Fernhandel

Autor: Prof. Dr. Rolf Kießling

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Die Anfänge des Augsburger Fernhandels lassen sich trotz Funden von Augsburger Münzen seit dem 10. Jahrhundert in Nord- und Osteuropa erst spät genauer festmachen: 1156 in Köln, 1327 in Bozen, um 1250 wohl auch auf den Champagner Messen und spätestens Ende des 13. Jahrhunderts in Venedig sowie in Bayern und Tirol. Der Fernhandel mit Wein, Salz, Textilien, Metallen, Leder und Luxuswaren erreichte damals noch keine großen Dimensionen. Im 14. Jahrhundert Ausdehnung (sporadisch durch Quellen belegt) nach Mailand, Frankfurt/Main, Brabant und Flandern, Wien und Österreich, Böhmen, Mähren, Polen. Entscheidender Motor für den Ausbau war wohl die in Augsburg im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts einsetzende Herstellung des Barchent, der durch den Bezug von Baumwolle vor allem den Venedighandel und über den Absatz der Fertigware den Handel in Frankfurt, Köln, Prag und Wien intensivierte und auch den Einstieg in die oberdeutsche Hochfinanz in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ermöglicht haben dürfte. Die typische Verbindung von Edelmetallhandel (Kupfer- und Silberhandel) und Kreditwesen setzte 1456 mit der Gesellschaft der Meuting in Tirol ein; ihr Ausbau seit den 1470er Jahren zum zweiten Angelpunkt des Fernhandels (Fugger, Baumgartner, Gossembrot, Hoechstetter) nahm erstmals 1498 mit dem Kupfersyndikat Züge eines europäischen Monopolhandels an. Eine neue Dimension erreichte der Fernhandel mit dem Einstieg in das Überseegeschäft durch die Welser, zunächst über Spanien und Portugal, seit 1505 unter Beteiligung der Fugger und Imhof direkt in den indischen Gewürzhandel, mit Zuckerrohrplantagen auf den Kanarischen Inseln sowie in den Südamerikahandel (1526 erste schwäbische Überseefaktorei in Santo Domingo, 1528 in Venezuela). Der europäische Fernhandel in der Phase der Blütezeit Augsburgs umfasste nahezu alle Länder Europas von Spanien bis Südosteuropa und von England bis zum Ostseeraum. Die wichtigsten Firmen waren neben den Fuggern und Welsern die Höchstetter, Rehlinger, Baumgartner, Manlich, Haug & Langnauer und Herwart, organisiert in Form von Familienhandelsgesellschaften mit Faktoreien in den wichtigsten Handels-plätzen Europas. Die großen Konkurse der 1550er und 1570er Jahre beeinträchtigten vor allem die Großfirmen, während der Warenhandel in beachtlicher Breite andauerte. Der Einbruch des Dreißigjährigen Krieges und die Verlagerung der Handelsschwerpunkte ließen im 17./18. Jahrhundert nur mehr die drei Säulen Silberhandel, Kunsthandwerk und Kattundruck herausragen, während der übrige Warenhandel (Seide, Gewürze, Wein, Kaffee, Salz) geringer ausfiel; immerhin beteiligten sich die Obwexer im ausgehenden 18. Jahrhundert über Antwerpen am Karibikhandel (Handelsstraßen).

Literatur:

Richard Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, 1896

Anton Mayr, Die großen Augsburger Vermögen 1618 bis 1717, 1931

Jakob Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen bürgerlichen Kapitalvermögen am Ausgange des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, zunächst in Augsburg, 21935

Ders., Das reiche Augsburg, 1938

Götz von Pölnitz, Augsburger Kaufleute und Bankherren der Renaissance, in: Augusta 955-1955, 1955, 187-218

Wolfgang Zorn, Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648-1870, 1961

Eckart Schremmer, Handel und Gewerbe bis zum Beginn des Merkantilismus, in: Handbuch der bayerischen Geschichte 3/2, 1971, 1080-1096, 1101-1107

Friedrich Blendinger, Augsburger Handel im Dreißigjährigen Krieg, in: Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege 2, 1978, 325-345

Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 166-171 (Peter Lengle), 171-181 (Rolf Kießling), 258-301 (Hermann Kellenbenz), 468-480 (Peter Fassl)

Schwaben-Tirol, 1989

Marl Häberlein / Michaela Schmölz-Häberlein, Die Erben der Welser, 1995

Bernd Mertens, Im Kampf gegen die Monopole, 1996.