des Erschlagenen die Stadt verlassen, unter ihnen der Brudersohn Georg (I) Ilsung († 1437/38), der aber 1432 wieder nach Augsburg zurückkehrte.

  • 2) Bei den Nachkommen Georgs ist die Übernahme von Herrendiensten an Fürstenhöfen zu beobachten. Seine Söhne Sebastian (II, † 1469) und Sigmund (I, † 1500) standen Kaiser Friedrich III. nahe. Sebastian (II) unternahm 1446, vermutlich in Verbindung mit einer diplomatischen Mission im Auftrag von Papst Felix V. und dessen Sohn, Herzog Ludwigs von Savoyen, eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela, deren Verlauf er nachträglich beschrieb. Sigmunds (I) Sohn Sebastian (III, † 1525), Mitglied der ’Sodalitas Litteraria Augustana' und Richter des Schwäbischen Bundes, gab sein Bürgerrecht auf und trat, wie sein Bruder Achilles († 1530), in bayerische Dienste. Die wirtschaftliche Bedeutung der Familie nahm in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zunächst ab, nach der Aufhebung der Zunftverfassung 1548 erlangte sie jedoch den Höhepunkt ihrer politischen Wirksamkeit in Augsburg. Achilles’ Sohn Melchior (I, † 1565) war 1551-1567 Bürgermeister. Sein Bruder Georg († 1580) war Finanzagent der Habsburger, oberster kaiserlicher Kriegsherr im Schmalkaldischen Krieg, ab 1550 Nachfolger seines Schwagers Georg Gienger im Amt des Landvogts von Ober- und Unterschwaben, Reichspfennigmeister, 1568 Reichsritter, Hofpfalzgraf und Geheimer Rat. Seine Söhne Markus († 1583) und Friedrich († 1587), die ihm im Amt des Landvogts folgten, wurden zu Freiherren von Wolkenburg und Egloff und zu Herren von Tratzberg erhoben. Sie waren u. a. mit den Fugger verschwägert. Melchiors (I) Sohn Christoph († 1594), 1582/83 Bürgermeister, 1584-1593 Geheimer Rat, 1589-1593 Stadtpfleger, vertrat Augsburg beim Landsberger Bund (Bündnisse). Sein Bruder Johann Achilles († 1609) gab sein Bürgerrecht auf und wurde Reichspfennigmeister und Reichshofrat. Mit Johann Melchior stellte die Familie 1688-1695 zum letzten Mal einen Stadtpfleger. Die Familie war streng katholisch und trat mehrfach mit Stiftungen hervor, vor allem Christoph setzte sich für die Niederlassung der Jesuiten ein (St. Salvator).
  • Ilsungstraße, nach den Geschlechtern der Ilsung (Hochfeld, Amtlicher Stadtplan K, L 11/12).

Literatur:

Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichsstadt Augsburg, 1762, 107-112

Ders., Lebensbeschreibungen zur Erweckung und Unterhaltung bürgerlicher Tugend 2, 1782, 23-50

Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert

Allgemeine deutsche Biographie 14, 1881, 33 f.

Jakob Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen bürgerlichen Kapitalvermögen am Ausgange des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, zunächst in Augsburg, 21935, 41 f.

Wolfgang Stromer von Reichenbach, Oberdeutsche Hochfinanz 1350-1450, 1970, 196, 406 ff.

Eduard Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, 1970, 1426-1429

Neue deutsche Biographie 10, 1974, 141

V. Honemann, Sebastian Ilsaung als Spanienreisender und Santiagopilger, in: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte, 1988, 61-95

Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 4, 21983, 364 f.

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983.

Johann Melchior Ilsung