Gewerkschaften

Autor: Dr. MaritaA. Panzer

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Als Interessenvertretung der Arbeiterschaft zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage entstanden in Deutschland seit Mitte der 1860er Jahre Gewerkschaften (Arbeiterbewegung). Die deutsche Gewerkschaftsbewegung war von Anfang an in Richtungen gespalten: die sozialistischen Freien Gewerkschaften, die liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine und die Christlichen Gewerkschaften (ab 1895). Speziell in Augsburg bestand noch eine vierte Richtung, die ’Gelben Werkvereine’.

    Ein 1849 gegründeter erster Vorläufer, der ’Gutenberg-Verein’ der Buchdruckergesellen, wurde bereits 1850 aufgelöst. Im April 1867 konstituierte sich in Augsburg erneut ein Buchdruckerverein, der sich im Juli dem ’Verband der Buchdrucker’ anschloss. Extern angeregt entstanden 1868 die an Lassalle orientierten Gewerkschaften der Metallarbeiter, Schuhmacher, Schneider, Maler und Lackierer, Holzarbeiter und Zimmerleute, der Manufaktur-, Hand- und Fabrikarbeiter; hinzu kam 1869 eine Mitgliedschaft des Allgemeinen Deutschen Maurer- und Steinhauer-Bundes sowie die Gewerkschaften der Sattler und (später) der Bäcker. In der Folgezeit immer wieder größere Streikbewegungen auch in Augsburg durch stärkere Hinwendung der Gewerkschaften zu ökonomischen Fragen und klassenkämpferischer Agitation. Die Streikenden forderten höheren und tariflich geregelten Lohn, kürzere Arbeitszeiten, klagten über Sonntagsarbeit, über Missstände in den Fabriken, über materielle Not, über zu starke physische Beanspruchung, rohe Behandlung und geringe Sicherheit im Alter, bei Krankheit u. ä.

    Nach dem Fall des Sozialistengesetzes von 1878 im Jahre 1890 bildeten sich in Augsburg neue Fachvereine und Zahlstellen der Freien Gewerkschaften. 1896 schlossen sich, wie in anderen großen Städten, die lokalen Zahlstellen zu einem Kartell, dem Gewerksverein, zusammen. Auf diese Weise sollten die Aktionen der einzelnen Gewerkschaften koordiniert werden. Die Freien Gewerkschaften waren damals in Augsburg zahlenmäßig noch gering, so dass erst 1906 ein Arbeitersekretariat eingerichtet wurde. Allgemein beklagt wurde der niedrige Organisationsgrad der Augsburger Arbeiterschaft wie auch der geringe Mitgliederanteil von Frauen. Trotz zahlenmäßig großer Arbeiterbevölkerung spielte Augsburg für die Organisation der Freien Gewerkschaften keine wichtige Rolle; 1912 hatten sie 10.805 Mitglieder.

    1883 wurde der Ortsverein der Maschinenbau- und Metallarbeiter der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine gegründet, die aber ansonsten in nur wenigen Augsburger Betrieben vertreten waren. Die Gewerkvereine wurden im Gegensatz zu den Freien Gewerkschaften von den meisten Unternehmern geschätzt, da sie keine Sozialdemokraten aufnahmen. Nach Gründung der ’Gelben Werkvereine’ gingen die Mitgliederzahlen stark zurück, so dass die 1905 geschaffene zentrale Organisation nicht mehr aufrechterhalten werden konnte (1912 rund 1550 Mitglieder).

    Das 1893 im Zusammenhang mit den Gewerbegerichtswahlen gebildete ’Wahlkomitée nichtsozialdemokratischer Arbeiter von Augsburg und Umgebung’ setzte sich zusammen aus Vertretern der Katholische Arbeitervereine, des Evangelischen Handwerker- und Arbeitervereins, des Arbeiterfortbildungsvereins und der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine. Im Mai 1893 konstituierte sich der ’Verband ordnungsliebender Arbeiter’ (später: Wirtschaftlicher Verband der Arbeitervereine von Augsburg und Umgebung). Zahlenmäßig am stärksten vertreten waren hier die katholischen Arbeiter- und Männervereine. Man verstand sich als Instrument gegen die sozialistische Arbeiterbewegung, vermittelte Arbeitsstellen und richtete eine Beschwerdekommission ein. Die Christlichen Gewerkschaften stießen zunächst in Augsburg auf wenig Resonanz, teilweise sogar auf Ablehnung durch die katholischen Arbeitervereine. 1897 erste Christliche Gewerkschaften für Textilarbeiter und Eisenbahner. Später entstehende Ortsgruppen hatten noch lange mit dem Misstrauen der katholischen Arbeitervereine zu kämpfen, ehe ab 1908 ein gewisser Wandel eintrat. Dennoch wurden die Christlichen Gewerkschaften (1912: 3029 Mitglieder in Augsburg) zu keiner ernsthaften Konkurrenz für die Freien Gewerkschaften.

    Während des Arbeitskampfs und der Aussperrungen von 1905 ging die Gründung einer unternehmerhörigen Organisation vonstatten, die sich im Oktober 1905 als ’Arbeiterverein vom Werk Aaugsburg’ bei der MAN konstituierte. Die ’Gelben Werkvereine’ wurden zu einem antigewerkschaftlichen und antisozialistischen Instrument der Unternehmer in Fortführung der Ideen der wirtschaftsfriedlichen Arbeiterbewegung und der ordnungsliebenden Arbeitervereine. ’Gelbe Werkvereine’ bildeten sich auch in anderen Augsburger Unternehmen: 1908 waren schon 6912 Arbeiter in 16 Unternehmen organisiert (mehr als 50 % der dortigen Belegschaft). Nach den Wirtschaftskrisen 1908/09 und 1913 gingen die Mitgliederzahlen wieder zurück. Im Dezember 1918 lösten sich die ’Gelben Werkvereine’ auf. Nach dem Verbot der Gewerkschaften im Dritten Reich zugunsten der NS-Organisation Deutsche Arbeitsfront (DAF) formierte sich die Gewerkschaftsbewegung nach 1945 neu.

Literatur:

Ilse Fischer, Industrialisierung, sozialer Konflikt und politische Willensbildung in der Stadtgemeinde, 1977

Susanne Mutert, Die bayerischen Gewerkschaften im 19. Jahrhundert, 1997.